Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das britische Weltreich und seine Aussichten.

Wichtigkeit dagegen ist die vor kurzem vollendete große kanadische Eisenbahn,
welche in Quebek beginnt, über Ottawa nach Fort William am Obern See
läuft, weiterhin die Felsengebirge übersteigt und bei Port Moody an der
Mündung des Fraserflusses den Stillen Ozean erreicht, nachdem sie eine Strecke
von 3660 Kilometern durchmessen hat. Dampferlinien verbinden Fort Moody
mit den englischen Häfen in Ostasien, sowie mit Japan und China. Der Weg
von Liverpool nach Port Hamilton und Honkong wird durch diese Anstalten
um 1013 Kilometer abgekürzt, und die Beförderung von Truppen und Kriegs¬
material aus der Heimat nach Victoria auf der Insel Vancouver kann mit
Hilfe derselben binnen vierzehn Tagen bewerkstelligt werden. Dieser Schienen-
strang ist somit eine Wehrhahn, ein Zentralbindeglied zwischen England, seinen
amerikanischen, asiatischen und selbst seinen australischen Kolonien und, weil er
die Konzentration befördert, ein militärischer Krafterzeuger, der nicht nur Ka¬
nadas weite Gebiete zusammenfaßt, sondern auch das Mittel bietet, sie von
einem Punkte aus zu beherrschen. Nur eins ist bis jetzt hierbei unterlassen
worden: die Linie streicht ziemlich nahe an der Grenze der Vereinigten Staaten
hin, und namentlich ihre westliche Endstation erscheint als von diesen stark
bedroht, und dennoch ist keine Maßregel zum Schutze gegen diese Gefahr
getroffen.

Nach dem britischen Westindien führen zwei Scestraßen: eine nördliche
und eine südliche. Jene berührt das strategisch wichtige Bermuda mit der stark
befestigten Hauptstadt Hamilton, welche große Kohlendepots und ein Dock hat,
und endigt an der Zentralinsel Jamaica, wo die Befestigungen von Port Roycil
ebenfalls bedeutende Kohlenvorräte und Schiffsetablisfemcnts einschließen. Die
zweite verbindet England mit Antigua und Barbadoes, wo sich wieder Kohlcn-
depots für die Kriegsflotte befinden. Geschwaderstation für Westindien ist der
wohlbefestigte Hafen von Guadaloupe. Alle diese Inseln stehen durch eine dritte
Route mit Gibraltar in Verbindung, von wo eine vierte sich abzweigt, die
nach den Kapverdischen Inseln geht, um von hier Schiffe entweder über die
Falklandsinseln nach dem Kap Horn oder über die Inseln Ascension und
Se. Helena nach dem Kap der guten Hoffnung abdampfen zu lassen. Ascension
und Se. Helena, welche Kohlenstationen erster Klasse haben, sind von größter
Wichtigkeit für die britische Flotte, ihr Verlust wäre verhängnisvoll für deren
Herrschaft über den Süden des Atlantischen Meeres und sür deren Verbindungs¬
wege mit Indien und Australien, falls der Suezkanal gesperrt sein sollte. Weder
Ascension nach Se. Helena, noch ein Punkt auf den Falklandsinseln besitzen
Festungen, und das gleiche gilt von der Kapstadt, die, so wichtig auch
ihre Lage an der Scheide zweier Erdhälften ist, gleichfalls keine großen Docks
hat. Die Werke zum Schutze der Simonsbai sichern höchstens vor Überrum¬
pelung von der See her. Im Innern der Kolonie und um sie herum hat
England an dem holländischen Elemente der Bevölkerung Gegner, die ihm


Das britische Weltreich und seine Aussichten.

Wichtigkeit dagegen ist die vor kurzem vollendete große kanadische Eisenbahn,
welche in Quebek beginnt, über Ottawa nach Fort William am Obern See
läuft, weiterhin die Felsengebirge übersteigt und bei Port Moody an der
Mündung des Fraserflusses den Stillen Ozean erreicht, nachdem sie eine Strecke
von 3660 Kilometern durchmessen hat. Dampferlinien verbinden Fort Moody
mit den englischen Häfen in Ostasien, sowie mit Japan und China. Der Weg
von Liverpool nach Port Hamilton und Honkong wird durch diese Anstalten
um 1013 Kilometer abgekürzt, und die Beförderung von Truppen und Kriegs¬
material aus der Heimat nach Victoria auf der Insel Vancouver kann mit
Hilfe derselben binnen vierzehn Tagen bewerkstelligt werden. Dieser Schienen-
strang ist somit eine Wehrhahn, ein Zentralbindeglied zwischen England, seinen
amerikanischen, asiatischen und selbst seinen australischen Kolonien und, weil er
die Konzentration befördert, ein militärischer Krafterzeuger, der nicht nur Ka¬
nadas weite Gebiete zusammenfaßt, sondern auch das Mittel bietet, sie von
einem Punkte aus zu beherrschen. Nur eins ist bis jetzt hierbei unterlassen
worden: die Linie streicht ziemlich nahe an der Grenze der Vereinigten Staaten
hin, und namentlich ihre westliche Endstation erscheint als von diesen stark
bedroht, und dennoch ist keine Maßregel zum Schutze gegen diese Gefahr
getroffen.

Nach dem britischen Westindien führen zwei Scestraßen: eine nördliche
und eine südliche. Jene berührt das strategisch wichtige Bermuda mit der stark
befestigten Hauptstadt Hamilton, welche große Kohlendepots und ein Dock hat,
und endigt an der Zentralinsel Jamaica, wo die Befestigungen von Port Roycil
ebenfalls bedeutende Kohlenvorräte und Schiffsetablisfemcnts einschließen. Die
zweite verbindet England mit Antigua und Barbadoes, wo sich wieder Kohlcn-
depots für die Kriegsflotte befinden. Geschwaderstation für Westindien ist der
wohlbefestigte Hafen von Guadaloupe. Alle diese Inseln stehen durch eine dritte
Route mit Gibraltar in Verbindung, von wo eine vierte sich abzweigt, die
nach den Kapverdischen Inseln geht, um von hier Schiffe entweder über die
Falklandsinseln nach dem Kap Horn oder über die Inseln Ascension und
Se. Helena nach dem Kap der guten Hoffnung abdampfen zu lassen. Ascension
und Se. Helena, welche Kohlenstationen erster Klasse haben, sind von größter
Wichtigkeit für die britische Flotte, ihr Verlust wäre verhängnisvoll für deren
Herrschaft über den Süden des Atlantischen Meeres und sür deren Verbindungs¬
wege mit Indien und Australien, falls der Suezkanal gesperrt sein sollte. Weder
Ascension nach Se. Helena, noch ein Punkt auf den Falklandsinseln besitzen
Festungen, und das gleiche gilt von der Kapstadt, die, so wichtig auch
ihre Lage an der Scheide zweier Erdhälften ist, gleichfalls keine großen Docks
hat. Die Werke zum Schutze der Simonsbai sichern höchstens vor Überrum¬
pelung von der See her. Im Innern der Kolonie und um sie herum hat
England an dem holländischen Elemente der Bevölkerung Gegner, die ihm


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0506" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/288959"/>
          <fw type="header" place="top"> Das britische Weltreich und seine Aussichten.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1408" prev="#ID_1407"> Wichtigkeit dagegen ist die vor kurzem vollendete große kanadische Eisenbahn,<lb/>
welche in Quebek beginnt, über Ottawa nach Fort William am Obern See<lb/>
läuft, weiterhin die Felsengebirge übersteigt und bei Port Moody an der<lb/>
Mündung des Fraserflusses den Stillen Ozean erreicht, nachdem sie eine Strecke<lb/>
von 3660 Kilometern durchmessen hat. Dampferlinien verbinden Fort Moody<lb/>
mit den englischen Häfen in Ostasien, sowie mit Japan und China. Der Weg<lb/>
von Liverpool nach Port Hamilton und Honkong wird durch diese Anstalten<lb/>
um 1013 Kilometer abgekürzt, und die Beförderung von Truppen und Kriegs¬<lb/>
material aus der Heimat nach Victoria auf der Insel Vancouver kann mit<lb/>
Hilfe derselben binnen vierzehn Tagen bewerkstelligt werden. Dieser Schienen-<lb/>
strang ist somit eine Wehrhahn, ein Zentralbindeglied zwischen England, seinen<lb/>
amerikanischen, asiatischen und selbst seinen australischen Kolonien und, weil er<lb/>
die Konzentration befördert, ein militärischer Krafterzeuger, der nicht nur Ka¬<lb/>
nadas weite Gebiete zusammenfaßt, sondern auch das Mittel bietet, sie von<lb/>
einem Punkte aus zu beherrschen. Nur eins ist bis jetzt hierbei unterlassen<lb/>
worden: die Linie streicht ziemlich nahe an der Grenze der Vereinigten Staaten<lb/>
hin, und namentlich ihre westliche Endstation erscheint als von diesen stark<lb/>
bedroht, und dennoch ist keine Maßregel zum Schutze gegen diese Gefahr<lb/>
getroffen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1409" next="#ID_1410"> Nach dem britischen Westindien führen zwei Scestraßen: eine nördliche<lb/>
und eine südliche. Jene berührt das strategisch wichtige Bermuda mit der stark<lb/>
befestigten Hauptstadt Hamilton, welche große Kohlendepots und ein Dock hat,<lb/>
und endigt an der Zentralinsel Jamaica, wo die Befestigungen von Port Roycil<lb/>
ebenfalls bedeutende Kohlenvorräte und Schiffsetablisfemcnts einschließen. Die<lb/>
zweite verbindet England mit Antigua und Barbadoes, wo sich wieder Kohlcn-<lb/>
depots für die Kriegsflotte befinden. Geschwaderstation für Westindien ist der<lb/>
wohlbefestigte Hafen von Guadaloupe. Alle diese Inseln stehen durch eine dritte<lb/>
Route mit Gibraltar in Verbindung, von wo eine vierte sich abzweigt, die<lb/>
nach den Kapverdischen Inseln geht, um von hier Schiffe entweder über die<lb/>
Falklandsinseln nach dem Kap Horn oder über die Inseln Ascension und<lb/>
Se. Helena nach dem Kap der guten Hoffnung abdampfen zu lassen. Ascension<lb/>
und Se. Helena, welche Kohlenstationen erster Klasse haben, sind von größter<lb/>
Wichtigkeit für die britische Flotte, ihr Verlust wäre verhängnisvoll für deren<lb/>
Herrschaft über den Süden des Atlantischen Meeres und sür deren Verbindungs¬<lb/>
wege mit Indien und Australien, falls der Suezkanal gesperrt sein sollte. Weder<lb/>
Ascension nach Se. Helena, noch ein Punkt auf den Falklandsinseln besitzen<lb/>
Festungen, und das gleiche gilt von der Kapstadt, die, so wichtig auch<lb/>
ihre Lage an der Scheide zweier Erdhälften ist, gleichfalls keine großen Docks<lb/>
hat. Die Werke zum Schutze der Simonsbai sichern höchstens vor Überrum¬<lb/>
pelung von der See her. Im Innern der Kolonie und um sie herum hat<lb/>
England an dem holländischen Elemente der Bevölkerung Gegner, die ihm</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0506] Das britische Weltreich und seine Aussichten. Wichtigkeit dagegen ist die vor kurzem vollendete große kanadische Eisenbahn, welche in Quebek beginnt, über Ottawa nach Fort William am Obern See läuft, weiterhin die Felsengebirge übersteigt und bei Port Moody an der Mündung des Fraserflusses den Stillen Ozean erreicht, nachdem sie eine Strecke von 3660 Kilometern durchmessen hat. Dampferlinien verbinden Fort Moody mit den englischen Häfen in Ostasien, sowie mit Japan und China. Der Weg von Liverpool nach Port Hamilton und Honkong wird durch diese Anstalten um 1013 Kilometer abgekürzt, und die Beförderung von Truppen und Kriegs¬ material aus der Heimat nach Victoria auf der Insel Vancouver kann mit Hilfe derselben binnen vierzehn Tagen bewerkstelligt werden. Dieser Schienen- strang ist somit eine Wehrhahn, ein Zentralbindeglied zwischen England, seinen amerikanischen, asiatischen und selbst seinen australischen Kolonien und, weil er die Konzentration befördert, ein militärischer Krafterzeuger, der nicht nur Ka¬ nadas weite Gebiete zusammenfaßt, sondern auch das Mittel bietet, sie von einem Punkte aus zu beherrschen. Nur eins ist bis jetzt hierbei unterlassen worden: die Linie streicht ziemlich nahe an der Grenze der Vereinigten Staaten hin, und namentlich ihre westliche Endstation erscheint als von diesen stark bedroht, und dennoch ist keine Maßregel zum Schutze gegen diese Gefahr getroffen. Nach dem britischen Westindien führen zwei Scestraßen: eine nördliche und eine südliche. Jene berührt das strategisch wichtige Bermuda mit der stark befestigten Hauptstadt Hamilton, welche große Kohlendepots und ein Dock hat, und endigt an der Zentralinsel Jamaica, wo die Befestigungen von Port Roycil ebenfalls bedeutende Kohlenvorräte und Schiffsetablisfemcnts einschließen. Die zweite verbindet England mit Antigua und Barbadoes, wo sich wieder Kohlcn- depots für die Kriegsflotte befinden. Geschwaderstation für Westindien ist der wohlbefestigte Hafen von Guadaloupe. Alle diese Inseln stehen durch eine dritte Route mit Gibraltar in Verbindung, von wo eine vierte sich abzweigt, die nach den Kapverdischen Inseln geht, um von hier Schiffe entweder über die Falklandsinseln nach dem Kap Horn oder über die Inseln Ascension und Se. Helena nach dem Kap der guten Hoffnung abdampfen zu lassen. Ascension und Se. Helena, welche Kohlenstationen erster Klasse haben, sind von größter Wichtigkeit für die britische Flotte, ihr Verlust wäre verhängnisvoll für deren Herrschaft über den Süden des Atlantischen Meeres und sür deren Verbindungs¬ wege mit Indien und Australien, falls der Suezkanal gesperrt sein sollte. Weder Ascension nach Se. Helena, noch ein Punkt auf den Falklandsinseln besitzen Festungen, und das gleiche gilt von der Kapstadt, die, so wichtig auch ihre Lage an der Scheide zweier Erdhälften ist, gleichfalls keine großen Docks hat. Die Werke zum Schutze der Simonsbai sichern höchstens vor Überrum¬ pelung von der See her. Im Innern der Kolonie und um sie herum hat England an dem holländischen Elemente der Bevölkerung Gegner, die ihm

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/506
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/506>, abgerufen am 17.09.2024.