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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Der Grünewald.

heit ins Gewicht. Zunächst haben wir es hier mit einem wirklichen Walde zu
thun, einem Walde mit Waldwegen und Waldpfaden, erfüllt vom herrlichsten
Waldduft -- weicher, mit Fichtennadeln übersciter Boden überall; ja einem
Walde in dem Sinne, daß Hoch- und Schwarzwild hier gehegt wird und ein
königliches Jagdfchlosz den eigentlichen Mittelpunkt bildet. Das ist sogar das
Mißliche an der Sache. Denn der Grünewald ist rechtlich gar kein Park und
noch weniger ein städtischer, sondern er ist einfach ein königliches Jagdgehegc.
worin das Publikum nur geduldet wird. Man wird indessen sagen dürfen,
daß die Natur der Dinge es mit sich bringen muß. diesen so nahe bei der
Reichshauptstadt gelegenen und landschaftlich so unvergleichlich schönen Natur-
Park mehr und mehr dem Publikum zu überliefern und das heute Bestehende
zu einem Rechtsverhältnis zu machen. Umso größern Wert wird dies aber
unter allen Umständen haben, jemehr dies ganze herrliche Gebiet ein Wald ist
und bleibt.

Der Grünewald ist lebhaft gehügelt und wird nicht nur an seiner ganzen
westlichen Langseite von den Havelseen bespült, sondern birgt auch in seinem
Schoße nicht weniger als sechs größere und mehrere kleinere Seen, die zum
Teil am Waldrande und an vielbetretener Wegen oder gar an der Eisenbahn
liegen und durch Wege oder doch durch angenehme Waldpfade mit einander
verbunden sind, zum Teil aber auch in träumerischer Einsamkeit daliegen und
förmlich aufgesucht werden müssen. Der Reiz dieser stillen, waldumkränzten
Seen ist außerordentlich groß. Ein Mann, der Italien und Spanien durch¬
wandert hatte, hat uns versichert, daß der Eindruck, den z. B. die Partie vom
Schlößchen Grünewald nach Paulsborn bei Morgeuwauderungen immer von
neuem auf ihn mache, sich mit nichts anderm vergleichen lasse; und wir selbst
möchten, wenn wir dies auch vielleicht für etwas überschwänglich halten, doch
soviel bestätigen, daß vom Standpunkte eines angenehmen und dabei stimmungs¬
vollen Spazierganges eine Grünewald-Wanderung deu Vergleich mit dem Besten
aushält, was Deutschland auszuweisen hat. Dieser Wechsel breiter Straßen
und verschwiegener, sich hinschlüngelnder, halb überwachsener Pfade, dieses sanfte,
nirgendwo beschwerliche und doch fortwährend neue Blicke und neue Licht¬
wirkungen darbietende Auf und Ab. dieser Reichtum an kleinen Landschaftsbildern,
die sich hie und da aber auch zu Blicken von entzückender Schönheit und Gro߬
artigkeit steigern, diese dämmernden Fernsichten von den Hügeln des West¬
randes über die Havelscen bis zu dem im Hintergrunde schimmernden Potsdam,
mit seinen Schlössern, Wäldern, und Seen -- das alles muß einen Gesamt¬
eindruck hervorbringen, der sich ohne weiteres als ein solcher ersten Ranges
bezeichnen läßt.

Freilich muß man (sofern man in der Lage ist. dies vermeiden zu können)
nicht Sonntags oder gar Sonntags nachmittags den Weg zum Grünewald
einschlagen. Schon unterwegs wird es denen, die einen fröhlichen Spaziergang


Der Grünewald.

heit ins Gewicht. Zunächst haben wir es hier mit einem wirklichen Walde zu
thun, einem Walde mit Waldwegen und Waldpfaden, erfüllt vom herrlichsten
Waldduft — weicher, mit Fichtennadeln übersciter Boden überall; ja einem
Walde in dem Sinne, daß Hoch- und Schwarzwild hier gehegt wird und ein
königliches Jagdfchlosz den eigentlichen Mittelpunkt bildet. Das ist sogar das
Mißliche an der Sache. Denn der Grünewald ist rechtlich gar kein Park und
noch weniger ein städtischer, sondern er ist einfach ein königliches Jagdgehegc.
worin das Publikum nur geduldet wird. Man wird indessen sagen dürfen,
daß die Natur der Dinge es mit sich bringen muß. diesen so nahe bei der
Reichshauptstadt gelegenen und landschaftlich so unvergleichlich schönen Natur-
Park mehr und mehr dem Publikum zu überliefern und das heute Bestehende
zu einem Rechtsverhältnis zu machen. Umso größern Wert wird dies aber
unter allen Umständen haben, jemehr dies ganze herrliche Gebiet ein Wald ist
und bleibt.

Der Grünewald ist lebhaft gehügelt und wird nicht nur an seiner ganzen
westlichen Langseite von den Havelseen bespült, sondern birgt auch in seinem
Schoße nicht weniger als sechs größere und mehrere kleinere Seen, die zum
Teil am Waldrande und an vielbetretener Wegen oder gar an der Eisenbahn
liegen und durch Wege oder doch durch angenehme Waldpfade mit einander
verbunden sind, zum Teil aber auch in träumerischer Einsamkeit daliegen und
förmlich aufgesucht werden müssen. Der Reiz dieser stillen, waldumkränzten
Seen ist außerordentlich groß. Ein Mann, der Italien und Spanien durch¬
wandert hatte, hat uns versichert, daß der Eindruck, den z. B. die Partie vom
Schlößchen Grünewald nach Paulsborn bei Morgeuwauderungen immer von
neuem auf ihn mache, sich mit nichts anderm vergleichen lasse; und wir selbst
möchten, wenn wir dies auch vielleicht für etwas überschwänglich halten, doch
soviel bestätigen, daß vom Standpunkte eines angenehmen und dabei stimmungs¬
vollen Spazierganges eine Grünewald-Wanderung deu Vergleich mit dem Besten
aushält, was Deutschland auszuweisen hat. Dieser Wechsel breiter Straßen
und verschwiegener, sich hinschlüngelnder, halb überwachsener Pfade, dieses sanfte,
nirgendwo beschwerliche und doch fortwährend neue Blicke und neue Licht¬
wirkungen darbietende Auf und Ab. dieser Reichtum an kleinen Landschaftsbildern,
die sich hie und da aber auch zu Blicken von entzückender Schönheit und Gro߬
artigkeit steigern, diese dämmernden Fernsichten von den Hügeln des West¬
randes über die Havelscen bis zu dem im Hintergrunde schimmernden Potsdam,
mit seinen Schlössern, Wäldern, und Seen — das alles muß einen Gesamt¬
eindruck hervorbringen, der sich ohne weiteres als ein solcher ersten Ranges
bezeichnen läßt.

Freilich muß man (sofern man in der Lage ist. dies vermeiden zu können)
nicht Sonntags oder gar Sonntags nachmittags den Weg zum Grünewald
einschlagen. Schon unterwegs wird es denen, die einen fröhlichen Spaziergang


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[0493] Der Grünewald. heit ins Gewicht. Zunächst haben wir es hier mit einem wirklichen Walde zu thun, einem Walde mit Waldwegen und Waldpfaden, erfüllt vom herrlichsten Waldduft — weicher, mit Fichtennadeln übersciter Boden überall; ja einem Walde in dem Sinne, daß Hoch- und Schwarzwild hier gehegt wird und ein königliches Jagdfchlosz den eigentlichen Mittelpunkt bildet. Das ist sogar das Mißliche an der Sache. Denn der Grünewald ist rechtlich gar kein Park und noch weniger ein städtischer, sondern er ist einfach ein königliches Jagdgehegc. worin das Publikum nur geduldet wird. Man wird indessen sagen dürfen, daß die Natur der Dinge es mit sich bringen muß. diesen so nahe bei der Reichshauptstadt gelegenen und landschaftlich so unvergleichlich schönen Natur- Park mehr und mehr dem Publikum zu überliefern und das heute Bestehende zu einem Rechtsverhältnis zu machen. Umso größern Wert wird dies aber unter allen Umständen haben, jemehr dies ganze herrliche Gebiet ein Wald ist und bleibt. Der Grünewald ist lebhaft gehügelt und wird nicht nur an seiner ganzen westlichen Langseite von den Havelseen bespült, sondern birgt auch in seinem Schoße nicht weniger als sechs größere und mehrere kleinere Seen, die zum Teil am Waldrande und an vielbetretener Wegen oder gar an der Eisenbahn liegen und durch Wege oder doch durch angenehme Waldpfade mit einander verbunden sind, zum Teil aber auch in träumerischer Einsamkeit daliegen und förmlich aufgesucht werden müssen. Der Reiz dieser stillen, waldumkränzten Seen ist außerordentlich groß. Ein Mann, der Italien und Spanien durch¬ wandert hatte, hat uns versichert, daß der Eindruck, den z. B. die Partie vom Schlößchen Grünewald nach Paulsborn bei Morgeuwauderungen immer von neuem auf ihn mache, sich mit nichts anderm vergleichen lasse; und wir selbst möchten, wenn wir dies auch vielleicht für etwas überschwänglich halten, doch soviel bestätigen, daß vom Standpunkte eines angenehmen und dabei stimmungs¬ vollen Spazierganges eine Grünewald-Wanderung deu Vergleich mit dem Besten aushält, was Deutschland auszuweisen hat. Dieser Wechsel breiter Straßen und verschwiegener, sich hinschlüngelnder, halb überwachsener Pfade, dieses sanfte, nirgendwo beschwerliche und doch fortwährend neue Blicke und neue Licht¬ wirkungen darbietende Auf und Ab. dieser Reichtum an kleinen Landschaftsbildern, die sich hie und da aber auch zu Blicken von entzückender Schönheit und Gro߬ artigkeit steigern, diese dämmernden Fernsichten von den Hügeln des West¬ randes über die Havelscen bis zu dem im Hintergrunde schimmernden Potsdam, mit seinen Schlössern, Wäldern, und Seen — das alles muß einen Gesamt¬ eindruck hervorbringen, der sich ohne weiteres als ein solcher ersten Ranges bezeichnen läßt. Freilich muß man (sofern man in der Lage ist. dies vermeiden zu können) nicht Sonntags oder gar Sonntags nachmittags den Weg zum Grünewald einschlagen. Schon unterwegs wird es denen, die einen fröhlichen Spaziergang

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/493>, abgerufen am 17.09.2024.