Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

von Deutschen bewohnten Badeortes und der Graf Harrach, der in Neuwelt
große Fabriken besitzt, arbeiten für tschechische Bestrebungen. Aber die Deutschen
in Rochlitz, dem Hauptorte, wirken ihnen kräftig entgegen. Nur ihnen, namentlich
den Besitzern der dortigen Fabriken, die nur Stammesgenossen beschäftigen, ist
es zu danken, daß die Sprachgrenze nicht durch Einströmen slawischer Arbeiter
ins Rücken gekommen ist. Durch den Verein in Verbindung mit zweien dieser
Fabrikherren wurde in Jablonetz eine deutsche Schule eingerichtet und die in
Harrachsdorf mit einer Bibliothek versehen.

Im geschlossenen deutschen Sprachgebiete Nordböhmens muß sich der Verein
fast ganz darauf beschränken, das Vorrücken der Tschechen über die Sprachgrenze
zu verhindern. Den Schutz der Städte im Innern übernahmen die dortigen Fabri¬
kanten und Bergwerksbesitzer sowie die nationale Arbeitsvermittelung, die in
Reichenberg und Prag mit guten Erfolgen thätig ist. Jene Stadt wird durch das
Tschechentum, das in den Dörfern ihrer Umgebung, besonders in Rochlitz und Dörfel,
in der letzten Zeit zugenommen hat, mehr und mehr an die Sprachgrenze gerückt, und
es war Zeit, daß man in Rochlitz einen deutschen Kindergarten gründete, der dann
vom Vereine Unterstützung erhielt, und daß letzterer in andern von diesen Orten
die Gemeinde bei Schulbänken und durch Schenkung von Lehrmitteln förderte
und ermunterte. Es würde zu weit führen, wenn ich alles aufzählen wollte,
was in ähnlicher Weise vonseiten des Vereins für andre Orte der nördlichen
Sprachgrenze geschehen ist, z. B. in und bei Böhmisch-Aicha, in der Gegend
von Weißwasser, in Theresienstadt, in Wetzlau und im ganzen Jechnitzer Ge¬
biete, ferner in der Umgebung von Pilsen, in der von Bischofteinitz und im
Teplitzer Kohlenbecken, endlich in der Südwestecke am Böhmerwalde, wo u. a.
Schüttenhofen, Albrechtsried und Philippsberg die Verhältnisse ihrer deutschen
Schulen durch den Verein wesentlich gebessert sehen.

Auf der Budweiser Sprachinsel ist wie überall im Böhmerwalde seit der
Gründung des Böhmerwaldbundes das deutsche Nationalgefühl in sehr erfreu¬
licher Ausdehnung wieder erwacht und erstarkt. Doch wird hier auch von den
Tschechen eifrig agitirt, und in der Stadt Budweis nahm infolge dessen die
Schülerzahl namentlich an den deutschen Volksschulen erheblich ab, während die
Einschreibungen für die Mittelschulen recht befriedigend ausfielen, obwohl die
..Beseda Libu" in einer Flugschrift mit folgenden beweglichen Worten gewarnt
hatte: "Liefert eure Kinder nicht der deutschen Schule als ein trauriges und
unglückliches Opfer aus. Sie ertötet die glücklichen, schonen Jahre der kind¬
lichen Jugend. In ihr vertrocknet der Verstand, verkümmern die Talente, ver¬
ödet das Herz, hier entfalten sich keinerlei ehrenwerte und edle Anlagen," und
so weiter im Stile fanatischen Unsinns. Selbst dem Freiherrn von Conrad
war die tschechische Wühlerei in Böhmen und Mähren zu arg, und so wies er
die Statthalter in einem Erlasse an, das Selbstbestimmungsrecht der Eltern
bei der Wahl der Schulen für ihre Kinder zu wahren und je nach den ort-


von Deutschen bewohnten Badeortes und der Graf Harrach, der in Neuwelt
große Fabriken besitzt, arbeiten für tschechische Bestrebungen. Aber die Deutschen
in Rochlitz, dem Hauptorte, wirken ihnen kräftig entgegen. Nur ihnen, namentlich
den Besitzern der dortigen Fabriken, die nur Stammesgenossen beschäftigen, ist
es zu danken, daß die Sprachgrenze nicht durch Einströmen slawischer Arbeiter
ins Rücken gekommen ist. Durch den Verein in Verbindung mit zweien dieser
Fabrikherren wurde in Jablonetz eine deutsche Schule eingerichtet und die in
Harrachsdorf mit einer Bibliothek versehen.

Im geschlossenen deutschen Sprachgebiete Nordböhmens muß sich der Verein
fast ganz darauf beschränken, das Vorrücken der Tschechen über die Sprachgrenze
zu verhindern. Den Schutz der Städte im Innern übernahmen die dortigen Fabri¬
kanten und Bergwerksbesitzer sowie die nationale Arbeitsvermittelung, die in
Reichenberg und Prag mit guten Erfolgen thätig ist. Jene Stadt wird durch das
Tschechentum, das in den Dörfern ihrer Umgebung, besonders in Rochlitz und Dörfel,
in der letzten Zeit zugenommen hat, mehr und mehr an die Sprachgrenze gerückt, und
es war Zeit, daß man in Rochlitz einen deutschen Kindergarten gründete, der dann
vom Vereine Unterstützung erhielt, und daß letzterer in andern von diesen Orten
die Gemeinde bei Schulbänken und durch Schenkung von Lehrmitteln förderte
und ermunterte. Es würde zu weit führen, wenn ich alles aufzählen wollte,
was in ähnlicher Weise vonseiten des Vereins für andre Orte der nördlichen
Sprachgrenze geschehen ist, z. B. in und bei Böhmisch-Aicha, in der Gegend
von Weißwasser, in Theresienstadt, in Wetzlau und im ganzen Jechnitzer Ge¬
biete, ferner in der Umgebung von Pilsen, in der von Bischofteinitz und im
Teplitzer Kohlenbecken, endlich in der Südwestecke am Böhmerwalde, wo u. a.
Schüttenhofen, Albrechtsried und Philippsberg die Verhältnisse ihrer deutschen
Schulen durch den Verein wesentlich gebessert sehen.

Auf der Budweiser Sprachinsel ist wie überall im Böhmerwalde seit der
Gründung des Böhmerwaldbundes das deutsche Nationalgefühl in sehr erfreu¬
licher Ausdehnung wieder erwacht und erstarkt. Doch wird hier auch von den
Tschechen eifrig agitirt, und in der Stadt Budweis nahm infolge dessen die
Schülerzahl namentlich an den deutschen Volksschulen erheblich ab, während die
Einschreibungen für die Mittelschulen recht befriedigend ausfielen, obwohl die
..Beseda Libu" in einer Flugschrift mit folgenden beweglichen Worten gewarnt
hatte: „Liefert eure Kinder nicht der deutschen Schule als ein trauriges und
unglückliches Opfer aus. Sie ertötet die glücklichen, schonen Jahre der kind¬
lichen Jugend. In ihr vertrocknet der Verstand, verkümmern die Talente, ver¬
ödet das Herz, hier entfalten sich keinerlei ehrenwerte und edle Anlagen," und
so weiter im Stile fanatischen Unsinns. Selbst dem Freiherrn von Conrad
war die tschechische Wühlerei in Böhmen und Mähren zu arg, und so wies er
die Statthalter in einem Erlasse an, das Selbstbestimmungsrecht der Eltern
bei der Wahl der Schulen für ihre Kinder zu wahren und je nach den ort-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0469" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/288922"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_1319" prev="#ID_1318"> von Deutschen bewohnten Badeortes und der Graf Harrach, der in Neuwelt<lb/>
große Fabriken besitzt, arbeiten für tschechische Bestrebungen. Aber die Deutschen<lb/>
in Rochlitz, dem Hauptorte, wirken ihnen kräftig entgegen. Nur ihnen, namentlich<lb/>
den Besitzern der dortigen Fabriken, die nur Stammesgenossen beschäftigen, ist<lb/>
es zu danken, daß die Sprachgrenze nicht durch Einströmen slawischer Arbeiter<lb/>
ins Rücken gekommen ist. Durch den Verein in Verbindung mit zweien dieser<lb/>
Fabrikherren wurde in Jablonetz eine deutsche Schule eingerichtet und die in<lb/>
Harrachsdorf mit einer Bibliothek versehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1320"> Im geschlossenen deutschen Sprachgebiete Nordböhmens muß sich der Verein<lb/>
fast ganz darauf beschränken, das Vorrücken der Tschechen über die Sprachgrenze<lb/>
zu verhindern. Den Schutz der Städte im Innern übernahmen die dortigen Fabri¬<lb/>
kanten und Bergwerksbesitzer sowie die nationale Arbeitsvermittelung, die in<lb/>
Reichenberg und Prag mit guten Erfolgen thätig ist. Jene Stadt wird durch das<lb/>
Tschechentum, das in den Dörfern ihrer Umgebung, besonders in Rochlitz und Dörfel,<lb/>
in der letzten Zeit zugenommen hat, mehr und mehr an die Sprachgrenze gerückt, und<lb/>
es war Zeit, daß man in Rochlitz einen deutschen Kindergarten gründete, der dann<lb/>
vom Vereine Unterstützung erhielt, und daß letzterer in andern von diesen Orten<lb/>
die Gemeinde bei Schulbänken und durch Schenkung von Lehrmitteln förderte<lb/>
und ermunterte. Es würde zu weit führen, wenn ich alles aufzählen wollte,<lb/>
was in ähnlicher Weise vonseiten des Vereins für andre Orte der nördlichen<lb/>
Sprachgrenze geschehen ist, z. B. in und bei Böhmisch-Aicha, in der Gegend<lb/>
von Weißwasser, in Theresienstadt, in Wetzlau und im ganzen Jechnitzer Ge¬<lb/>
biete, ferner in der Umgebung von Pilsen, in der von Bischofteinitz und im<lb/>
Teplitzer Kohlenbecken, endlich in der Südwestecke am Böhmerwalde, wo u. a.<lb/>
Schüttenhofen, Albrechtsried und Philippsberg die Verhältnisse ihrer deutschen<lb/>
Schulen durch den Verein wesentlich gebessert sehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1321" next="#ID_1322"> Auf der Budweiser Sprachinsel ist wie überall im Böhmerwalde seit der<lb/>
Gründung des Böhmerwaldbundes das deutsche Nationalgefühl in sehr erfreu¬<lb/>
licher Ausdehnung wieder erwacht und erstarkt. Doch wird hier auch von den<lb/>
Tschechen eifrig agitirt, und in der Stadt Budweis nahm infolge dessen die<lb/>
Schülerzahl namentlich an den deutschen Volksschulen erheblich ab, während die<lb/>
Einschreibungen für die Mittelschulen recht befriedigend ausfielen, obwohl die<lb/>
..Beseda Libu" in einer Flugschrift mit folgenden beweglichen Worten gewarnt<lb/>
hatte: &#x201E;Liefert eure Kinder nicht der deutschen Schule als ein trauriges und<lb/>
unglückliches Opfer aus. Sie ertötet die glücklichen, schonen Jahre der kind¬<lb/>
lichen Jugend. In ihr vertrocknet der Verstand, verkümmern die Talente, ver¬<lb/>
ödet das Herz, hier entfalten sich keinerlei ehrenwerte und edle Anlagen," und<lb/>
so weiter im Stile fanatischen Unsinns. Selbst dem Freiherrn von Conrad<lb/>
war die tschechische Wühlerei in Böhmen und Mähren zu arg, und so wies er<lb/>
die Statthalter in einem Erlasse an, das Selbstbestimmungsrecht der Eltern<lb/>
bei der Wahl der Schulen für ihre Kinder zu wahren und je nach den ort-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0469] von Deutschen bewohnten Badeortes und der Graf Harrach, der in Neuwelt große Fabriken besitzt, arbeiten für tschechische Bestrebungen. Aber die Deutschen in Rochlitz, dem Hauptorte, wirken ihnen kräftig entgegen. Nur ihnen, namentlich den Besitzern der dortigen Fabriken, die nur Stammesgenossen beschäftigen, ist es zu danken, daß die Sprachgrenze nicht durch Einströmen slawischer Arbeiter ins Rücken gekommen ist. Durch den Verein in Verbindung mit zweien dieser Fabrikherren wurde in Jablonetz eine deutsche Schule eingerichtet und die in Harrachsdorf mit einer Bibliothek versehen. Im geschlossenen deutschen Sprachgebiete Nordböhmens muß sich der Verein fast ganz darauf beschränken, das Vorrücken der Tschechen über die Sprachgrenze zu verhindern. Den Schutz der Städte im Innern übernahmen die dortigen Fabri¬ kanten und Bergwerksbesitzer sowie die nationale Arbeitsvermittelung, die in Reichenberg und Prag mit guten Erfolgen thätig ist. Jene Stadt wird durch das Tschechentum, das in den Dörfern ihrer Umgebung, besonders in Rochlitz und Dörfel, in der letzten Zeit zugenommen hat, mehr und mehr an die Sprachgrenze gerückt, und es war Zeit, daß man in Rochlitz einen deutschen Kindergarten gründete, der dann vom Vereine Unterstützung erhielt, und daß letzterer in andern von diesen Orten die Gemeinde bei Schulbänken und durch Schenkung von Lehrmitteln förderte und ermunterte. Es würde zu weit führen, wenn ich alles aufzählen wollte, was in ähnlicher Weise vonseiten des Vereins für andre Orte der nördlichen Sprachgrenze geschehen ist, z. B. in und bei Böhmisch-Aicha, in der Gegend von Weißwasser, in Theresienstadt, in Wetzlau und im ganzen Jechnitzer Ge¬ biete, ferner in der Umgebung von Pilsen, in der von Bischofteinitz und im Teplitzer Kohlenbecken, endlich in der Südwestecke am Böhmerwalde, wo u. a. Schüttenhofen, Albrechtsried und Philippsberg die Verhältnisse ihrer deutschen Schulen durch den Verein wesentlich gebessert sehen. Auf der Budweiser Sprachinsel ist wie überall im Böhmerwalde seit der Gründung des Böhmerwaldbundes das deutsche Nationalgefühl in sehr erfreu¬ licher Ausdehnung wieder erwacht und erstarkt. Doch wird hier auch von den Tschechen eifrig agitirt, und in der Stadt Budweis nahm infolge dessen die Schülerzahl namentlich an den deutschen Volksschulen erheblich ab, während die Einschreibungen für die Mittelschulen recht befriedigend ausfielen, obwohl die ..Beseda Libu" in einer Flugschrift mit folgenden beweglichen Worten gewarnt hatte: „Liefert eure Kinder nicht der deutschen Schule als ein trauriges und unglückliches Opfer aus. Sie ertötet die glücklichen, schonen Jahre der kind¬ lichen Jugend. In ihr vertrocknet der Verstand, verkümmern die Talente, ver¬ ödet das Herz, hier entfalten sich keinerlei ehrenwerte und edle Anlagen," und so weiter im Stile fanatischen Unsinns. Selbst dem Freiherrn von Conrad war die tschechische Wühlerei in Böhmen und Mähren zu arg, und so wies er die Statthalter in einem Erlasse an, das Selbstbestimmungsrecht der Eltern bei der Wahl der Schulen für ihre Kinder zu wahren und je nach den ort-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/469
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/469>, abgerufen am 17.09.2024.