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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Der Grünewald.

sondern auch vom Süden her dicht an ihn herangerückt ist; und nicht minder
wird von Wannsee und Potsdam aus alsdann das westliche Ufer der Havel¬
seen, wenn auch wohl nicht vollständig, so doch insoweit erobert sein, daß von
Pichelswerder über Gatow und Cladow hinaus bis gegen Athen ein ununter¬
brochener Kranz von Villen sich hinzieht. Dann wird es, wir glauben dies
kühnlich sagen zu dürfen, etwas derart Reizendes wie den Grünewald und die
Havelseen von Spandau bis Potsdam auf Erden kaum mehr geben. Denn
das Einzige, was dieser in der launischsten Weise mit einem Wechsel von See
und Wald bedeckten Gegend (man betrachte nur einmal eine genauere Karte und
mache den Versuch, sich alle diese Seen einzuprägen!) zur Zeit noch fehlt, sind
Höhen, die über ein bescheidenes Maß hinausgehen. An hübscher Form, an reizender
Gruppirung fehlt es den vorhandenen Höhen nicht, wohl aber an Stattlichkeit.
Werden sie jedoch mit Villen, Gärten und Parks bedeckt sein, wird die Kunst
überall aufgeboten sein, um die schönen Punkte herauszuheben und die Wirkung
der weniger bedeutenden zu verstärken, wird sich mit dem ernsten Nadelholz das
vielfarbige Laubholz der Gärten mischen, dann wird hier alles vorhanden sein,
um Landschaftsbilder, denen sich kaum etwas an die Seite stellen läßt, in gro߬
artigster Aneinanderreihung zu bilden. Dann wird die lange verachtete Um¬
gegend von Berlin landschaftlich einen Ehrenplatz einnehmen, nicht nur in
Deutschland, sondern auf der ganzen bewohnten Erde.

Wir fürchten nicht, daß der jetzige Eigentümer des Grünewalds gegen die
Ausbildung desselben zu einem unvergleichlich großartigen Stadtparke Berlins
sein Veto sprechen werde. Viel eher fürchten wir, daß man bereit sein werde,
einen zu großen Teil des Waldes selbst zu Bauplätzen zu verkaufen und
dadurch die Großartigkeit und Jungfräulichkeit, die wirkliche Waldesnatur
des herrlichen Gebietes zu sehr zu beeinträchtigen. Jetzt schon steigen am
Schlachtensee die Villen eine nach der andern aus der Erde; wird dies so
fortgesetzt, so kann eine schädigende Wirkung nicht ausbleiben. Unsre Hoffnung
kann sich nur dann in vollem Maße verwirklichen, wenn hier ein ununter¬
brochener Wald von großer Ausdehnung übrig bleibt. Die Reize dieses Waldes
dürfen nicht parzellirt und damit zum Teil zerstört werden, sondern sie müssen
der Gesamtheit zu Gute kommen.

Der Tiergarten wird dann nicht mehr bei, sondern in Berlin liegen, denn
bis dahin wird auch der Ring von Moabit bis Charlottenburg geschlossen seul.
Vom Humboldtshain gilt dies jetzt schon; vom Friedrichshain wird es auch
bald gelten. Berlin wird dann seine schönen und ausgedehnten innern Parks
und an seinem Rande den mächtigen, in Schönheit strahlenden Grünewald haben!




Grenzboten II. 1887.W
Der Grünewald.

sondern auch vom Süden her dicht an ihn herangerückt ist; und nicht minder
wird von Wannsee und Potsdam aus alsdann das westliche Ufer der Havel¬
seen, wenn auch wohl nicht vollständig, so doch insoweit erobert sein, daß von
Pichelswerder über Gatow und Cladow hinaus bis gegen Athen ein ununter¬
brochener Kranz von Villen sich hinzieht. Dann wird es, wir glauben dies
kühnlich sagen zu dürfen, etwas derart Reizendes wie den Grünewald und die
Havelseen von Spandau bis Potsdam auf Erden kaum mehr geben. Denn
das Einzige, was dieser in der launischsten Weise mit einem Wechsel von See
und Wald bedeckten Gegend (man betrachte nur einmal eine genauere Karte und
mache den Versuch, sich alle diese Seen einzuprägen!) zur Zeit noch fehlt, sind
Höhen, die über ein bescheidenes Maß hinausgehen. An hübscher Form, an reizender
Gruppirung fehlt es den vorhandenen Höhen nicht, wohl aber an Stattlichkeit.
Werden sie jedoch mit Villen, Gärten und Parks bedeckt sein, wird die Kunst
überall aufgeboten sein, um die schönen Punkte herauszuheben und die Wirkung
der weniger bedeutenden zu verstärken, wird sich mit dem ernsten Nadelholz das
vielfarbige Laubholz der Gärten mischen, dann wird hier alles vorhanden sein,
um Landschaftsbilder, denen sich kaum etwas an die Seite stellen läßt, in gro߬
artigster Aneinanderreihung zu bilden. Dann wird die lange verachtete Um¬
gegend von Berlin landschaftlich einen Ehrenplatz einnehmen, nicht nur in
Deutschland, sondern auf der ganzen bewohnten Erde.

Wir fürchten nicht, daß der jetzige Eigentümer des Grünewalds gegen die
Ausbildung desselben zu einem unvergleichlich großartigen Stadtparke Berlins
sein Veto sprechen werde. Viel eher fürchten wir, daß man bereit sein werde,
einen zu großen Teil des Waldes selbst zu Bauplätzen zu verkaufen und
dadurch die Großartigkeit und Jungfräulichkeit, die wirkliche Waldesnatur
des herrlichen Gebietes zu sehr zu beeinträchtigen. Jetzt schon steigen am
Schlachtensee die Villen eine nach der andern aus der Erde; wird dies so
fortgesetzt, so kann eine schädigende Wirkung nicht ausbleiben. Unsre Hoffnung
kann sich nur dann in vollem Maße verwirklichen, wenn hier ein ununter¬
brochener Wald von großer Ausdehnung übrig bleibt. Die Reize dieses Waldes
dürfen nicht parzellirt und damit zum Teil zerstört werden, sondern sie müssen
der Gesamtheit zu Gute kommen.

Der Tiergarten wird dann nicht mehr bei, sondern in Berlin liegen, denn
bis dahin wird auch der Ring von Moabit bis Charlottenburg geschlossen seul.
Vom Humboldtshain gilt dies jetzt schon; vom Friedrichshain wird es auch
bald gelten. Berlin wird dann seine schönen und ausgedehnten innern Parks
und an seinem Rande den mächtigen, in Schönheit strahlenden Grünewald haben!




Grenzboten II. 1887.W
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[0497] Der Grünewald. sondern auch vom Süden her dicht an ihn herangerückt ist; und nicht minder wird von Wannsee und Potsdam aus alsdann das westliche Ufer der Havel¬ seen, wenn auch wohl nicht vollständig, so doch insoweit erobert sein, daß von Pichelswerder über Gatow und Cladow hinaus bis gegen Athen ein ununter¬ brochener Kranz von Villen sich hinzieht. Dann wird es, wir glauben dies kühnlich sagen zu dürfen, etwas derart Reizendes wie den Grünewald und die Havelseen von Spandau bis Potsdam auf Erden kaum mehr geben. Denn das Einzige, was dieser in der launischsten Weise mit einem Wechsel von See und Wald bedeckten Gegend (man betrachte nur einmal eine genauere Karte und mache den Versuch, sich alle diese Seen einzuprägen!) zur Zeit noch fehlt, sind Höhen, die über ein bescheidenes Maß hinausgehen. An hübscher Form, an reizender Gruppirung fehlt es den vorhandenen Höhen nicht, wohl aber an Stattlichkeit. Werden sie jedoch mit Villen, Gärten und Parks bedeckt sein, wird die Kunst überall aufgeboten sein, um die schönen Punkte herauszuheben und die Wirkung der weniger bedeutenden zu verstärken, wird sich mit dem ernsten Nadelholz das vielfarbige Laubholz der Gärten mischen, dann wird hier alles vorhanden sein, um Landschaftsbilder, denen sich kaum etwas an die Seite stellen läßt, in gro߬ artigster Aneinanderreihung zu bilden. Dann wird die lange verachtete Um¬ gegend von Berlin landschaftlich einen Ehrenplatz einnehmen, nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen bewohnten Erde. Wir fürchten nicht, daß der jetzige Eigentümer des Grünewalds gegen die Ausbildung desselben zu einem unvergleichlich großartigen Stadtparke Berlins sein Veto sprechen werde. Viel eher fürchten wir, daß man bereit sein werde, einen zu großen Teil des Waldes selbst zu Bauplätzen zu verkaufen und dadurch die Großartigkeit und Jungfräulichkeit, die wirkliche Waldesnatur des herrlichen Gebietes zu sehr zu beeinträchtigen. Jetzt schon steigen am Schlachtensee die Villen eine nach der andern aus der Erde; wird dies so fortgesetzt, so kann eine schädigende Wirkung nicht ausbleiben. Unsre Hoffnung kann sich nur dann in vollem Maße verwirklichen, wenn hier ein ununter¬ brochener Wald von großer Ausdehnung übrig bleibt. Die Reize dieses Waldes dürfen nicht parzellirt und damit zum Teil zerstört werden, sondern sie müssen der Gesamtheit zu Gute kommen. Der Tiergarten wird dann nicht mehr bei, sondern in Berlin liegen, denn bis dahin wird auch der Ring von Moabit bis Charlottenburg geschlossen seul. Vom Humboldtshain gilt dies jetzt schon; vom Friedrichshain wird es auch bald gelten. Berlin wird dann seine schönen und ausgedehnten innern Parks und an seinem Rande den mächtigen, in Schönheit strahlenden Grünewald haben! Grenzboten II. 1887.W

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/497>, abgerufen am 17.09.2024.