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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Der Friede mit Rom.

aß das Gesetz vom 29. April 1887. betreffend die Abänderungen
der kirchenpolitischen Gesetze, einen Markstein bezeichnet in den
Beziehungen zwischen dem Staat und der katholischen Kirche,
darüber giebt es weder uuter den kirchlichen noch unter den
politischen Parteien Streit. Die Vertreter der beiderseitigen
Interessen, die preußische Regierung und der Reichskanzler un Namen des
Staates und der Papst als der nach ihren Satzungen allein berufene Repräsen¬
tant der katholischen Kirche, sind sogar der Meinung, daß das Gesetz die Grund¬
lagen hergestellt habe, auf welche" Staat und Kirche neben einander friedlich
bestehen und friedlich wirken können. Nach den Erfahrungen der Geschichte
können freilich beide nicht daran denken, daß ein Friede auf ewige Zeiten er¬
rungen sei; auch die Friedenstraktate, welche blutige Kriege beschließen, enthalten
eine sakramentale Formel für die Befestigung des ewigen Friedens, und trotz¬
dem sind immer und immer wieder neue Kriege entstanden. Die Beziehungen
zwischen Staat und Kirche sind nicht zu trennen von dem gesamten Kulturleben
des Volkes, sie wechseln mit diesem und den Strömungen, die es bewegen, das
Höchste, was erreicht werden kann, ist das. diese Beziehungen nach den wohlver¬
standenen Bedürfnissen und Anschauungen der Gegenwart zu regeln, einen moäus
viveiM zu schaffen in der Hoffnung und in dem guten Willen. Streitpunkte
möglichst zu vermeiden und sie in Zukunft, wenn sie auftauchen, durch freund¬
schaftliche Verhandlungen beizulegen. Für die Staatsregierung mit dem evange¬
lischen Herrscherhause und der überwiegend evangelischen Bevölkerung muß ,n einem
paritätischen Staate, wo die Konfessionen gleiche Rechte haben müssen, der ka¬
tholischen Kirche gegenüber das Ziel erstrebt werden, die guten und billig
denkenden katholischen Staatsbürger zufrieden zu stellen, ihnen nach den mo-


Grenzbotm II. 1887.


Der Friede mit Rom.

aß das Gesetz vom 29. April 1887. betreffend die Abänderungen
der kirchenpolitischen Gesetze, einen Markstein bezeichnet in den
Beziehungen zwischen dem Staat und der katholischen Kirche,
darüber giebt es weder uuter den kirchlichen noch unter den
politischen Parteien Streit. Die Vertreter der beiderseitigen
Interessen, die preußische Regierung und der Reichskanzler un Namen des
Staates und der Papst als der nach ihren Satzungen allein berufene Repräsen¬
tant der katholischen Kirche, sind sogar der Meinung, daß das Gesetz die Grund¬
lagen hergestellt habe, auf welche» Staat und Kirche neben einander friedlich
bestehen und friedlich wirken können. Nach den Erfahrungen der Geschichte
können freilich beide nicht daran denken, daß ein Friede auf ewige Zeiten er¬
rungen sei; auch die Friedenstraktate, welche blutige Kriege beschließen, enthalten
eine sakramentale Formel für die Befestigung des ewigen Friedens, und trotz¬
dem sind immer und immer wieder neue Kriege entstanden. Die Beziehungen
zwischen Staat und Kirche sind nicht zu trennen von dem gesamten Kulturleben
des Volkes, sie wechseln mit diesem und den Strömungen, die es bewegen, das
Höchste, was erreicht werden kann, ist das. diese Beziehungen nach den wohlver¬
standenen Bedürfnissen und Anschauungen der Gegenwart zu regeln, einen moäus
viveiM zu schaffen in der Hoffnung und in dem guten Willen. Streitpunkte
möglichst zu vermeiden und sie in Zukunft, wenn sie auftauchen, durch freund¬
schaftliche Verhandlungen beizulegen. Für die Staatsregierung mit dem evange¬
lischen Herrscherhause und der überwiegend evangelischen Bevölkerung muß ,n einem
paritätischen Staate, wo die Konfessionen gleiche Rechte haben müssen, der ka¬
tholischen Kirche gegenüber das Ziel erstrebt werden, die guten und billig
denkenden katholischen Staatsbürger zufrieden zu stellen, ihnen nach den mo-


Grenzbotm II. 1887.
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[0401] [Abbildung] Der Friede mit Rom. aß das Gesetz vom 29. April 1887. betreffend die Abänderungen der kirchenpolitischen Gesetze, einen Markstein bezeichnet in den Beziehungen zwischen dem Staat und der katholischen Kirche, darüber giebt es weder uuter den kirchlichen noch unter den politischen Parteien Streit. Die Vertreter der beiderseitigen Interessen, die preußische Regierung und der Reichskanzler un Namen des Staates und der Papst als der nach ihren Satzungen allein berufene Repräsen¬ tant der katholischen Kirche, sind sogar der Meinung, daß das Gesetz die Grund¬ lagen hergestellt habe, auf welche» Staat und Kirche neben einander friedlich bestehen und friedlich wirken können. Nach den Erfahrungen der Geschichte können freilich beide nicht daran denken, daß ein Friede auf ewige Zeiten er¬ rungen sei; auch die Friedenstraktate, welche blutige Kriege beschließen, enthalten eine sakramentale Formel für die Befestigung des ewigen Friedens, und trotz¬ dem sind immer und immer wieder neue Kriege entstanden. Die Beziehungen zwischen Staat und Kirche sind nicht zu trennen von dem gesamten Kulturleben des Volkes, sie wechseln mit diesem und den Strömungen, die es bewegen, das Höchste, was erreicht werden kann, ist das. diese Beziehungen nach den wohlver¬ standenen Bedürfnissen und Anschauungen der Gegenwart zu regeln, einen moäus viveiM zu schaffen in der Hoffnung und in dem guten Willen. Streitpunkte möglichst zu vermeiden und sie in Zukunft, wenn sie auftauchen, durch freund¬ schaftliche Verhandlungen beizulegen. Für die Staatsregierung mit dem evange¬ lischen Herrscherhause und der überwiegend evangelischen Bevölkerung muß ,n einem paritätischen Staate, wo die Konfessionen gleiche Rechte haben müssen, der ka¬ tholischen Kirche gegenüber das Ziel erstrebt werden, die guten und billig denkenden katholischen Staatsbürger zufrieden zu stellen, ihnen nach den mo- Grenzbotm II. 1887.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/401>, abgerufen am 17.09.2024.