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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Das britische Weltreich und seine Aussichten.

bemühen sich die Engländer, auch den Handelsverkehr Abens nach diesem Orte
zu leiten, der noch im Bereiche der Geschütze ihrer Festung liegt. Auf den
Hügeln bei demselben errichtet man Batterien und Forts, die vollständige
Sicherheit und Unabhängigkeit von den Werken der Festung gewährleisten und
ein großes befestigtes Lager herstellen sollen. Abens Kohlendepot entspricht
allen Anforderungen. In Verbindung mit der Insel Perim am Bab El Mandeb.
der südlichen Verengerung des Roten Meeres, kann Aden jedes fremde Fahrzeug
am Ein- und Auslaufen verhindern. Doch wird Perim von dem östlich davon
uns arabischem Boden gelegenen Berge Machali beherrscht, an dessen Fuße die
Franzosen das Dorf Scheich Said' besitzen. Anderseits hat England noch
einige wichtige Punkte dieser Gegenden unter seinen Einfluß gebracht, so die
Insel Muscha an der Tadschurrabucht, Salia an der Somaliküste und östlich
davon Berber", das für sehr wertvoll gilt. Es hat sich aber nicht damit
begnügt, die südlichen Schlüssel zum Roten Meere zu besitzen, sondern auch
nach denen zu dessen nördlichem Thore gegriffen, es hat Ägypten besetzt, und
wie an dem natürlichen Eingange zum Mittelmeere in Gibraltar, finden wir an
dessen künstlichem Ausgange bei Suez britische Kriegsschiffe, Soldaten und
Kanonen. Noch sind hier keine Befestigungen angelegt, aber sehr leicht ließe
sich der Kanal durch schwer armirte Batterien und durch Torpedoanlagen allen
nichtenglischen Panzerschiffen und Kreuzern dicht verschließen. Das war der
Beweggrund für den Feldzug vou 1882, an dem die Franzosen unbegreif-
licherweise nicht teilnahmen, obwohl es ihnen freistand und durch ihr Interesse
geboten war. Jetzt scheint es zu spät, wenn man in Paris versucht, die Eng¬
länder wieder zum Abzüge aus dieser überaus vorteilhaften Stellung am Nil
zu nötigen. Wenigstens wird dies mit bloßen diplomatischen Mitteln ihnen
niemals gelingen, zumal wenn sie allein damit vorgehen. Großbritannien wird
solchen gegenüber niemals in Verlegenheit um Vorwände sein, mit denen sich
sein Verbleiben rechtfertigen läßt, und es kann in der That auf seine jetzige
Stellung im Pharaonenlande nicht leicht Verzicht leisten. Dies verbietet ihm
die politische, die militärische und nicht minder die kommerzielle Bedeutung des
Landes. Die politische Wichtigkeit Ägyptens liegt in dessen tief- und weit¬
reichenden Einflüsse auf die Welt des Islam und namentlich in dessen Ein¬
wirkung auf die nordafrikanischen Muslimen, die kommerzielle in seiner Lage
am Kanäle, der Ostasiens und Australiens Märkte mit denen Europas ver¬
bindet; militärisch betrachtet ist es ein Land, welches auf drei Erdteile und
zwei Meere beherrschend wirkt, und von dem aus sein Besitzer nach Asien wie
nach Afrika, sowie über das Mittelmeer hin nach Südeuropa wuchtige Stöße
und Schläge austeilen kann. Syrien und Arabien, desgleichen Tripolis, Si¬
zilien und der Peloponnes erscheinen als von dieser riesigen Festung aus be¬
herrschte Glacis, welche den Hauptschlüssel zu Indien verwahrt.

Der wichtigste Ort an der Westküste der großen Halbinsel dieses Namens


Das britische Weltreich und seine Aussichten.

bemühen sich die Engländer, auch den Handelsverkehr Abens nach diesem Orte
zu leiten, der noch im Bereiche der Geschütze ihrer Festung liegt. Auf den
Hügeln bei demselben errichtet man Batterien und Forts, die vollständige
Sicherheit und Unabhängigkeit von den Werken der Festung gewährleisten und
ein großes befestigtes Lager herstellen sollen. Abens Kohlendepot entspricht
allen Anforderungen. In Verbindung mit der Insel Perim am Bab El Mandeb.
der südlichen Verengerung des Roten Meeres, kann Aden jedes fremde Fahrzeug
am Ein- und Auslaufen verhindern. Doch wird Perim von dem östlich davon
uns arabischem Boden gelegenen Berge Machali beherrscht, an dessen Fuße die
Franzosen das Dorf Scheich Said' besitzen. Anderseits hat England noch
einige wichtige Punkte dieser Gegenden unter seinen Einfluß gebracht, so die
Insel Muscha an der Tadschurrabucht, Salia an der Somaliküste und östlich
davon Berber«, das für sehr wertvoll gilt. Es hat sich aber nicht damit
begnügt, die südlichen Schlüssel zum Roten Meere zu besitzen, sondern auch
nach denen zu dessen nördlichem Thore gegriffen, es hat Ägypten besetzt, und
wie an dem natürlichen Eingange zum Mittelmeere in Gibraltar, finden wir an
dessen künstlichem Ausgange bei Suez britische Kriegsschiffe, Soldaten und
Kanonen. Noch sind hier keine Befestigungen angelegt, aber sehr leicht ließe
sich der Kanal durch schwer armirte Batterien und durch Torpedoanlagen allen
nichtenglischen Panzerschiffen und Kreuzern dicht verschließen. Das war der
Beweggrund für den Feldzug vou 1882, an dem die Franzosen unbegreif-
licherweise nicht teilnahmen, obwohl es ihnen freistand und durch ihr Interesse
geboten war. Jetzt scheint es zu spät, wenn man in Paris versucht, die Eng¬
länder wieder zum Abzüge aus dieser überaus vorteilhaften Stellung am Nil
zu nötigen. Wenigstens wird dies mit bloßen diplomatischen Mitteln ihnen
niemals gelingen, zumal wenn sie allein damit vorgehen. Großbritannien wird
solchen gegenüber niemals in Verlegenheit um Vorwände sein, mit denen sich
sein Verbleiben rechtfertigen läßt, und es kann in der That auf seine jetzige
Stellung im Pharaonenlande nicht leicht Verzicht leisten. Dies verbietet ihm
die politische, die militärische und nicht minder die kommerzielle Bedeutung des
Landes. Die politische Wichtigkeit Ägyptens liegt in dessen tief- und weit¬
reichenden Einflüsse auf die Welt des Islam und namentlich in dessen Ein¬
wirkung auf die nordafrikanischen Muslimen, die kommerzielle in seiner Lage
am Kanäle, der Ostasiens und Australiens Märkte mit denen Europas ver¬
bindet; militärisch betrachtet ist es ein Land, welches auf drei Erdteile und
zwei Meere beherrschend wirkt, und von dem aus sein Besitzer nach Asien wie
nach Afrika, sowie über das Mittelmeer hin nach Südeuropa wuchtige Stöße
und Schläge austeilen kann. Syrien und Arabien, desgleichen Tripolis, Si¬
zilien und der Peloponnes erscheinen als von dieser riesigen Festung aus be¬
herrschte Glacis, welche den Hauptschlüssel zu Indien verwahrt.

Der wichtigste Ort an der Westküste der großen Halbinsel dieses Namens


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[0511] Das britische Weltreich und seine Aussichten. bemühen sich die Engländer, auch den Handelsverkehr Abens nach diesem Orte zu leiten, der noch im Bereiche der Geschütze ihrer Festung liegt. Auf den Hügeln bei demselben errichtet man Batterien und Forts, die vollständige Sicherheit und Unabhängigkeit von den Werken der Festung gewährleisten und ein großes befestigtes Lager herstellen sollen. Abens Kohlendepot entspricht allen Anforderungen. In Verbindung mit der Insel Perim am Bab El Mandeb. der südlichen Verengerung des Roten Meeres, kann Aden jedes fremde Fahrzeug am Ein- und Auslaufen verhindern. Doch wird Perim von dem östlich davon uns arabischem Boden gelegenen Berge Machali beherrscht, an dessen Fuße die Franzosen das Dorf Scheich Said' besitzen. Anderseits hat England noch einige wichtige Punkte dieser Gegenden unter seinen Einfluß gebracht, so die Insel Muscha an der Tadschurrabucht, Salia an der Somaliküste und östlich davon Berber«, das für sehr wertvoll gilt. Es hat sich aber nicht damit begnügt, die südlichen Schlüssel zum Roten Meere zu besitzen, sondern auch nach denen zu dessen nördlichem Thore gegriffen, es hat Ägypten besetzt, und wie an dem natürlichen Eingange zum Mittelmeere in Gibraltar, finden wir an dessen künstlichem Ausgange bei Suez britische Kriegsschiffe, Soldaten und Kanonen. Noch sind hier keine Befestigungen angelegt, aber sehr leicht ließe sich der Kanal durch schwer armirte Batterien und durch Torpedoanlagen allen nichtenglischen Panzerschiffen und Kreuzern dicht verschließen. Das war der Beweggrund für den Feldzug vou 1882, an dem die Franzosen unbegreif- licherweise nicht teilnahmen, obwohl es ihnen freistand und durch ihr Interesse geboten war. Jetzt scheint es zu spät, wenn man in Paris versucht, die Eng¬ länder wieder zum Abzüge aus dieser überaus vorteilhaften Stellung am Nil zu nötigen. Wenigstens wird dies mit bloßen diplomatischen Mitteln ihnen niemals gelingen, zumal wenn sie allein damit vorgehen. Großbritannien wird solchen gegenüber niemals in Verlegenheit um Vorwände sein, mit denen sich sein Verbleiben rechtfertigen läßt, und es kann in der That auf seine jetzige Stellung im Pharaonenlande nicht leicht Verzicht leisten. Dies verbietet ihm die politische, die militärische und nicht minder die kommerzielle Bedeutung des Landes. Die politische Wichtigkeit Ägyptens liegt in dessen tief- und weit¬ reichenden Einflüsse auf die Welt des Islam und namentlich in dessen Ein¬ wirkung auf die nordafrikanischen Muslimen, die kommerzielle in seiner Lage am Kanäle, der Ostasiens und Australiens Märkte mit denen Europas ver¬ bindet; militärisch betrachtet ist es ein Land, welches auf drei Erdteile und zwei Meere beherrschend wirkt, und von dem aus sein Besitzer nach Asien wie nach Afrika, sowie über das Mittelmeer hin nach Südeuropa wuchtige Stöße und Schläge austeilen kann. Syrien und Arabien, desgleichen Tripolis, Si¬ zilien und der Peloponnes erscheinen als von dieser riesigen Festung aus be¬ herrschte Glacis, welche den Hauptschlüssel zu Indien verwahrt. Der wichtigste Ort an der Westküste der großen Halbinsel dieses Namens

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/511>, abgerufen am 17.09.2024.