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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Russische Skizzen.

liegen unterhalb der kaiserlichen Jachten auch die schönen Naddampfer, welche
mit den Mitgliedern der obern Zehntausend, die da draußen ihre Sommerfrische
zu halten vermögen, auch gewöhnliche Sterbliche nach Peterhof tragen. Das
Schiff geht in den Strom; links läßt es die niedrigen, rotgetünchten Ziegel-
bauten der neuen Admiralität, rechts das Schiffsgewühl am Wassily Ostrow
und den gewaltigen Bau der "Baltischen Werft." an der eben neben einem zum
Ablauf fertigen 'schlanken Torpedvkreuzer der "Admiral Nachimow," eine riesige
Panzerfregatte, nach dem Sieger von Sinope benannt, in der Ausrüstung be¬
griffen ist. Aus der Ferne, schon an der See, schauen die beiden grünbedachten
Türmchen vom Galeerenhafen Peters des Großen herüber. Die Newa öffnet
sich, vor uns dehnt sich die gewöhnlich ruhige Wasserfläche der Kronstädter
Bucht. Dort geht ein Dampfer nach der Festung hinüber, hier kommt uns
ein andrer von Oranienbaum entgegen, dazwischen lange Züge von Leichter¬
schiffen, von einem kleinen Dampfer geschleppt, oder ein finnischer Segler
schwimmt wie mit ausgebreiteten Flügeln langsam durch das ruhige Wasser.
Während in der Ferne seitwärts schon die Forts und der Mastenwald von
Kronstäbe über der breiten Fläche auftauchen, nähern wir uns rasch der Süd-
küste: links bleiben Strjelua und die Kuppeln des Sergiusklosters; vor uns
verankert liegen weit draußen kaiserliche Jachten, die jedem Winke zur Ver¬
fügung stehen, und nun hebt sich aus dem dunkelgrünen Abhänge der hohen
Küste hellschimmernd Villa neben Villa, Schloß neben Schloß heraus, alle übcr-
hcrrschend die Ricsenfront des kaiserlichen Sommerpalastes, doch ganz verhüllt
in seinem Park das Palais Alexandria, die Sommerresidenz des gegenwärtigen
Kaisers. Völlig eingerahmt und durchzogen von ihren Parks und Gärten liegt
diese Villenstadt auf dem Küstenrande und oben auf der Hochfläche, neben ein¬
fachen, heillosen Bauten älterer Art auch ein oder der andre neue im reizenden
nationalen Hvlzstil, mit Erkern, Türmen, Veranden, Balkons lauschig hervor¬
blickend aus dichtem Laube und weit hinaus schauend über die blaue See bis
zur finnischen Küste. Der kaiserliche Park, in einen "untern" und "obern" zer¬
fallend, vor und hinter dem großen Schlosse, ist stets zugänglich. Was die
Kunst einer immerhin einförmigen, kargen Natur abringen kann, hat sie in
beiden hier gezeigt. Zwischen den weiten Wiesenflächen und dichtbelaubten
Vanmgruppen des "obern" Parks tauchen hie und da reizende Sommerhäuser
oder Lustschlößchen hervor, auf der Insel eines kleinen Sees oder an einer
stillen Bucht, bald Nachahmungen russischer Bauernhäuser, bald geschmackvolle
Nachbildungen italienischer Villen, wie Olgonoftj, Oserki und das lieblichste von
allen, Zarizyn, mit Säulengängen, Veranden. Balkonen. Grotten, umgeben von
bunten Vlumenparterres. geschmückt mit antiken Statuetten und Reliefs, so be¬
haglich eingerichtet, als ob sie jeden Augenblick bezogen werden könnten, erbaut
zumeist von Nikolaus I. für seine Töchter. Wiegt hier der Gedanke an ein
schönheitsvolles Landleben südlichen Stils vor, so drängt sich angesichts der


Russische Skizzen.

liegen unterhalb der kaiserlichen Jachten auch die schönen Naddampfer, welche
mit den Mitgliedern der obern Zehntausend, die da draußen ihre Sommerfrische
zu halten vermögen, auch gewöhnliche Sterbliche nach Peterhof tragen. Das
Schiff geht in den Strom; links läßt es die niedrigen, rotgetünchten Ziegel-
bauten der neuen Admiralität, rechts das Schiffsgewühl am Wassily Ostrow
und den gewaltigen Bau der „Baltischen Werft." an der eben neben einem zum
Ablauf fertigen 'schlanken Torpedvkreuzer der „Admiral Nachimow," eine riesige
Panzerfregatte, nach dem Sieger von Sinope benannt, in der Ausrüstung be¬
griffen ist. Aus der Ferne, schon an der See, schauen die beiden grünbedachten
Türmchen vom Galeerenhafen Peters des Großen herüber. Die Newa öffnet
sich, vor uns dehnt sich die gewöhnlich ruhige Wasserfläche der Kronstädter
Bucht. Dort geht ein Dampfer nach der Festung hinüber, hier kommt uns
ein andrer von Oranienbaum entgegen, dazwischen lange Züge von Leichter¬
schiffen, von einem kleinen Dampfer geschleppt, oder ein finnischer Segler
schwimmt wie mit ausgebreiteten Flügeln langsam durch das ruhige Wasser.
Während in der Ferne seitwärts schon die Forts und der Mastenwald von
Kronstäbe über der breiten Fläche auftauchen, nähern wir uns rasch der Süd-
küste: links bleiben Strjelua und die Kuppeln des Sergiusklosters; vor uns
verankert liegen weit draußen kaiserliche Jachten, die jedem Winke zur Ver¬
fügung stehen, und nun hebt sich aus dem dunkelgrünen Abhänge der hohen
Küste hellschimmernd Villa neben Villa, Schloß neben Schloß heraus, alle übcr-
hcrrschend die Ricsenfront des kaiserlichen Sommerpalastes, doch ganz verhüllt
in seinem Park das Palais Alexandria, die Sommerresidenz des gegenwärtigen
Kaisers. Völlig eingerahmt und durchzogen von ihren Parks und Gärten liegt
diese Villenstadt auf dem Küstenrande und oben auf der Hochfläche, neben ein¬
fachen, heillosen Bauten älterer Art auch ein oder der andre neue im reizenden
nationalen Hvlzstil, mit Erkern, Türmen, Veranden, Balkons lauschig hervor¬
blickend aus dichtem Laube und weit hinaus schauend über die blaue See bis
zur finnischen Küste. Der kaiserliche Park, in einen „untern" und „obern" zer¬
fallend, vor und hinter dem großen Schlosse, ist stets zugänglich. Was die
Kunst einer immerhin einförmigen, kargen Natur abringen kann, hat sie in
beiden hier gezeigt. Zwischen den weiten Wiesenflächen und dichtbelaubten
Vanmgruppen des „obern" Parks tauchen hie und da reizende Sommerhäuser
oder Lustschlößchen hervor, auf der Insel eines kleinen Sees oder an einer
stillen Bucht, bald Nachahmungen russischer Bauernhäuser, bald geschmackvolle
Nachbildungen italienischer Villen, wie Olgonoftj, Oserki und das lieblichste von
allen, Zarizyn, mit Säulengängen, Veranden. Balkonen. Grotten, umgeben von
bunten Vlumenparterres. geschmückt mit antiken Statuetten und Reliefs, so be¬
haglich eingerichtet, als ob sie jeden Augenblick bezogen werden könnten, erbaut
zumeist von Nikolaus I. für seine Töchter. Wiegt hier der Gedanke an ein
schönheitsvolles Landleben südlichen Stils vor, so drängt sich angesichts der


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[0503] Russische Skizzen. liegen unterhalb der kaiserlichen Jachten auch die schönen Naddampfer, welche mit den Mitgliedern der obern Zehntausend, die da draußen ihre Sommerfrische zu halten vermögen, auch gewöhnliche Sterbliche nach Peterhof tragen. Das Schiff geht in den Strom; links läßt es die niedrigen, rotgetünchten Ziegel- bauten der neuen Admiralität, rechts das Schiffsgewühl am Wassily Ostrow und den gewaltigen Bau der „Baltischen Werft." an der eben neben einem zum Ablauf fertigen 'schlanken Torpedvkreuzer der „Admiral Nachimow," eine riesige Panzerfregatte, nach dem Sieger von Sinope benannt, in der Ausrüstung be¬ griffen ist. Aus der Ferne, schon an der See, schauen die beiden grünbedachten Türmchen vom Galeerenhafen Peters des Großen herüber. Die Newa öffnet sich, vor uns dehnt sich die gewöhnlich ruhige Wasserfläche der Kronstädter Bucht. Dort geht ein Dampfer nach der Festung hinüber, hier kommt uns ein andrer von Oranienbaum entgegen, dazwischen lange Züge von Leichter¬ schiffen, von einem kleinen Dampfer geschleppt, oder ein finnischer Segler schwimmt wie mit ausgebreiteten Flügeln langsam durch das ruhige Wasser. Während in der Ferne seitwärts schon die Forts und der Mastenwald von Kronstäbe über der breiten Fläche auftauchen, nähern wir uns rasch der Süd- küste: links bleiben Strjelua und die Kuppeln des Sergiusklosters; vor uns verankert liegen weit draußen kaiserliche Jachten, die jedem Winke zur Ver¬ fügung stehen, und nun hebt sich aus dem dunkelgrünen Abhänge der hohen Küste hellschimmernd Villa neben Villa, Schloß neben Schloß heraus, alle übcr- hcrrschend die Ricsenfront des kaiserlichen Sommerpalastes, doch ganz verhüllt in seinem Park das Palais Alexandria, die Sommerresidenz des gegenwärtigen Kaisers. Völlig eingerahmt und durchzogen von ihren Parks und Gärten liegt diese Villenstadt auf dem Küstenrande und oben auf der Hochfläche, neben ein¬ fachen, heillosen Bauten älterer Art auch ein oder der andre neue im reizenden nationalen Hvlzstil, mit Erkern, Türmen, Veranden, Balkons lauschig hervor¬ blickend aus dichtem Laube und weit hinaus schauend über die blaue See bis zur finnischen Küste. Der kaiserliche Park, in einen „untern" und „obern" zer¬ fallend, vor und hinter dem großen Schlosse, ist stets zugänglich. Was die Kunst einer immerhin einförmigen, kargen Natur abringen kann, hat sie in beiden hier gezeigt. Zwischen den weiten Wiesenflächen und dichtbelaubten Vanmgruppen des „obern" Parks tauchen hie und da reizende Sommerhäuser oder Lustschlößchen hervor, auf der Insel eines kleinen Sees oder an einer stillen Bucht, bald Nachahmungen russischer Bauernhäuser, bald geschmackvolle Nachbildungen italienischer Villen, wie Olgonoftj, Oserki und das lieblichste von allen, Zarizyn, mit Säulengängen, Veranden. Balkonen. Grotten, umgeben von bunten Vlumenparterres. geschmückt mit antiken Statuetten und Reliefs, so be¬ haglich eingerichtet, als ob sie jeden Augenblick bezogen werden könnten, erbaut zumeist von Nikolaus I. für seine Töchter. Wiegt hier der Gedanke an ein schönheitsvolles Landleben südlichen Stils vor, so drängt sich angesichts der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/503>, abgerufen am 17.09.2024.