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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Das britische Weltreich und seine Aussichten.

Waffen und ein Militärlazaret angelegt. Endlich steht in Batna eine
Torpedoabteilung. Fassen wir die maritime Kraft des Zarenreiches, die auf
dem Pontus schwimmt, zusammen, so haben wir in Sewastopol die großen
Schlachtschiffe, an der Kiliamündung die Douauslotille, in Odessa die "frei¬
willige Flotte" und an der kaukasischen Küste ein Geschwader von Ruderbooten,
seetüchtigen Fahrzeugen, bemannt mit kühnen und geschickten Matrosen und be¬
fehligt von Marineoffizieren. Für sichere Unterkunft und Gelegenheit zu neuer
Ausrüstung ist an der langgestreckten russischen Küste reichlich gesorgt. Sewastopol
und Nikolajeff aber sind die strategischen Vorwerke, von denen einst der Ausfall
nach dem goldnen Horn unternommen werden wird, der den Angriff zu Lande
begleiten soll. Ist Rußland einmal im unbestrittenen Besitze des Pontus, so
kann ihm Konstantinopel nicht mehr entgehen, und hat es den Bosporus, so
wird es zu einer Mittelmecrinacht, welche den Suezkanal und die große Wasser¬
straße zwischen Indien und England bedroht und sie im Vereine mit Frankreichs
Flotte und Heer ernstlich gefährden könnte.

Wenden wir uns wieder dem Kap zu, wo sich der Indische Ozean den:
Atlantischen anschließt, so herrscht die englische Flagge in den Gewässern Ost¬
afrikas bis nach Sansibar, dem großen Thore des dritten Erdteils auf jener
Seite. Hier und weiter nordwärts hat Deutschland an den Küsten und im
Innern bis zum Kilimandscharo hin Posto gefaßt, um das Land allmählich zu
einem zweiten Indien zu entwickeln, und an der östlichen Begrenzung des Kanals
von Mozambique versucht die französische Republik sich in Madagaskar fest¬
zusetzen und darf sich der ausgezeichneten Flottenstation am Diego Suarez
bedienen, wodurch die britische Insel Mauritius mit dem befestigten Hafen und
den Docks von Port Louis erhöhte Bedeutung gewinnt. Bei der Insel Svkotvrci
am Kap Guardafui sind wir zugleich am Golfe von Aden, dem südlichen Aus-
gange des Noten Meeres, angelangt, wo sich England eine Stellung geschaffen
hat, welche seine jetzige Stellung in Ägypten ergänzt. Sokotora bildet die erste
Warte an der Scheide jenes Golfs, und westlich von hier steht die gewaltige
Festung Aden, das Gibraltar dieser Gewässer. Sie erhebt sich über die land¬
einwärts gelegene Stadt auf einer 526 Meter hohen, steil ansteigenden Halb¬
insel vulkanischen Ursprungs. Ein erloschener Krater von 10,S Kilometer
Durchmesser trügt die Festungswerke und andre militärische Anlagen, zu
denen auch ungeheure Felscnzisterncn und die riesigen Kondensatoren ge¬
hören, welche das Seewasser für die 5000 Mann starke Garnison und die
30 000 Einwohner der Stadt in trinkbares verwandeln. Versagten diese An¬
stalten einmal den Dienst, so würde Stadt und Festung verdursten. Doch
läßt sich dem durch eine Wasserleitung zwischen diesem und dem Dorfe Scheich
Othman abhelfen, welches sechs Kilometer von dem Krater am westlichen Rande
der Bucht liegt und reichhaltige Quellen besitzt, und welches man vor einiger Zeit
mit anderen Gebiete dem Sultan von Lcchadsch abgekauft hat. neuerdings


Das britische Weltreich und seine Aussichten.

Waffen und ein Militärlazaret angelegt. Endlich steht in Batna eine
Torpedoabteilung. Fassen wir die maritime Kraft des Zarenreiches, die auf
dem Pontus schwimmt, zusammen, so haben wir in Sewastopol die großen
Schlachtschiffe, an der Kiliamündung die Douauslotille, in Odessa die „frei¬
willige Flotte" und an der kaukasischen Küste ein Geschwader von Ruderbooten,
seetüchtigen Fahrzeugen, bemannt mit kühnen und geschickten Matrosen und be¬
fehligt von Marineoffizieren. Für sichere Unterkunft und Gelegenheit zu neuer
Ausrüstung ist an der langgestreckten russischen Küste reichlich gesorgt. Sewastopol
und Nikolajeff aber sind die strategischen Vorwerke, von denen einst der Ausfall
nach dem goldnen Horn unternommen werden wird, der den Angriff zu Lande
begleiten soll. Ist Rußland einmal im unbestrittenen Besitze des Pontus, so
kann ihm Konstantinopel nicht mehr entgehen, und hat es den Bosporus, so
wird es zu einer Mittelmecrinacht, welche den Suezkanal und die große Wasser¬
straße zwischen Indien und England bedroht und sie im Vereine mit Frankreichs
Flotte und Heer ernstlich gefährden könnte.

Wenden wir uns wieder dem Kap zu, wo sich der Indische Ozean den:
Atlantischen anschließt, so herrscht die englische Flagge in den Gewässern Ost¬
afrikas bis nach Sansibar, dem großen Thore des dritten Erdteils auf jener
Seite. Hier und weiter nordwärts hat Deutschland an den Küsten und im
Innern bis zum Kilimandscharo hin Posto gefaßt, um das Land allmählich zu
einem zweiten Indien zu entwickeln, und an der östlichen Begrenzung des Kanals
von Mozambique versucht die französische Republik sich in Madagaskar fest¬
zusetzen und darf sich der ausgezeichneten Flottenstation am Diego Suarez
bedienen, wodurch die britische Insel Mauritius mit dem befestigten Hafen und
den Docks von Port Louis erhöhte Bedeutung gewinnt. Bei der Insel Svkotvrci
am Kap Guardafui sind wir zugleich am Golfe von Aden, dem südlichen Aus-
gange des Noten Meeres, angelangt, wo sich England eine Stellung geschaffen
hat, welche seine jetzige Stellung in Ägypten ergänzt. Sokotora bildet die erste
Warte an der Scheide jenes Golfs, und westlich von hier steht die gewaltige
Festung Aden, das Gibraltar dieser Gewässer. Sie erhebt sich über die land¬
einwärts gelegene Stadt auf einer 526 Meter hohen, steil ansteigenden Halb¬
insel vulkanischen Ursprungs. Ein erloschener Krater von 10,S Kilometer
Durchmesser trügt die Festungswerke und andre militärische Anlagen, zu
denen auch ungeheure Felscnzisterncn und die riesigen Kondensatoren ge¬
hören, welche das Seewasser für die 5000 Mann starke Garnison und die
30 000 Einwohner der Stadt in trinkbares verwandeln. Versagten diese An¬
stalten einmal den Dienst, so würde Stadt und Festung verdursten. Doch
läßt sich dem durch eine Wasserleitung zwischen diesem und dem Dorfe Scheich
Othman abhelfen, welches sechs Kilometer von dem Krater am westlichen Rande
der Bucht liegt und reichhaltige Quellen besitzt, und welches man vor einiger Zeit
mit anderen Gebiete dem Sultan von Lcchadsch abgekauft hat. neuerdings


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/510>, abgerufen am 17.09.2024.