Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.Russische Skizzen. schmucklose Sarkophage von bläulichweißem Marmor. Unter diesen ruhen die Von der Festung wenige hundert Schritte newaaufwärts liegt die älteste Wer nun nach Wassily Ostrow will, der kann mittels der kräftigen Arme Russische Skizzen. schmucklose Sarkophage von bläulichweißem Marmor. Unter diesen ruhen die Von der Festung wenige hundert Schritte newaaufwärts liegt die älteste Wer nun nach Wassily Ostrow will, der kann mittels der kräftigen Arme <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0392" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/288845"/> <fw type="header" place="top"> Russische Skizzen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1123" prev="#ID_1122"> schmucklose Sarkophage von bläulichweißem Marmor. Unter diesen ruhen die<lb/> Herrscher Rußlands seit Peter dem Großen alle außer Peter III., auch<lb/> Alexander II. Sein Grab ist beständig mit frischen Kränzen bedeckt, darüber<lb/> hängen an der Wand die kostbaren Ehrengeschenke, welche fremde Fürsten an<lb/> seinem Sarge niedergelegt haben. Unteroffiziere der Garde, stattliche Leute<lb/> von bescheidnen Wesen, geben die Erklärung, doch nur dem, der sie verlangt,<lb/> kriegerische Trophäen schmücken die einfach weißen Pfeiler unter vergoldeten<lb/> Kapitalen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1124"> Von der Festung wenige hundert Schritte newaaufwärts liegt die älteste<lb/> Kirche Petersburgs, ein schlichter Holzbau von 1?03, und ganz in der Nähe<lb/> das Haus, von dem Peter den Bau seiner neuen Hauptstadt geleitet hat, ein<lb/> Erdgeschoßbau von Holz, doch wie ein Ziegelrohbau bemalt, mit breiten, hellen<lb/> Fenstern nach holländischer Weise und nichts weiter enthaltend als zwei Zimmer<lb/> und die Küche. Das zur linken Hand der kleinen Hausflur ist jetzt in eine<lb/> Kapelle verwandelt und mit Heiligenbildern überladen, als wenn dieser Kraft¬<lb/> mensch zu einem Nationalheiligen gemacht werden sollte; das andre bewahrt<lb/> Geräte und Möbel auf, die er gebraucht hat. Zum Schutze ist jetzt das Ganze<lb/> von einem Schutzdach auf Ziegelarkaden überbaut und von einem Garten<lb/> umgeben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1125" next="#ID_1126"> Wer nun nach Wassily Ostrow will, der kann mittels der kräftigen Arme<lb/> eines Gondelführers (Jailik) in wenigen Minuten an der Strjelka unter¬<lb/> halb der Börse landen, oder auf dem langen Wege über das alte Glacis der<lb/> Festung, das jetzt der belebte Alexanderpark und der Zoologische Garten be¬<lb/> decken, nach dem Großen Prospekt der Petersburger Seite und von da, die<lb/> lange hölzerne Tutschkowbrücke überschreitend, nach der „ersten Linie" von<lb/> Wassily Ostrow gelangen. Dieser Stadtteil, zwischen der kleinen und großen<lb/> Newa sich ausbreitend, vereinigt auf seinem niedrigen Jnsellande sehr verschieden¬<lb/> artige Elemente. Die westliche Hälfte nach dem Meere zu gehört dem Handel<lb/> und den Fabriken; namentlich große Gerbereien ziehen sich dort längs des<lb/> Gestades hin, und beherrschend erhebt sich hier die „Baltische Werft," auf<lb/> welcher die größten Kriegsschiffe entstehen. Die östliche Hälfte ist zugleich das<lb/> lateinische Viertel und das bevorzugte Quartier der deutschen Einwohnerschaft.<lb/> Drei schnurgerade, breite Prospekte, der „Große Prospekt" mit Anlagen und<lb/> Gärten auf beiden Seiten der Fahrbahn, schneiden von Ost nach West<lb/> rechtwinklig ebenso schnurgerade Straßen, deren einzelne Häuserreihen als<lb/> Linien bezeichnet und einzeln gezählt werden. Manche stattliche Gebäude<lb/> und Kirchen, darunter die deutsche Katharinenkirche, heben den im ganzen<lb/> bescheidnen Charakter dieses Stadtviertels nicht ans; nur die Newa entlang<lb/> überwiegen hochstöckige Häuser, und an der Ostspitze drängen sich die großen<lb/> „Kronsgebäude" der wissenschaftlichen Institute, von denen schon vorher die<lb/> Rede war. Hier im östlichen Teile liegen neben andern Schulen, z. B. der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0392]
Russische Skizzen.
schmucklose Sarkophage von bläulichweißem Marmor. Unter diesen ruhen die
Herrscher Rußlands seit Peter dem Großen alle außer Peter III., auch
Alexander II. Sein Grab ist beständig mit frischen Kränzen bedeckt, darüber
hängen an der Wand die kostbaren Ehrengeschenke, welche fremde Fürsten an
seinem Sarge niedergelegt haben. Unteroffiziere der Garde, stattliche Leute
von bescheidnen Wesen, geben die Erklärung, doch nur dem, der sie verlangt,
kriegerische Trophäen schmücken die einfach weißen Pfeiler unter vergoldeten
Kapitalen.
Von der Festung wenige hundert Schritte newaaufwärts liegt die älteste
Kirche Petersburgs, ein schlichter Holzbau von 1?03, und ganz in der Nähe
das Haus, von dem Peter den Bau seiner neuen Hauptstadt geleitet hat, ein
Erdgeschoßbau von Holz, doch wie ein Ziegelrohbau bemalt, mit breiten, hellen
Fenstern nach holländischer Weise und nichts weiter enthaltend als zwei Zimmer
und die Küche. Das zur linken Hand der kleinen Hausflur ist jetzt in eine
Kapelle verwandelt und mit Heiligenbildern überladen, als wenn dieser Kraft¬
mensch zu einem Nationalheiligen gemacht werden sollte; das andre bewahrt
Geräte und Möbel auf, die er gebraucht hat. Zum Schutze ist jetzt das Ganze
von einem Schutzdach auf Ziegelarkaden überbaut und von einem Garten
umgeben.
Wer nun nach Wassily Ostrow will, der kann mittels der kräftigen Arme
eines Gondelführers (Jailik) in wenigen Minuten an der Strjelka unter¬
halb der Börse landen, oder auf dem langen Wege über das alte Glacis der
Festung, das jetzt der belebte Alexanderpark und der Zoologische Garten be¬
decken, nach dem Großen Prospekt der Petersburger Seite und von da, die
lange hölzerne Tutschkowbrücke überschreitend, nach der „ersten Linie" von
Wassily Ostrow gelangen. Dieser Stadtteil, zwischen der kleinen und großen
Newa sich ausbreitend, vereinigt auf seinem niedrigen Jnsellande sehr verschieden¬
artige Elemente. Die westliche Hälfte nach dem Meere zu gehört dem Handel
und den Fabriken; namentlich große Gerbereien ziehen sich dort längs des
Gestades hin, und beherrschend erhebt sich hier die „Baltische Werft," auf
welcher die größten Kriegsschiffe entstehen. Die östliche Hälfte ist zugleich das
lateinische Viertel und das bevorzugte Quartier der deutschen Einwohnerschaft.
Drei schnurgerade, breite Prospekte, der „Große Prospekt" mit Anlagen und
Gärten auf beiden Seiten der Fahrbahn, schneiden von Ost nach West
rechtwinklig ebenso schnurgerade Straßen, deren einzelne Häuserreihen als
Linien bezeichnet und einzeln gezählt werden. Manche stattliche Gebäude
und Kirchen, darunter die deutsche Katharinenkirche, heben den im ganzen
bescheidnen Charakter dieses Stadtviertels nicht ans; nur die Newa entlang
überwiegen hochstöckige Häuser, und an der Ostspitze drängen sich die großen
„Kronsgebäude" der wissenschaftlichen Institute, von denen schon vorher die
Rede war. Hier im östlichen Teile liegen neben andern Schulen, z. B. der
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