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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Die Lvcröte 6s I^owL.

hinter Paris so weit zurückgebliebenen Geselligkeit noch nicht aus. daß man
anhörte, was er zu sagen hatte. Vor allem aber war ein gewisser nordischer
Übermut verhaßt: als Harry von Armin in den innern Hof des Vatikans zur
Audienz fahren wollte, und die Schweizer ihre Hellebarden vor seiner Equipage^
kreuzten, weil er in einem Einspänner saß, und nur Zweispänner, der herrschenden
Etikette gemäß eingelassen wurden, befahl er seinem Kutscher, das Pferd nötigen¬
falls zu opfern und gewaltsam einzufahren. Er setzte seinen Willen durch,
aber gewonnen hat er bei den Römern damit nichts. ^

Kein größerer Abstand war denkbar als zwischen der ruhigen Würde der
Römerinnen und der beweglichen, unruhigen Anbctungsbedürftigkeit der Fran¬
zösinnen -- ein Kontrast, den ein Franzose mit dem Bilde der englischen Fuchs-
jagd verglich, wie sie bei den Ruinen der Wasserleitungen der Ccunpagua vor-

Daß die Zugänglichkeit römischer Salons geringer geworden ist, darin hat
Vasili recht, ohne jedoch den Grund zu ahnen. Dieser liegt nicht bei den
Römern, sondern bei den Fremden.

Früher fehlte ein Hof --- da die Kurie natürlich keine eigentliche Gesellig¬
keit pflegte --, und die großen römischen Fannlien sahen es als ihre Pflicht
an, ebenso wie sie ihre Villen und Museen fremden Besuchern öffneten, in ihrem
Hause jede", der Beziehungen zu ihnen angeknüpt hatte, zu empfangen. Na¬
türlich war aber der Kreis dieser letzteren gegen heute beschränkt, wo kein Ge¬
sandter es wagen kann, irgend einem in seiner Heimat hoffähigen Landsmanne
die Vorstellung am Hofe abzuschlagen. Diese ganze vorgestellte Gesellschaft
fahrt nun zu den großen römischen Familien herum, giebt Karte" ab und
nimmt es entsetzlich übel, wenn diese nur wiederum durch Karten und nicht durch
Diners und Bälle erwiedert werde". .,,

Wollte die römische Aristokratie auf diesen Verkehr eingehen, so könnte sie
einfach ihre Paläste verlassen und irgendwo anders hinziehen; so groß ist die
Zahl der Fremden geworden, die sich kürzere oder längere Zeit in Rom auf¬
halten. Und wo liegt eigentlich der Rechtsgriind für alle diese Ansprüche, die
den auswärtigen Gesandten fortwährend die bittersten Stunden und die schwie¬
rigsten Vermittelungen verursachen? Als der Fürstin Pallavieini, die Vasili
in diesem Zusammenhange besonders energisch tadelt, vorgestellt nmrde, sie müsse
die oder jene Dame empfangen,, weil die Königin es thue, erwiederte sie einfach:
Domra Um'8'dörn,a> ni 8"voiÄ ö reg'iun ä'Jola o äovo tuo äg. rög'wa: lo soin
vonmr La-olimi, I^Ug-viewi v Äooio <moi1o obs voMo ig.

Die Fremden übertragen ohne weiteres die heimischen Ansprüche auf Rom,
aber alle Einrichtungen nordischer Hoffähigkeit und Hofgesellschaft sind auf
anderen Boden erwachsen und haben nichts mit den Zuständen gemein, wie sie
in Rom durch jahrhundertelange Überlieferung ausgebildet und eingebürgert
sind. Die feudalen Gesellschaftsverhältnisse des Mittelalters haben ihre Spuren


Die Lvcröte 6s I^owL.

hinter Paris so weit zurückgebliebenen Geselligkeit noch nicht aus. daß man
anhörte, was er zu sagen hatte. Vor allem aber war ein gewisser nordischer
Übermut verhaßt: als Harry von Armin in den innern Hof des Vatikans zur
Audienz fahren wollte, und die Schweizer ihre Hellebarden vor seiner Equipage^
kreuzten, weil er in einem Einspänner saß, und nur Zweispänner, der herrschenden
Etikette gemäß eingelassen wurden, befahl er seinem Kutscher, das Pferd nötigen¬
falls zu opfern und gewaltsam einzufahren. Er setzte seinen Willen durch,
aber gewonnen hat er bei den Römern damit nichts. ^

Kein größerer Abstand war denkbar als zwischen der ruhigen Würde der
Römerinnen und der beweglichen, unruhigen Anbctungsbedürftigkeit der Fran¬
zösinnen — ein Kontrast, den ein Franzose mit dem Bilde der englischen Fuchs-
jagd verglich, wie sie bei den Ruinen der Wasserleitungen der Ccunpagua vor-

Daß die Zugänglichkeit römischer Salons geringer geworden ist, darin hat
Vasili recht, ohne jedoch den Grund zu ahnen. Dieser liegt nicht bei den
Römern, sondern bei den Fremden.

Früher fehlte ein Hof —- da die Kurie natürlich keine eigentliche Gesellig¬
keit pflegte —, und die großen römischen Fannlien sahen es als ihre Pflicht
an, ebenso wie sie ihre Villen und Museen fremden Besuchern öffneten, in ihrem
Hause jede», der Beziehungen zu ihnen angeknüpt hatte, zu empfangen. Na¬
türlich war aber der Kreis dieser letzteren gegen heute beschränkt, wo kein Ge¬
sandter es wagen kann, irgend einem in seiner Heimat hoffähigen Landsmanne
die Vorstellung am Hofe abzuschlagen. Diese ganze vorgestellte Gesellschaft
fahrt nun zu den großen römischen Familien herum, giebt Karte« ab und
nimmt es entsetzlich übel, wenn diese nur wiederum durch Karten und nicht durch
Diners und Bälle erwiedert werde». .,,

Wollte die römische Aristokratie auf diesen Verkehr eingehen, so könnte sie
einfach ihre Paläste verlassen und irgendwo anders hinziehen; so groß ist die
Zahl der Fremden geworden, die sich kürzere oder längere Zeit in Rom auf¬
halten. Und wo liegt eigentlich der Rechtsgriind für alle diese Ansprüche, die
den auswärtigen Gesandten fortwährend die bittersten Stunden und die schwie¬
rigsten Vermittelungen verursachen? Als der Fürstin Pallavieini, die Vasili
in diesem Zusammenhange besonders energisch tadelt, vorgestellt nmrde, sie müsse
die oder jene Dame empfangen,, weil die Königin es thue, erwiederte sie einfach:
Domra Um'8'dörn,a> ni 8»voiÄ ö reg'iun ä'Jola o äovo tuo äg. rög'wa: lo soin
vonmr La-olimi, I^Ug-viewi v Äooio <moi1o obs voMo ig.

Die Fremden übertragen ohne weiteres die heimischen Ansprüche auf Rom,
aber alle Einrichtungen nordischer Hoffähigkeit und Hofgesellschaft sind auf
anderen Boden erwachsen und haben nichts mit den Zuständen gemein, wie sie
in Rom durch jahrhundertelange Überlieferung ausgebildet und eingebürgert
sind. Die feudalen Gesellschaftsverhältnisse des Mittelalters haben ihre Spuren


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[0477] Die Lvcröte 6s I^owL. hinter Paris so weit zurückgebliebenen Geselligkeit noch nicht aus. daß man anhörte, was er zu sagen hatte. Vor allem aber war ein gewisser nordischer Übermut verhaßt: als Harry von Armin in den innern Hof des Vatikans zur Audienz fahren wollte, und die Schweizer ihre Hellebarden vor seiner Equipage^ kreuzten, weil er in einem Einspänner saß, und nur Zweispänner, der herrschenden Etikette gemäß eingelassen wurden, befahl er seinem Kutscher, das Pferd nötigen¬ falls zu opfern und gewaltsam einzufahren. Er setzte seinen Willen durch, aber gewonnen hat er bei den Römern damit nichts. ^ Kein größerer Abstand war denkbar als zwischen der ruhigen Würde der Römerinnen und der beweglichen, unruhigen Anbctungsbedürftigkeit der Fran¬ zösinnen — ein Kontrast, den ein Franzose mit dem Bilde der englischen Fuchs- jagd verglich, wie sie bei den Ruinen der Wasserleitungen der Ccunpagua vor- Daß die Zugänglichkeit römischer Salons geringer geworden ist, darin hat Vasili recht, ohne jedoch den Grund zu ahnen. Dieser liegt nicht bei den Römern, sondern bei den Fremden. Früher fehlte ein Hof —- da die Kurie natürlich keine eigentliche Gesellig¬ keit pflegte —, und die großen römischen Fannlien sahen es als ihre Pflicht an, ebenso wie sie ihre Villen und Museen fremden Besuchern öffneten, in ihrem Hause jede», der Beziehungen zu ihnen angeknüpt hatte, zu empfangen. Na¬ türlich war aber der Kreis dieser letzteren gegen heute beschränkt, wo kein Ge¬ sandter es wagen kann, irgend einem in seiner Heimat hoffähigen Landsmanne die Vorstellung am Hofe abzuschlagen. Diese ganze vorgestellte Gesellschaft fahrt nun zu den großen römischen Familien herum, giebt Karte« ab und nimmt es entsetzlich übel, wenn diese nur wiederum durch Karten und nicht durch Diners und Bälle erwiedert werde». .,, Wollte die römische Aristokratie auf diesen Verkehr eingehen, so könnte sie einfach ihre Paläste verlassen und irgendwo anders hinziehen; so groß ist die Zahl der Fremden geworden, die sich kürzere oder längere Zeit in Rom auf¬ halten. Und wo liegt eigentlich der Rechtsgriind für alle diese Ansprüche, die den auswärtigen Gesandten fortwährend die bittersten Stunden und die schwie¬ rigsten Vermittelungen verursachen? Als der Fürstin Pallavieini, die Vasili in diesem Zusammenhange besonders energisch tadelt, vorgestellt nmrde, sie müsse die oder jene Dame empfangen,, weil die Königin es thue, erwiederte sie einfach: Domra Um'8'dörn,a> ni 8»voiÄ ö reg'iun ä'Jola o äovo tuo äg. rög'wa: lo soin vonmr La-olimi, I^Ug-viewi v Äooio <moi1o obs voMo ig. Die Fremden übertragen ohne weiteres die heimischen Ansprüche auf Rom, aber alle Einrichtungen nordischer Hoffähigkeit und Hofgesellschaft sind auf anderen Boden erwachsen und haben nichts mit den Zuständen gemein, wie sie in Rom durch jahrhundertelange Überlieferung ausgebildet und eingebürgert sind. Die feudalen Gesellschaftsverhältnisse des Mittelalters haben ihre Spuren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/477>, abgerufen am 17.09.2024.