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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Der Grünewald.

sich drängenden Menschenmassen, die "nicht mitgekommen sind," beweisen? und
in den Grünewald geht eben kein kleiner, sondern ein sehr großer Bruchteil.
Der Berliner hat, wie man weiß, bei all seiner "Schnoddrigkeit" eine wahrhaft
kindliche, hie und da entschieden rührende Liebe zur Natur und besonders zum
Walde, und weiß es, wo er nur diesen hat. mit den denkbar bescheidensten
Mitteln möglich zu machen, sich und die Seinigen zu "amüsiren." Und so
bietet denn selbst der weite Grünewald an Sonntagen nur eben genug Raum
für die hierher sich ergießenden Menschenmengen. Viele zwar bleiben schon bei
dem riesigen Nichterschen Etablissement am Halensee oder in den neu ent¬
standene" Schmargendorfer Waldwirtschaften oder doch an dem alten Hnnde-
kehlen-Restaurant (entschieden, trotz des wenig sympathischen Namens, einem der
schönsten Punkte) hängen; viele fahren gleich durch nach dem Schlachtensee oder
dem Wannsee und streifen von da die benachbarten Teile des Waldes ab; viele
gelangen, geradeswegs oder von Hundekehle her. nach Paulsborn; aber immer
bleiben noch unzählige für die verborgenerm Teile des Waldes, für die Ufer
des Niemeister Sees und der Krummen Lanke, für Teufelssee und Saubucht
und endlich für Schildhorn und überhaupt die Ufer der Havelseen übrig. Jedes
Jahr wächst die Zahl der Wirtshäuser am und im Grünewald, und es wird
noch lange dauern, ehe man nicht mehr an manchen Tagen sagen kann: Es
sind immer noch zu wenig. Übrigens soll durchaus nicht bestritten werden,
daß auch sür den werktäglichen Spaziergänger die Menge trefflicher, großen¬
teils wirklich an den schönsten und zweckmäßigsten Punkten gelegener Wirts¬
häuser eine große Annehmlichkeit bildet. Es bleiben immer noch unberührte
Waldestiefen und Gelegenheiten zu stundenlangen, stillen Waldwanderungen in
hinlänglicher Menge übrig.,

Wie sich bei der großen Nähe und der so überaus, man möchte sagen,
geschickten Lage des Grünewalds von selbst versteht, ist er in der mannich-
faltigsten Weise zugänglich. Zwei Eisenbahnlinien führen mitten hindurch, zwei
andre, Ringbahn und Potsdamer Bahn, nahe vorüber; die Kurfürsteudamm-
Straßenbahn bringt dicht an den Rand, die geplante Pferdebahn nach Schmargen-
dorf wird dasselbe thun, und die von Westend nach dem Spandauer Bock
führende elektrische Bahn berührt den Rand auch noch. Von Steglitz gelangt
man in einer kleinen halben Stunde, von Wilmersdorf ebenso, von Charlotten¬
burg in einer guten halben Stunde zu Fuß in den Waldesschatten. Leider
sind die zuletzt angedeuteten Wege im allgemeinen nicht zu empfehlen, da sie
ziemlich schattenlos sind und teilweise durch tiefen Sand führen, aber die Fahr¬
gelegenheit ist ja so reichlich und bequem, daß dies kaum als ein Nachteil be¬
trachtet werden kann. Man darf wohl annehmen, daß vom westlichen Stadtrande
(Potsdamer Bahnhof. Brandenburger Thor) oder vom großen Stadtbahnhofe
in der Friedrichstraße aus in einer Stunde der Grünewald erreicht werden
kann. Am stärksten benutzt sind wohl die Ringbahn mit ihrer, unweit des


Der Grünewald.

sich drängenden Menschenmassen, die „nicht mitgekommen sind," beweisen? und
in den Grünewald geht eben kein kleiner, sondern ein sehr großer Bruchteil.
Der Berliner hat, wie man weiß, bei all seiner „Schnoddrigkeit" eine wahrhaft
kindliche, hie und da entschieden rührende Liebe zur Natur und besonders zum
Walde, und weiß es, wo er nur diesen hat. mit den denkbar bescheidensten
Mitteln möglich zu machen, sich und die Seinigen zu „amüsiren." Und so
bietet denn selbst der weite Grünewald an Sonntagen nur eben genug Raum
für die hierher sich ergießenden Menschenmengen. Viele zwar bleiben schon bei
dem riesigen Nichterschen Etablissement am Halensee oder in den neu ent¬
standene» Schmargendorfer Waldwirtschaften oder doch an dem alten Hnnde-
kehlen-Restaurant (entschieden, trotz des wenig sympathischen Namens, einem der
schönsten Punkte) hängen; viele fahren gleich durch nach dem Schlachtensee oder
dem Wannsee und streifen von da die benachbarten Teile des Waldes ab; viele
gelangen, geradeswegs oder von Hundekehle her. nach Paulsborn; aber immer
bleiben noch unzählige für die verborgenerm Teile des Waldes, für die Ufer
des Niemeister Sees und der Krummen Lanke, für Teufelssee und Saubucht
und endlich für Schildhorn und überhaupt die Ufer der Havelseen übrig. Jedes
Jahr wächst die Zahl der Wirtshäuser am und im Grünewald, und es wird
noch lange dauern, ehe man nicht mehr an manchen Tagen sagen kann: Es
sind immer noch zu wenig. Übrigens soll durchaus nicht bestritten werden,
daß auch sür den werktäglichen Spaziergänger die Menge trefflicher, großen¬
teils wirklich an den schönsten und zweckmäßigsten Punkten gelegener Wirts¬
häuser eine große Annehmlichkeit bildet. Es bleiben immer noch unberührte
Waldestiefen und Gelegenheiten zu stundenlangen, stillen Waldwanderungen in
hinlänglicher Menge übrig.,

Wie sich bei der großen Nähe und der so überaus, man möchte sagen,
geschickten Lage des Grünewalds von selbst versteht, ist er in der mannich-
faltigsten Weise zugänglich. Zwei Eisenbahnlinien führen mitten hindurch, zwei
andre, Ringbahn und Potsdamer Bahn, nahe vorüber; die Kurfürsteudamm-
Straßenbahn bringt dicht an den Rand, die geplante Pferdebahn nach Schmargen-
dorf wird dasselbe thun, und die von Westend nach dem Spandauer Bock
führende elektrische Bahn berührt den Rand auch noch. Von Steglitz gelangt
man in einer kleinen halben Stunde, von Wilmersdorf ebenso, von Charlotten¬
burg in einer guten halben Stunde zu Fuß in den Waldesschatten. Leider
sind die zuletzt angedeuteten Wege im allgemeinen nicht zu empfehlen, da sie
ziemlich schattenlos sind und teilweise durch tiefen Sand führen, aber die Fahr¬
gelegenheit ist ja so reichlich und bequem, daß dies kaum als ein Nachteil be¬
trachtet werden kann. Man darf wohl annehmen, daß vom westlichen Stadtrande
(Potsdamer Bahnhof. Brandenburger Thor) oder vom großen Stadtbahnhofe
in der Friedrichstraße aus in einer Stunde der Grünewald erreicht werden
kann. Am stärksten benutzt sind wohl die Ringbahn mit ihrer, unweit des


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[0495] Der Grünewald. sich drängenden Menschenmassen, die „nicht mitgekommen sind," beweisen? und in den Grünewald geht eben kein kleiner, sondern ein sehr großer Bruchteil. Der Berliner hat, wie man weiß, bei all seiner „Schnoddrigkeit" eine wahrhaft kindliche, hie und da entschieden rührende Liebe zur Natur und besonders zum Walde, und weiß es, wo er nur diesen hat. mit den denkbar bescheidensten Mitteln möglich zu machen, sich und die Seinigen zu „amüsiren." Und so bietet denn selbst der weite Grünewald an Sonntagen nur eben genug Raum für die hierher sich ergießenden Menschenmengen. Viele zwar bleiben schon bei dem riesigen Nichterschen Etablissement am Halensee oder in den neu ent¬ standene» Schmargendorfer Waldwirtschaften oder doch an dem alten Hnnde- kehlen-Restaurant (entschieden, trotz des wenig sympathischen Namens, einem der schönsten Punkte) hängen; viele fahren gleich durch nach dem Schlachtensee oder dem Wannsee und streifen von da die benachbarten Teile des Waldes ab; viele gelangen, geradeswegs oder von Hundekehle her. nach Paulsborn; aber immer bleiben noch unzählige für die verborgenerm Teile des Waldes, für die Ufer des Niemeister Sees und der Krummen Lanke, für Teufelssee und Saubucht und endlich für Schildhorn und überhaupt die Ufer der Havelseen übrig. Jedes Jahr wächst die Zahl der Wirtshäuser am und im Grünewald, und es wird noch lange dauern, ehe man nicht mehr an manchen Tagen sagen kann: Es sind immer noch zu wenig. Übrigens soll durchaus nicht bestritten werden, daß auch sür den werktäglichen Spaziergänger die Menge trefflicher, großen¬ teils wirklich an den schönsten und zweckmäßigsten Punkten gelegener Wirts¬ häuser eine große Annehmlichkeit bildet. Es bleiben immer noch unberührte Waldestiefen und Gelegenheiten zu stundenlangen, stillen Waldwanderungen in hinlänglicher Menge übrig., Wie sich bei der großen Nähe und der so überaus, man möchte sagen, geschickten Lage des Grünewalds von selbst versteht, ist er in der mannich- faltigsten Weise zugänglich. Zwei Eisenbahnlinien führen mitten hindurch, zwei andre, Ringbahn und Potsdamer Bahn, nahe vorüber; die Kurfürsteudamm- Straßenbahn bringt dicht an den Rand, die geplante Pferdebahn nach Schmargen- dorf wird dasselbe thun, und die von Westend nach dem Spandauer Bock führende elektrische Bahn berührt den Rand auch noch. Von Steglitz gelangt man in einer kleinen halben Stunde, von Wilmersdorf ebenso, von Charlotten¬ burg in einer guten halben Stunde zu Fuß in den Waldesschatten. Leider sind die zuletzt angedeuteten Wege im allgemeinen nicht zu empfehlen, da sie ziemlich schattenlos sind und teilweise durch tiefen Sand führen, aber die Fahr¬ gelegenheit ist ja so reichlich und bequem, daß dies kaum als ein Nachteil be¬ trachtet werden kann. Man darf wohl annehmen, daß vom westlichen Stadtrande (Potsdamer Bahnhof. Brandenburger Thor) oder vom großen Stadtbahnhofe in der Friedrichstraße aus in einer Stunde der Grünewald erreicht werden kann. Am stärksten benutzt sind wohl die Ringbahn mit ihrer, unweit des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/495>, abgerufen am 17.09.2024.