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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Der Friede mit Rom.

es trotz des guten Einvernehmens zwischen Regierung und Papst bisher nicht
möglich war, durch die Wahl der Domkapitel einen Kandidaten zu erhalten,
den die Regierung als genehm hätte bestätigen können. Immer mußten über den
Kopf der Domkapitel hinweg König und Papst sich über den Bischofskaud.baten
einigen. Man darf der Hoffnung Ausdruck geben, daß alle ose Elemente
mit dem Ende des Kampfes aussterben werden; wenn der Sumpfboden für vie
Kultur wiedergewonnen wird, dann sterben auch die Molche und Schlangen,
die in ihm gehaust haben. Aber es wird hierzu einer Übergangszeit bedürfen,
in der es von Wichtigkeit ist, daß wieder friedliebende und thatkräftige Männer
die bischöflichen Sitze einnehmen und die gelockerte kirchliche Zucht wieder¬
herstellen. Denn das kirchliche und staatliche Leben der Menschen ist acht o
von einander getrennt, daß ohne Schaden für die kirchliche Autorität die staatliche
angegriffen werden kann; die Schwächung der letztern hat die der erstem not¬
wendig zur Folge, und wenn das weltliche Schwert stumpf geworden und acht
mehr imstande ist - wie der Sachsenspiegel sagt - ..die Christenheit zu be¬
schirmen", dann vermag auch das geistliche Schwert den Unglauben und
Laster nicht zu bekämpfen. Es liegt ebenso im Interesse der Kirche und de" Papst¬
tums, und vielleicht in einem noch höheren Grade, als in dem Interesse des Saat^die unbotmäßig gewordenen Kleriker zu Zucht und Gehorsam zurückzuführen, ^s
ist bekannt, daß die Wiederbesetzunq der bischöflichen Stühle in Posen und Köln
mehr noch von der Kurie angestrebt wurde, weil sich die Klagen über den Zer¬
fall der Kirchenzucht täglich mehrten. Die letzten Wahlkämpfe haben eine Er¬
scheinung ans Licht gezogen, über welche man mehr noch in den Kammern
des Vatikans als in den Bureaus der preußischen Ministerien nachzudenken
haben wird, eine Erscheinung, die auch in dem Schlußsätze des pavMchen
Vrevcs an den Erzbischof von Köln einen verschleierten, aber für den Kundigen
deutlichen Ausdruck erhalten hat. Denn hier spricht der Papst die Hoffnung
aus. daß die deutschen Katholiken fortfahren werden, im Papste den Auge -
Punkt der Kirche zu verehren. Wer die Sprache der römischen Kurie kennt,
wird wissen, daß ein so selbstverständlicher Satz nicht ohne Grund ausgesprochen
wird. Es war in der That merkwürdig, daß siebzehn Jahre nach Verkündi¬
gung der päpstlichen Unfehlbarkeit und nach Unterwerfung des anfangs wider¬
strebenden deutschen Episkopats unter dieselbe in den katholischen deutschen
Organen dieses selbe Papsttum auch in seinen kirchlichen Befugnissen aufs
heftigste angegriffen wurde. Zu wiederholte., malen ist in diesen Blättern auf
die revolutionäre Bewegung in der katholischen Welt hingewiesen worden; o^e
Bewegung trat in ihrer Richtung gegen das Papsttum seit dem JnfallilMtat^-
dogma nie so offen auf, wie in den letzten Monaten in Deutschland, und wenn
die Kurie erwog, wie dieses Dogma hier einst bekämpft worden ist, so wird sie
lebhaft haben wünschen müssen daß die Zustände beseitigt würden, welche
ein so gefährliches Bild im Zukunftsfpicgel zeigten. Diese Bewegung der


Der Friede mit Rom.

es trotz des guten Einvernehmens zwischen Regierung und Papst bisher nicht
möglich war, durch die Wahl der Domkapitel einen Kandidaten zu erhalten,
den die Regierung als genehm hätte bestätigen können. Immer mußten über den
Kopf der Domkapitel hinweg König und Papst sich über den Bischofskaud.baten
einigen. Man darf der Hoffnung Ausdruck geben, daß alle ose Elemente
mit dem Ende des Kampfes aussterben werden; wenn der Sumpfboden für vie
Kultur wiedergewonnen wird, dann sterben auch die Molche und Schlangen,
die in ihm gehaust haben. Aber es wird hierzu einer Übergangszeit bedürfen,
in der es von Wichtigkeit ist, daß wieder friedliebende und thatkräftige Männer
die bischöflichen Sitze einnehmen und die gelockerte kirchliche Zucht wieder¬
herstellen. Denn das kirchliche und staatliche Leben der Menschen ist acht o
von einander getrennt, daß ohne Schaden für die kirchliche Autorität die staatliche
angegriffen werden kann; die Schwächung der letztern hat die der erstem not¬
wendig zur Folge, und wenn das weltliche Schwert stumpf geworden und acht
mehr imstande ist - wie der Sachsenspiegel sagt - ..die Christenheit zu be¬
schirmen", dann vermag auch das geistliche Schwert den Unglauben und
Laster nicht zu bekämpfen. Es liegt ebenso im Interesse der Kirche und de» Papst¬
tums, und vielleicht in einem noch höheren Grade, als in dem Interesse des Saat^die unbotmäßig gewordenen Kleriker zu Zucht und Gehorsam zurückzuführen, ^s
ist bekannt, daß die Wiederbesetzunq der bischöflichen Stühle in Posen und Köln
mehr noch von der Kurie angestrebt wurde, weil sich die Klagen über den Zer¬
fall der Kirchenzucht täglich mehrten. Die letzten Wahlkämpfe haben eine Er¬
scheinung ans Licht gezogen, über welche man mehr noch in den Kammern
des Vatikans als in den Bureaus der preußischen Ministerien nachzudenken
haben wird, eine Erscheinung, die auch in dem Schlußsätze des pavMchen
Vrevcs an den Erzbischof von Köln einen verschleierten, aber für den Kundigen
deutlichen Ausdruck erhalten hat. Denn hier spricht der Papst die Hoffnung
aus. daß die deutschen Katholiken fortfahren werden, im Papste den Auge -
Punkt der Kirche zu verehren. Wer die Sprache der römischen Kurie kennt,
wird wissen, daß ein so selbstverständlicher Satz nicht ohne Grund ausgesprochen
wird. Es war in der That merkwürdig, daß siebzehn Jahre nach Verkündi¬
gung der päpstlichen Unfehlbarkeit und nach Unterwerfung des anfangs wider¬
strebenden deutschen Episkopats unter dieselbe in den katholischen deutschen
Organen dieses selbe Papsttum auch in seinen kirchlichen Befugnissen aufs
heftigste angegriffen wurde. Zu wiederholte., malen ist in diesen Blättern auf
die revolutionäre Bewegung in der katholischen Welt hingewiesen worden; o^e
Bewegung trat in ihrer Richtung gegen das Papsttum seit dem JnfallilMtat^-
dogma nie so offen auf, wie in den letzten Monaten in Deutschland, und wenn
die Kurie erwog, wie dieses Dogma hier einst bekämpft worden ist, so wird sie
lebhaft haben wünschen müssen daß die Zustände beseitigt würden, welche
ein so gefährliches Bild im Zukunftsfpicgel zeigten. Diese Bewegung der


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[0405] Der Friede mit Rom. es trotz des guten Einvernehmens zwischen Regierung und Papst bisher nicht möglich war, durch die Wahl der Domkapitel einen Kandidaten zu erhalten, den die Regierung als genehm hätte bestätigen können. Immer mußten über den Kopf der Domkapitel hinweg König und Papst sich über den Bischofskaud.baten einigen. Man darf der Hoffnung Ausdruck geben, daß alle ose Elemente mit dem Ende des Kampfes aussterben werden; wenn der Sumpfboden für vie Kultur wiedergewonnen wird, dann sterben auch die Molche und Schlangen, die in ihm gehaust haben. Aber es wird hierzu einer Übergangszeit bedürfen, in der es von Wichtigkeit ist, daß wieder friedliebende und thatkräftige Männer die bischöflichen Sitze einnehmen und die gelockerte kirchliche Zucht wieder¬ herstellen. Denn das kirchliche und staatliche Leben der Menschen ist acht o von einander getrennt, daß ohne Schaden für die kirchliche Autorität die staatliche angegriffen werden kann; die Schwächung der letztern hat die der erstem not¬ wendig zur Folge, und wenn das weltliche Schwert stumpf geworden und acht mehr imstande ist - wie der Sachsenspiegel sagt - ..die Christenheit zu be¬ schirmen", dann vermag auch das geistliche Schwert den Unglauben und Laster nicht zu bekämpfen. Es liegt ebenso im Interesse der Kirche und de» Papst¬ tums, und vielleicht in einem noch höheren Grade, als in dem Interesse des Saat^die unbotmäßig gewordenen Kleriker zu Zucht und Gehorsam zurückzuführen, ^s ist bekannt, daß die Wiederbesetzunq der bischöflichen Stühle in Posen und Köln mehr noch von der Kurie angestrebt wurde, weil sich die Klagen über den Zer¬ fall der Kirchenzucht täglich mehrten. Die letzten Wahlkämpfe haben eine Er¬ scheinung ans Licht gezogen, über welche man mehr noch in den Kammern des Vatikans als in den Bureaus der preußischen Ministerien nachzudenken haben wird, eine Erscheinung, die auch in dem Schlußsätze des pavMchen Vrevcs an den Erzbischof von Köln einen verschleierten, aber für den Kundigen deutlichen Ausdruck erhalten hat. Denn hier spricht der Papst die Hoffnung aus. daß die deutschen Katholiken fortfahren werden, im Papste den Auge - Punkt der Kirche zu verehren. Wer die Sprache der römischen Kurie kennt, wird wissen, daß ein so selbstverständlicher Satz nicht ohne Grund ausgesprochen wird. Es war in der That merkwürdig, daß siebzehn Jahre nach Verkündi¬ gung der päpstlichen Unfehlbarkeit und nach Unterwerfung des anfangs wider¬ strebenden deutschen Episkopats unter dieselbe in den katholischen deutschen Organen dieses selbe Papsttum auch in seinen kirchlichen Befugnissen aufs heftigste angegriffen wurde. Zu wiederholte., malen ist in diesen Blättern auf die revolutionäre Bewegung in der katholischen Welt hingewiesen worden; o^e Bewegung trat in ihrer Richtung gegen das Papsttum seit dem JnfallilMtat^- dogma nie so offen auf, wie in den letzten Monaten in Deutschland, und wenn die Kurie erwog, wie dieses Dogma hier einst bekämpft worden ist, so wird sie lebhaft haben wünschen müssen daß die Zustände beseitigt würden, welche ein so gefährliches Bild im Zukunftsfpicgel zeigten. Diese Bewegung der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/405>, abgerufen am 17.09.2024.