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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Deutsch-böhmische Briefe.

Deutsche" in Pardnbitz selbst, wenigstens in einer Anzahl von Familien ihre
Nationalität bewahrt haben. Gern erfüllte daher der Verein die Bitte der
Bauern von Sehndorf um Errichtung einer dentschen Schule, die nun wie die
schon länger in Weskci bestehende auch den Resten des Deutschtums in den be¬
nachbarten Orten zu Gute kommt. Die 909 Deutschen in Königinhof waren
gesetzlich befugt, eine eigne Schule zu verlangen, sie erhielten diese aber nicht,
und als der Verein ihnen dazu verhelfen wollte, legten die Tschechen ihm alle mög¬
lichen Hindernisse in den Weg. Die Schule entstand trotz dieses Widerstreben^
und mit ihr ein Kindergarten. Auch Josefstadt mit einer deutschen Bevölkerung
von fast anderthalbtausend Seelen, einem Drittel der gesamten Einwohnerschaft,
und einer Garnison von 3479 Mann besaß bis vor einigen Jahren keine deutsche
Unterrichtsanstalt, weder eine öffentliche noch eine private, und als es dnrch
de>i Verein eine bekam, zählte sie nach einigen Monaten 277 Schüler, mehr
als sechsmal so viel als die geringste Zahl, welche das Gesetz für die Errichtung
einer Schule vorschreibt.

Ganz besonders hat ferner der Verein die große deutsche Sprachinsel des
Schönhengstler Landes ins Auge gefaßt, von der hnndertzweiundzwanzig Ort¬
schaften mit 75056 Deutschen zu Mähren und zweiundsiebzig Ortschaften mit
48193 Deutschen zu Böhmen gehören. Er hat hier zahlreiche Orte durch
Gründung oder Unterstützung von Schulen für unser Volk erhalten und für
die deutsche Sache erwärmt. Die Tschechen aber thaten dagegen, was sie
konnten. Sie drohte" in Böhmisch-Trübnu, die Gründung der hier beab¬
sichtigte" deutschen sah"in durch die Behörden verbiete" zu lasse", und als diese
1885 trotzdem zustande kam, warnte die Stadtgemeinde die Bewohnerschaft vor
ihr in einem offene" Briefe, in welchem es hieß: "Freilich sind wir nicht alle
daran schuld, daß der ehrliche Name unsrer Stadt beinahe zum Spotte des
Volkes wurde; aber es ist genug, daß ein Teil hiesiger Bürgerschaft dies ver¬
brach. . . . Wir trauern über die, welche sich von ihrer Nation lossagten, um
dem neuen Götzen, dem Schnlfrain, auch das kostbarste Gut, Ehre, Blut,
Baterland und Volk z" opfern. . . . Wir erinner" sie an die schweren Folgen,
welche sie auf sich und ihre Kinder heraufbeschwören, wenn sie diese in die
deutsche Schule schicken."

An der Sprachgrenze des Riesengebirgsgebietes arbeitete der Verein eben¬
falls an mehreren Orte" der begiimendcn Tschechisirung mit Eifer und Erfolg
entgegen, indem er in bedrohten Gemeinden wie Dnbenetz, Sticken und Benetzko
de"tsche Schulen gründete und in andern die schon bestehenden dnrch Lehrmittel,
Bücherspende", Zahlung von Bau- und Schulgeldern u. dergl. unterstützte.
Der ethnographische Zusaunnenhang dieses Teiles des deutschen Sprachbodens
mit dem geschlossenen deutschen Sprachgebiete wird nur durch die Masse der
im deutschen Reiche wohnenden Dentschen vermittelt, da dessen Grenze bei
Wurzelsdvrf dicht an die Sprachgrenze reicht. Die Verwaltung dieses nur


Deutsch-böhmische Briefe.

Deutsche» in Pardnbitz selbst, wenigstens in einer Anzahl von Familien ihre
Nationalität bewahrt haben. Gern erfüllte daher der Verein die Bitte der
Bauern von Sehndorf um Errichtung einer dentschen Schule, die nun wie die
schon länger in Weskci bestehende auch den Resten des Deutschtums in den be¬
nachbarten Orten zu Gute kommt. Die 909 Deutschen in Königinhof waren
gesetzlich befugt, eine eigne Schule zu verlangen, sie erhielten diese aber nicht,
und als der Verein ihnen dazu verhelfen wollte, legten die Tschechen ihm alle mög¬
lichen Hindernisse in den Weg. Die Schule entstand trotz dieses Widerstreben^
und mit ihr ein Kindergarten. Auch Josefstadt mit einer deutschen Bevölkerung
von fast anderthalbtausend Seelen, einem Drittel der gesamten Einwohnerschaft,
und einer Garnison von 3479 Mann besaß bis vor einigen Jahren keine deutsche
Unterrichtsanstalt, weder eine öffentliche noch eine private, und als es dnrch
de>i Verein eine bekam, zählte sie nach einigen Monaten 277 Schüler, mehr
als sechsmal so viel als die geringste Zahl, welche das Gesetz für die Errichtung
einer Schule vorschreibt.

Ganz besonders hat ferner der Verein die große deutsche Sprachinsel des
Schönhengstler Landes ins Auge gefaßt, von der hnndertzweiundzwanzig Ort¬
schaften mit 75056 Deutschen zu Mähren und zweiundsiebzig Ortschaften mit
48193 Deutschen zu Böhmen gehören. Er hat hier zahlreiche Orte durch
Gründung oder Unterstützung von Schulen für unser Volk erhalten und für
die deutsche Sache erwärmt. Die Tschechen aber thaten dagegen, was sie
konnten. Sie drohte» in Böhmisch-Trübnu, die Gründung der hier beab¬
sichtigte» deutschen sah»in durch die Behörden verbiete» zu lasse», und als diese
1885 trotzdem zustande kam, warnte die Stadtgemeinde die Bewohnerschaft vor
ihr in einem offene» Briefe, in welchem es hieß: „Freilich sind wir nicht alle
daran schuld, daß der ehrliche Name unsrer Stadt beinahe zum Spotte des
Volkes wurde; aber es ist genug, daß ein Teil hiesiger Bürgerschaft dies ver¬
brach. . . . Wir trauern über die, welche sich von ihrer Nation lossagten, um
dem neuen Götzen, dem Schnlfrain, auch das kostbarste Gut, Ehre, Blut,
Baterland und Volk z» opfern. . . . Wir erinner» sie an die schweren Folgen,
welche sie auf sich und ihre Kinder heraufbeschwören, wenn sie diese in die
deutsche Schule schicken."

An der Sprachgrenze des Riesengebirgsgebietes arbeitete der Verein eben¬
falls an mehreren Orte» der begiimendcn Tschechisirung mit Eifer und Erfolg
entgegen, indem er in bedrohten Gemeinden wie Dnbenetz, Sticken und Benetzko
de»tsche Schulen gründete und in andern die schon bestehenden dnrch Lehrmittel,
Bücherspende», Zahlung von Bau- und Schulgeldern u. dergl. unterstützte.
Der ethnographische Zusaunnenhang dieses Teiles des deutschen Sprachbodens
mit dem geschlossenen deutschen Sprachgebiete wird nur durch die Masse der
im deutschen Reiche wohnenden Dentschen vermittelt, da dessen Grenze bei
Wurzelsdvrf dicht an die Sprachgrenze reicht. Die Verwaltung dieses nur


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[0468] Deutsch-böhmische Briefe. Deutsche» in Pardnbitz selbst, wenigstens in einer Anzahl von Familien ihre Nationalität bewahrt haben. Gern erfüllte daher der Verein die Bitte der Bauern von Sehndorf um Errichtung einer dentschen Schule, die nun wie die schon länger in Weskci bestehende auch den Resten des Deutschtums in den be¬ nachbarten Orten zu Gute kommt. Die 909 Deutschen in Königinhof waren gesetzlich befugt, eine eigne Schule zu verlangen, sie erhielten diese aber nicht, und als der Verein ihnen dazu verhelfen wollte, legten die Tschechen ihm alle mög¬ lichen Hindernisse in den Weg. Die Schule entstand trotz dieses Widerstreben^ und mit ihr ein Kindergarten. Auch Josefstadt mit einer deutschen Bevölkerung von fast anderthalbtausend Seelen, einem Drittel der gesamten Einwohnerschaft, und einer Garnison von 3479 Mann besaß bis vor einigen Jahren keine deutsche Unterrichtsanstalt, weder eine öffentliche noch eine private, und als es dnrch de>i Verein eine bekam, zählte sie nach einigen Monaten 277 Schüler, mehr als sechsmal so viel als die geringste Zahl, welche das Gesetz für die Errichtung einer Schule vorschreibt. Ganz besonders hat ferner der Verein die große deutsche Sprachinsel des Schönhengstler Landes ins Auge gefaßt, von der hnndertzweiundzwanzig Ort¬ schaften mit 75056 Deutschen zu Mähren und zweiundsiebzig Ortschaften mit 48193 Deutschen zu Böhmen gehören. Er hat hier zahlreiche Orte durch Gründung oder Unterstützung von Schulen für unser Volk erhalten und für die deutsche Sache erwärmt. Die Tschechen aber thaten dagegen, was sie konnten. Sie drohte» in Böhmisch-Trübnu, die Gründung der hier beab¬ sichtigte» deutschen sah»in durch die Behörden verbiete» zu lasse», und als diese 1885 trotzdem zustande kam, warnte die Stadtgemeinde die Bewohnerschaft vor ihr in einem offene» Briefe, in welchem es hieß: „Freilich sind wir nicht alle daran schuld, daß der ehrliche Name unsrer Stadt beinahe zum Spotte des Volkes wurde; aber es ist genug, daß ein Teil hiesiger Bürgerschaft dies ver¬ brach. . . . Wir trauern über die, welche sich von ihrer Nation lossagten, um dem neuen Götzen, dem Schnlfrain, auch das kostbarste Gut, Ehre, Blut, Baterland und Volk z» opfern. . . . Wir erinner» sie an die schweren Folgen, welche sie auf sich und ihre Kinder heraufbeschwören, wenn sie diese in die deutsche Schule schicken." An der Sprachgrenze des Riesengebirgsgebietes arbeitete der Verein eben¬ falls an mehreren Orte» der begiimendcn Tschechisirung mit Eifer und Erfolg entgegen, indem er in bedrohten Gemeinden wie Dnbenetz, Sticken und Benetzko de»tsche Schulen gründete und in andern die schon bestehenden dnrch Lehrmittel, Bücherspende», Zahlung von Bau- und Schulgeldern u. dergl. unterstützte. Der ethnographische Zusaunnenhang dieses Teiles des deutschen Sprachbodens mit dem geschlossenen deutschen Sprachgebiete wird nur durch die Masse der im deutschen Reiche wohnenden Dentschen vermittelt, da dessen Grenze bei Wurzelsdvrf dicht an die Sprachgrenze reicht. Die Verwaltung dieses nur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/468>, abgerufen am 17.09.2024.