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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Literatur.

Von einem Niederreißen dieses Hauses ist keine Rede, am wenigsten wegen
des Denkmals für den König Viktor Emanuel; denn dieses Denkmal wird auf
dem Kcipitol errichtet, und von da bis zu Trinits. dei Monti, oberhalb des spa¬
nischen Platzes, wo die Casa Zucchero liegt, hat man eine gute halbe Stunde zu
gehen I

Von einer schlechten Beleuchtung der Fresken in diesem Hause, sowie davon,
daß sie nie so recht zur Geltung kommen konnten, kann ebenfalls keine Rede sein;
sie waren vielmehr dort sehr gut beleuchtet und kamen nur allzusehr zur Gel¬
tung -- für jemand nämlich, der an diesen blut- und leblosen Gestalten keine
Freude zu finden vermag. Pranger sie erst in der Berliner Nationalgalerie, so
wird ja das große Publikum Gelegenheit haben, zu beurteilen, was es mit diesen
"kunstgeschichtlich so wertvollen und interessanten Werken des deutschen Genius"
auf sich hat.




Pedant. (Nach dem Lesen des vortrefflichen Aufsatzes über Joachim Heinrich
Campe in Ur. 21 der Grenzboten.) Schillers Forderung, deu Pedanten zu ver¬
deutschen, ist doch vielleicht nicht so ganz unerfüllbar. Nur darf man sich nicht
"Pedantisch" an die Ableitung des Wortes klammern, sondern muß frei den jetzigen
Sinn zu treffen suchen. Hier ein Versuch.


Der Purist.

Sinnreich bist du, die Sprache von fremden Wörtern zu säubern;
Nun, so sage doch, Freund, wie man Pedant uns verdeutscht.


sah iller.

Auskunft.

Macht es dir Pein, wie man ihn verdeutscht, so ist das kein Wunder.

Pein auch macht es ihm selbst, wie er vergeblich sich müht,
Jedes winzige Ständchen zu tilgen mit peinlicher Sorgfalt.

So in der Pein ihn zu sehn, machet den andern auch Pein.
Deutsch ist wahrlich sein peinliches Thun, drum sollte sein Name

Deutsch auch minder nicht sein: Peinling benenne ihn doch!


Irenaeus securius.


Literatur.

Literarische Modelle und andre Geschichten von Ferdinand Groß. Berlin,
S. Fischer, 1887.

Der Titel dieser Sammlung von Feuilletons ist geschickt gewählt und verrät
den gewandten Journalisten. Das Modell überhaupt und das literarische Modell
insbesondre find Begriffe, welche gerade in der letzten Zeit dem großen Publikum
sehr geläufig geworden sind. Maler Graefs Skandalprozeß hat ganze Bände von
ästhetischen Abhandlungen über das Künstlermodell hervorgerufen; und in den
Kreisen der Literarhistoriker, insbesondre der Goetheforschcr, ist die Suche nach den
Modellen seiner poetischen Gestalten der allerneueste Sport, gilt als das aller¬
höchste Problem der literarischen Forschung. Gleichwohl ist Ferdinand Groß nicht
der erste Feuilletonist, der den Titel "Modelle" verwertet; Fritz Mauthner hat


Literatur.

Von einem Niederreißen dieses Hauses ist keine Rede, am wenigsten wegen
des Denkmals für den König Viktor Emanuel; denn dieses Denkmal wird auf
dem Kcipitol errichtet, und von da bis zu Trinits. dei Monti, oberhalb des spa¬
nischen Platzes, wo die Casa Zucchero liegt, hat man eine gute halbe Stunde zu
gehen I

Von einer schlechten Beleuchtung der Fresken in diesem Hause, sowie davon,
daß sie nie so recht zur Geltung kommen konnten, kann ebenfalls keine Rede sein;
sie waren vielmehr dort sehr gut beleuchtet und kamen nur allzusehr zur Gel¬
tung — für jemand nämlich, der an diesen blut- und leblosen Gestalten keine
Freude zu finden vermag. Pranger sie erst in der Berliner Nationalgalerie, so
wird ja das große Publikum Gelegenheit haben, zu beurteilen, was es mit diesen
„kunstgeschichtlich so wertvollen und interessanten Werken des deutschen Genius"
auf sich hat.




Pedant. (Nach dem Lesen des vortrefflichen Aufsatzes über Joachim Heinrich
Campe in Ur. 21 der Grenzboten.) Schillers Forderung, deu Pedanten zu ver¬
deutschen, ist doch vielleicht nicht so ganz unerfüllbar. Nur darf man sich nicht
„Pedantisch" an die Ableitung des Wortes klammern, sondern muß frei den jetzigen
Sinn zu treffen suchen. Hier ein Versuch.


Der Purist.

Sinnreich bist du, die Sprache von fremden Wörtern zu säubern;
Nun, so sage doch, Freund, wie man Pedant uns verdeutscht.


sah iller.

Auskunft.

Macht es dir Pein, wie man ihn verdeutscht, so ist das kein Wunder.

Pein auch macht es ihm selbst, wie er vergeblich sich müht,
Jedes winzige Ständchen zu tilgen mit peinlicher Sorgfalt.

So in der Pein ihn zu sehn, machet den andern auch Pein.
Deutsch ist wahrlich sein peinliches Thun, drum sollte sein Name

Deutsch auch minder nicht sein: Peinling benenne ihn doch!


Irenaeus securius.


Literatur.

Literarische Modelle und andre Geschichten von Ferdinand Groß. Berlin,
S. Fischer, 1887.

Der Titel dieser Sammlung von Feuilletons ist geschickt gewählt und verrät
den gewandten Journalisten. Das Modell überhaupt und das literarische Modell
insbesondre find Begriffe, welche gerade in der letzten Zeit dem großen Publikum
sehr geläufig geworden sind. Maler Graefs Skandalprozeß hat ganze Bände von
ästhetischen Abhandlungen über das Künstlermodell hervorgerufen; und in den
Kreisen der Literarhistoriker, insbesondre der Goetheforschcr, ist die Suche nach den
Modellen seiner poetischen Gestalten der allerneueste Sport, gilt als das aller¬
höchste Problem der literarischen Forschung. Gleichwohl ist Ferdinand Groß nicht
der erste Feuilletonist, der den Titel „Modelle" verwertet; Fritz Mauthner hat


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[0455] Literatur. Von einem Niederreißen dieses Hauses ist keine Rede, am wenigsten wegen des Denkmals für den König Viktor Emanuel; denn dieses Denkmal wird auf dem Kcipitol errichtet, und von da bis zu Trinits. dei Monti, oberhalb des spa¬ nischen Platzes, wo die Casa Zucchero liegt, hat man eine gute halbe Stunde zu gehen I Von einer schlechten Beleuchtung der Fresken in diesem Hause, sowie davon, daß sie nie so recht zur Geltung kommen konnten, kann ebenfalls keine Rede sein; sie waren vielmehr dort sehr gut beleuchtet und kamen nur allzusehr zur Gel¬ tung — für jemand nämlich, der an diesen blut- und leblosen Gestalten keine Freude zu finden vermag. Pranger sie erst in der Berliner Nationalgalerie, so wird ja das große Publikum Gelegenheit haben, zu beurteilen, was es mit diesen „kunstgeschichtlich so wertvollen und interessanten Werken des deutschen Genius" auf sich hat. Pedant. (Nach dem Lesen des vortrefflichen Aufsatzes über Joachim Heinrich Campe in Ur. 21 der Grenzboten.) Schillers Forderung, deu Pedanten zu ver¬ deutschen, ist doch vielleicht nicht so ganz unerfüllbar. Nur darf man sich nicht „Pedantisch" an die Ableitung des Wortes klammern, sondern muß frei den jetzigen Sinn zu treffen suchen. Hier ein Versuch. Der Purist. Sinnreich bist du, die Sprache von fremden Wörtern zu säubern; Nun, so sage doch, Freund, wie man Pedant uns verdeutscht. sah iller. Auskunft. Macht es dir Pein, wie man ihn verdeutscht, so ist das kein Wunder. Pein auch macht es ihm selbst, wie er vergeblich sich müht, Jedes winzige Ständchen zu tilgen mit peinlicher Sorgfalt. So in der Pein ihn zu sehn, machet den andern auch Pein. Deutsch ist wahrlich sein peinliches Thun, drum sollte sein Name Deutsch auch minder nicht sein: Peinling benenne ihn doch! Irenaeus securius. Literatur. Literarische Modelle und andre Geschichten von Ferdinand Groß. Berlin, S. Fischer, 1887. Der Titel dieser Sammlung von Feuilletons ist geschickt gewählt und verrät den gewandten Journalisten. Das Modell überhaupt und das literarische Modell insbesondre find Begriffe, welche gerade in der letzten Zeit dem großen Publikum sehr geläufig geworden sind. Maler Graefs Skandalprozeß hat ganze Bände von ästhetischen Abhandlungen über das Künstlermodell hervorgerufen; und in den Kreisen der Literarhistoriker, insbesondre der Goetheforschcr, ist die Suche nach den Modellen seiner poetischen Gestalten der allerneueste Sport, gilt als das aller¬ höchste Problem der literarischen Forschung. Gleichwohl ist Ferdinand Groß nicht der erste Feuilletonist, der den Titel „Modelle" verwertet; Fritz Mauthner hat

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/455>, abgerufen am 17.09.2024.