Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.deuten und Schüler sind bekanntlich unifvrmirt und natürlich auch die "Gaset- Auch Prozessionen ziehen zuweilen durch die Straßen, wie am 1. August Zur Überwachung dieses ganzen regen Verkehrs dient natürlich eine zahl¬ deuten und Schüler sind bekanntlich unifvrmirt und natürlich auch die „Gaset- Auch Prozessionen ziehen zuweilen durch die Straßen, wie am 1. August Zur Überwachung dieses ganzen regen Verkehrs dient natürlich eine zahl¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0446" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/288899"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1256" prev="#ID_1255"> deuten und Schüler sind bekanntlich unifvrmirt und natürlich auch die „Gaset-<lb/> uiks," die Zeitungsvcrkäufer, die an jeder Straßenecke ihre Waare feilbieten.<lb/> Sonderbar genug berührt es, daß alle diese Uniformträger fast niemals ohne<lb/> den schweren, grauen Tuchmantel erscheinen, selbst in brennender Mittagssonne<lb/> und zu Fuß. Wenn die Uniformen der Zivilbeamten noch ganz preußisch¬<lb/> deutschen Schnitt tragen, so ist die Armee schon ganz und gar, mit Ausnahme<lb/> einiger Garderegimenter, „national" ausgerüstet. Die Infanterie trägt den<lb/> dunkelgrünen Halbkaftan, ohne Knöpfe, durch Heftel schräg über die Brust zu¬<lb/> sammengehalten und durch einen schwarzen Ledergürtel um die Hüfte, die<lb/> dunkeln Beinkleider in hohen Stiefeln, auf dem Kopf die niedrige, schwarze,<lb/> schirmlose Lammfellmütze mit der schwär^weißorangenen Kokarde, an deren Stelle<lb/> außer Dienst eine ebenfalls schirmlose, breite Deckelmütze tritt, die Reiterei eine<lb/> dragonerblaue Uniform desselben Schnitts. Die Offiziere führen den Säbel<lb/> in schwarzer Lederscheide am goldnen Bandelier, die Schneide nach vorn, ebenso<lb/> die Reiterei. Da während des Sommers die Petersburger Truppen im Lager<lb/> von Krasnoe Scio zusammengezogen sind, so ist in der Stadt selbst wenig Militär<lb/> zu sehen; was aber davon sich zeigt, Posten, Offiziere, kleinere Abteilungen,<lb/> macht in seiner Haltung einen günstigen Eindruck; freilich sind es durchweg<lb/> Gardctruppen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1257"> Auch Prozessionen ziehen zuweilen durch die Straßen, wie am 1. August<lb/> von allen Kirchen zum S. Jsaak, vorauf Geistliche im Ornat, in ihrem Geleite<lb/> zahlreiche große Heiligenbilder und Scharen von Andächtigen, alle entblößten<lb/> Hauptes, wie auch auf der Straße alles stehen bleibt und in andächtiger oder<lb/> mindestens achtungsvoller Haltung den Zug vorübergehen läßt; denn die Russen<lb/> sind streng kirchlich, und man sieht die meisten Leute aus dem Volke an<lb/> jedem Heiligeübilde, jeder Kirche sich eifrig bekreuzigen, auch wenn sie in der<lb/> Pferdebahn fahren; ganz bestimmt versäumt das kein Jswoschtschik, wenn er<lb/> die Nikolaibrücke hinauf an der Kapelle des Heiligen vorüberjagt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1258"> Zur Überwachung dieses ganzen regen Verkehrs dient natürlich eine zahl¬<lb/> reiche Polizei. Kaiserliche Gensdarmen in etwas phantastisch aufgeputzter „natio¬<lb/> naler" hellblauer Uniform mit der schwarzen Lammfellmütze, aus der hinter<lb/> dem weißen Federstutz eine rote Kappe hervorsieht, stehen nur an den Ein¬<lb/> gängen kaiserlicher Gebäude oder Gärten Posten; im übrigen versehen den<lb/> Sicherheitsdienst städtische Polizisten, „Gorodowojs," in dunkelgrüner Uniform<lb/> und breiter Schirmmütze, den Säbel in der Lederscheide, meist stattliche und<lb/> höfliche Leute, zu jeder Auskunft bereit und zuweilen auch des Deutschen<lb/> mächtig. Eine Art Hauspolizei üben die „Schweizer," Hausmeister, nicht zu<lb/> verwechseln mit den Dwvrniks, den Hausknechten, deren jedes größere Haus<lb/> mehrere besitzt. Sie führen das Haushund, sitzen am Tage vor der Thür und<lb/> sind auch in der Nacht immer auf dem Posten; wann sie schlafen, bleibt<lb/> dunkel.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0446]
deuten und Schüler sind bekanntlich unifvrmirt und natürlich auch die „Gaset-
uiks," die Zeitungsvcrkäufer, die an jeder Straßenecke ihre Waare feilbieten.
Sonderbar genug berührt es, daß alle diese Uniformträger fast niemals ohne
den schweren, grauen Tuchmantel erscheinen, selbst in brennender Mittagssonne
und zu Fuß. Wenn die Uniformen der Zivilbeamten noch ganz preußisch¬
deutschen Schnitt tragen, so ist die Armee schon ganz und gar, mit Ausnahme
einiger Garderegimenter, „national" ausgerüstet. Die Infanterie trägt den
dunkelgrünen Halbkaftan, ohne Knöpfe, durch Heftel schräg über die Brust zu¬
sammengehalten und durch einen schwarzen Ledergürtel um die Hüfte, die
dunkeln Beinkleider in hohen Stiefeln, auf dem Kopf die niedrige, schwarze,
schirmlose Lammfellmütze mit der schwär^weißorangenen Kokarde, an deren Stelle
außer Dienst eine ebenfalls schirmlose, breite Deckelmütze tritt, die Reiterei eine
dragonerblaue Uniform desselben Schnitts. Die Offiziere führen den Säbel
in schwarzer Lederscheide am goldnen Bandelier, die Schneide nach vorn, ebenso
die Reiterei. Da während des Sommers die Petersburger Truppen im Lager
von Krasnoe Scio zusammengezogen sind, so ist in der Stadt selbst wenig Militär
zu sehen; was aber davon sich zeigt, Posten, Offiziere, kleinere Abteilungen,
macht in seiner Haltung einen günstigen Eindruck; freilich sind es durchweg
Gardctruppen.
Auch Prozessionen ziehen zuweilen durch die Straßen, wie am 1. August
von allen Kirchen zum S. Jsaak, vorauf Geistliche im Ornat, in ihrem Geleite
zahlreiche große Heiligenbilder und Scharen von Andächtigen, alle entblößten
Hauptes, wie auch auf der Straße alles stehen bleibt und in andächtiger oder
mindestens achtungsvoller Haltung den Zug vorübergehen läßt; denn die Russen
sind streng kirchlich, und man sieht die meisten Leute aus dem Volke an
jedem Heiligeübilde, jeder Kirche sich eifrig bekreuzigen, auch wenn sie in der
Pferdebahn fahren; ganz bestimmt versäumt das kein Jswoschtschik, wenn er
die Nikolaibrücke hinauf an der Kapelle des Heiligen vorüberjagt.
Zur Überwachung dieses ganzen regen Verkehrs dient natürlich eine zahl¬
reiche Polizei. Kaiserliche Gensdarmen in etwas phantastisch aufgeputzter „natio¬
naler" hellblauer Uniform mit der schwarzen Lammfellmütze, aus der hinter
dem weißen Federstutz eine rote Kappe hervorsieht, stehen nur an den Ein¬
gängen kaiserlicher Gebäude oder Gärten Posten; im übrigen versehen den
Sicherheitsdienst städtische Polizisten, „Gorodowojs," in dunkelgrüner Uniform
und breiter Schirmmütze, den Säbel in der Lederscheide, meist stattliche und
höfliche Leute, zu jeder Auskunft bereit und zuweilen auch des Deutschen
mächtig. Eine Art Hauspolizei üben die „Schweizer," Hausmeister, nicht zu
verwechseln mit den Dwvrniks, den Hausknechten, deren jedes größere Haus
mehrere besitzt. Sie führen das Haushund, sitzen am Tage vor der Thür und
sind auch in der Nacht immer auf dem Posten; wann sie schlafen, bleibt
dunkel.
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