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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Der Friede mit Rom.

Vonseiten der staatlichen Gewalten ist alles geschehen, um den Frieden zu schließen;
niemand ist berechtigt, zu zweifeln, daß alles geschehen wird, um den Frieden
zu erhalten. Hat das Oberhaupt der katholischen Kirche eingesehen, daß
dieser mehr der Friede als der Kampf frommt, so ist zu hoffen, daß es seine
Macht benutzen wird, um den friedenstörendeu Elementen em heilsames Halt
zuzurufen. Schon sind günstige Anzeichen aller Art für diese Gesinnung vor¬
handen; im Jahre 1871 hat Pius IX. das feindselige Auftreten des Zentrums
gegen den Staat gebilligt und im weiter" Verlaufe des Kampfes mehr und mehr
aufgestachelt, im Jahre 1837 hat Leo XIII. in verschiednen Kundgebungen seine
Meinung dahin geäußert, daß das Zentrum keinen Grund habe, als politische
Partei fortzubestehen, und daß die Rechte der Kirche zu vertreten acht Sache
einer Partei, sondern des römischen Stuhles sei. Für die evangelische Bevöl-
kerung hat der Friede mit Rom keine das kirchliche Leben berührende Bedeu¬
tung; er wird ihr aber diejenigen Vorteile verschaffen, welche mit jedem Frieden
nach langen innern Kämpfen verbunden sind. Glaubt die evangelische Kirche, daß
der Katholizismus nun die aus dem Kampfe gegen den Staat freigewordenen
Kräfte benutzen werde, um sich gegen den Protestantismus auszubreiten, so
hoffen wir. daß demselben noch dieselben Waffen zu Gebote stehen, die einst
Luther gegen die gewaltige Macht des Romanismus gebraucht hat; das aber
waren Waffen des freien Geistes.

Die Gegenwart ist kein objektiver Beurteiler der Dinge, welche sie mit er¬
lebt; der Parteien Gunst und Haß läßt das Geschehene in einem falschen, bald
zu hellen, bald zu trüben Lichte erscheinen. Erst die folgenden Geschlechter
werden die merkwürdige Periode des preußischen Kulturkampfes gerechter schätzen;
sie werden es beklagen, daß das deutsche Volk in deu ersten fünfzehn Jahren
seiner heißersehnten und blutig errungenen Einheit in langen innern Streitig¬
keiten seine besten Kräfte hat verschwenden müssen; sie werden es aber auch
bewundern, daß ungeachtet dieser Kämpfe das junge Reich auch die Kraftprobe
abgelegt hat, trotz derselben zu wachsen und sich zu befestigen, und sie werden
ihre Anerkennung auch dem Staatsmanne nicht versagen, der sich nicht scheute,
den Kampf aufzunehmen, als er nötig war. und zu beendige.,, sobald sich die
Möglichkeit zeigte, einen Frieden zu schließen, der weder der Staatshoheit noch
der Kirche zu nahe tritt.




Grenzbowl 11. 1887.
Der Friede mit Rom.

Vonseiten der staatlichen Gewalten ist alles geschehen, um den Frieden zu schließen;
niemand ist berechtigt, zu zweifeln, daß alles geschehen wird, um den Frieden
zu erhalten. Hat das Oberhaupt der katholischen Kirche eingesehen, daß
dieser mehr der Friede als der Kampf frommt, so ist zu hoffen, daß es seine
Macht benutzen wird, um den friedenstörendeu Elementen em heilsames Halt
zuzurufen. Schon sind günstige Anzeichen aller Art für diese Gesinnung vor¬
handen; im Jahre 1871 hat Pius IX. das feindselige Auftreten des Zentrums
gegen den Staat gebilligt und im weiter» Verlaufe des Kampfes mehr und mehr
aufgestachelt, im Jahre 1837 hat Leo XIII. in verschiednen Kundgebungen seine
Meinung dahin geäußert, daß das Zentrum keinen Grund habe, als politische
Partei fortzubestehen, und daß die Rechte der Kirche zu vertreten acht Sache
einer Partei, sondern des römischen Stuhles sei. Für die evangelische Bevöl-
kerung hat der Friede mit Rom keine das kirchliche Leben berührende Bedeu¬
tung; er wird ihr aber diejenigen Vorteile verschaffen, welche mit jedem Frieden
nach langen innern Kämpfen verbunden sind. Glaubt die evangelische Kirche, daß
der Katholizismus nun die aus dem Kampfe gegen den Staat freigewordenen
Kräfte benutzen werde, um sich gegen den Protestantismus auszubreiten, so
hoffen wir. daß demselben noch dieselben Waffen zu Gebote stehen, die einst
Luther gegen die gewaltige Macht des Romanismus gebraucht hat; das aber
waren Waffen des freien Geistes.

Die Gegenwart ist kein objektiver Beurteiler der Dinge, welche sie mit er¬
lebt; der Parteien Gunst und Haß läßt das Geschehene in einem falschen, bald
zu hellen, bald zu trüben Lichte erscheinen. Erst die folgenden Geschlechter
werden die merkwürdige Periode des preußischen Kulturkampfes gerechter schätzen;
sie werden es beklagen, daß das deutsche Volk in deu ersten fünfzehn Jahren
seiner heißersehnten und blutig errungenen Einheit in langen innern Streitig¬
keiten seine besten Kräfte hat verschwenden müssen; sie werden es aber auch
bewundern, daß ungeachtet dieser Kämpfe das junge Reich auch die Kraftprobe
abgelegt hat, trotz derselben zu wachsen und sich zu befestigen, und sie werden
ihre Anerkennung auch dem Staatsmanne nicht versagen, der sich nicht scheute,
den Kampf aufzunehmen, als er nötig war. und zu beendige.,, sobald sich die
Möglichkeit zeigte, einen Frieden zu schließen, der weder der Staatshoheit noch
der Kirche zu nahe tritt.




Grenzbowl 11. 1887.
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[0417] Der Friede mit Rom. Vonseiten der staatlichen Gewalten ist alles geschehen, um den Frieden zu schließen; niemand ist berechtigt, zu zweifeln, daß alles geschehen wird, um den Frieden zu erhalten. Hat das Oberhaupt der katholischen Kirche eingesehen, daß dieser mehr der Friede als der Kampf frommt, so ist zu hoffen, daß es seine Macht benutzen wird, um den friedenstörendeu Elementen em heilsames Halt zuzurufen. Schon sind günstige Anzeichen aller Art für diese Gesinnung vor¬ handen; im Jahre 1871 hat Pius IX. das feindselige Auftreten des Zentrums gegen den Staat gebilligt und im weiter» Verlaufe des Kampfes mehr und mehr aufgestachelt, im Jahre 1837 hat Leo XIII. in verschiednen Kundgebungen seine Meinung dahin geäußert, daß das Zentrum keinen Grund habe, als politische Partei fortzubestehen, und daß die Rechte der Kirche zu vertreten acht Sache einer Partei, sondern des römischen Stuhles sei. Für die evangelische Bevöl- kerung hat der Friede mit Rom keine das kirchliche Leben berührende Bedeu¬ tung; er wird ihr aber diejenigen Vorteile verschaffen, welche mit jedem Frieden nach langen innern Kämpfen verbunden sind. Glaubt die evangelische Kirche, daß der Katholizismus nun die aus dem Kampfe gegen den Staat freigewordenen Kräfte benutzen werde, um sich gegen den Protestantismus auszubreiten, so hoffen wir. daß demselben noch dieselben Waffen zu Gebote stehen, die einst Luther gegen die gewaltige Macht des Romanismus gebraucht hat; das aber waren Waffen des freien Geistes. Die Gegenwart ist kein objektiver Beurteiler der Dinge, welche sie mit er¬ lebt; der Parteien Gunst und Haß läßt das Geschehene in einem falschen, bald zu hellen, bald zu trüben Lichte erscheinen. Erst die folgenden Geschlechter werden die merkwürdige Periode des preußischen Kulturkampfes gerechter schätzen; sie werden es beklagen, daß das deutsche Volk in deu ersten fünfzehn Jahren seiner heißersehnten und blutig errungenen Einheit in langen innern Streitig¬ keiten seine besten Kräfte hat verschwenden müssen; sie werden es aber auch bewundern, daß ungeachtet dieser Kämpfe das junge Reich auch die Kraftprobe abgelegt hat, trotz derselben zu wachsen und sich zu befestigen, und sie werden ihre Anerkennung auch dem Staatsmanne nicht versagen, der sich nicht scheute, den Kampf aufzunehmen, als er nötig war. und zu beendige.,, sobald sich die Möglichkeit zeigte, einen Frieden zu schließen, der weder der Staatshoheit noch der Kirche zu nahe tritt. Grenzbowl 11. 1887.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/417>, abgerufen am 17.09.2024.