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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Jukunftspoeten.

erfrischen haben. Thatsache ist es ja leider, daß diese Stärkung und Erfrischung
bei den meisten von ihnen so in den Vordergrund trat, daß unbefangene Geister
und entzündliche Herzen meinen konnten, die ganze Weltbeseligung laufe am
Ende darauf hinaus. Und wie diese Ideen in der Wirklichkeit Gestalt nahmen,
darauf muß die Wissenschaft im allgemeinen wenigstens hindeuten, so sehr sie
es im einzelnen dem Klatsch zu überlassen hat, welcher jedenfalls aus einem
einzigen derartigen Falle einen himmelweit größern Genuß zog, als aus der
ganzen daran mitschuldigen Poesie. Unserm jungen Norweger haben sie auch
nicht zum Heile gereicht. Als das "freie Weib" eines schönen Tages bei dem
Kleinstadtsdramaturgen anklopfte und ihn alsbald zu einem höchst konfusen
Stücke, "Komödie der Liebe," begeisterte, in welchem es auf die wunderlichste
Art Vorsehung spielt, seinen Liebhaber, einen jungen Dichter, die Poesie in der
"Abschaffung der Ehe" erkennen lehrt und dies dadurch bekräftigt, daß es "ent¬
sagend" einen sehr unpoetischen Geldsack heiratet -- als diese für die guten
norwegischen Kleinstädter noch höchst befremdlichen Dinge sich da auf ihren die
Welt bedeutenden Brettern ereigneten, da schüttelten natürlich Mütter und Basen
bedenklich die Köpfe, und der junge dramaturgische Mann-Gott machte die alten
Erfahrungen, welche die Welt für alle ihre Beglücker, ob göttliche oder ungött¬
liche, zunächst in Bereitschaft zu haben pflegt. Er hätte sich leicht trösten
können; denn bekanntlich hat die Welt für Beglückungen dieser Art noch immer
schneller und leichter Verständnis gezeigt, als für irgend welche andern, und
besonders in unsrer Zeit läßt sich darauf eine ganz dauerhafte Existenz gründen,
mit der sich schließlich Mütter und Basen selbst versöhnen. Auch bei dem rück¬
fälligen Catilina trat dies ein. Er erhielt sogar vom Storthing eine Pension
für sein mutiges Eintreten für die Sache der Menschheit und die Abschaffung
der Ehe. Aber zu spät. Der während der Dauer eines Theaterabends ver¬
kannte Weltbeglücker hatte rasch genug die interessante Pose dieses Standpunktes,
die Süßigkeit und Ergiebigkeit des Schimpfens auf die schnöde Mitwelt, erkannt,
und er benutzte die vaterländische Pension dazu, um nun ungestört und aus¬
schließlich dem Grolle gegen sein "undankbares" Vaterland zu leben. So hatte
das "freie Weib" auch hier seine Aufgabe erfüllt, den Mann-Gott "aufgerüttelt"
aus seinen poetischen Träumen und ihn durch ihren Opfertod -- nein doch! --
durch jenes Ehevpfer gestärkt zu seinem ungeheuern Weltenwerke, nämlich eine
Zeitung herauszugeben, in welcher die Ehe, diese ,,Galeere" bekämpft wird:


Es scharrt mein Flügelroß, cmporzuschweben;
Geadelt ist mein Thun fürs ganze Leben.

(Schluß folgt.)




Jukunftspoeten.

erfrischen haben. Thatsache ist es ja leider, daß diese Stärkung und Erfrischung
bei den meisten von ihnen so in den Vordergrund trat, daß unbefangene Geister
und entzündliche Herzen meinen konnten, die ganze Weltbeseligung laufe am
Ende darauf hinaus. Und wie diese Ideen in der Wirklichkeit Gestalt nahmen,
darauf muß die Wissenschaft im allgemeinen wenigstens hindeuten, so sehr sie
es im einzelnen dem Klatsch zu überlassen hat, welcher jedenfalls aus einem
einzigen derartigen Falle einen himmelweit größern Genuß zog, als aus der
ganzen daran mitschuldigen Poesie. Unserm jungen Norweger haben sie auch
nicht zum Heile gereicht. Als das „freie Weib" eines schönen Tages bei dem
Kleinstadtsdramaturgen anklopfte und ihn alsbald zu einem höchst konfusen
Stücke, „Komödie der Liebe," begeisterte, in welchem es auf die wunderlichste
Art Vorsehung spielt, seinen Liebhaber, einen jungen Dichter, die Poesie in der
„Abschaffung der Ehe" erkennen lehrt und dies dadurch bekräftigt, daß es „ent¬
sagend" einen sehr unpoetischen Geldsack heiratet — als diese für die guten
norwegischen Kleinstädter noch höchst befremdlichen Dinge sich da auf ihren die
Welt bedeutenden Brettern ereigneten, da schüttelten natürlich Mütter und Basen
bedenklich die Köpfe, und der junge dramaturgische Mann-Gott machte die alten
Erfahrungen, welche die Welt für alle ihre Beglücker, ob göttliche oder ungött¬
liche, zunächst in Bereitschaft zu haben pflegt. Er hätte sich leicht trösten
können; denn bekanntlich hat die Welt für Beglückungen dieser Art noch immer
schneller und leichter Verständnis gezeigt, als für irgend welche andern, und
besonders in unsrer Zeit läßt sich darauf eine ganz dauerhafte Existenz gründen,
mit der sich schließlich Mütter und Basen selbst versöhnen. Auch bei dem rück¬
fälligen Catilina trat dies ein. Er erhielt sogar vom Storthing eine Pension
für sein mutiges Eintreten für die Sache der Menschheit und die Abschaffung
der Ehe. Aber zu spät. Der während der Dauer eines Theaterabends ver¬
kannte Weltbeglücker hatte rasch genug die interessante Pose dieses Standpunktes,
die Süßigkeit und Ergiebigkeit des Schimpfens auf die schnöde Mitwelt, erkannt,
und er benutzte die vaterländische Pension dazu, um nun ungestört und aus¬
schließlich dem Grolle gegen sein „undankbares" Vaterland zu leben. So hatte
das „freie Weib" auch hier seine Aufgabe erfüllt, den Mann-Gott „aufgerüttelt"
aus seinen poetischen Träumen und ihn durch ihren Opfertod — nein doch! —
durch jenes Ehevpfer gestärkt zu seinem ungeheuern Weltenwerke, nämlich eine
Zeitung herauszugeben, in welcher die Ehe, diese ,,Galeere" bekämpft wird:


Es scharrt mein Flügelroß, cmporzuschweben;
Geadelt ist mein Thun fürs ganze Leben.

(Schluß folgt.)




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[0388] Jukunftspoeten. erfrischen haben. Thatsache ist es ja leider, daß diese Stärkung und Erfrischung bei den meisten von ihnen so in den Vordergrund trat, daß unbefangene Geister und entzündliche Herzen meinen konnten, die ganze Weltbeseligung laufe am Ende darauf hinaus. Und wie diese Ideen in der Wirklichkeit Gestalt nahmen, darauf muß die Wissenschaft im allgemeinen wenigstens hindeuten, so sehr sie es im einzelnen dem Klatsch zu überlassen hat, welcher jedenfalls aus einem einzigen derartigen Falle einen himmelweit größern Genuß zog, als aus der ganzen daran mitschuldigen Poesie. Unserm jungen Norweger haben sie auch nicht zum Heile gereicht. Als das „freie Weib" eines schönen Tages bei dem Kleinstadtsdramaturgen anklopfte und ihn alsbald zu einem höchst konfusen Stücke, „Komödie der Liebe," begeisterte, in welchem es auf die wunderlichste Art Vorsehung spielt, seinen Liebhaber, einen jungen Dichter, die Poesie in der „Abschaffung der Ehe" erkennen lehrt und dies dadurch bekräftigt, daß es „ent¬ sagend" einen sehr unpoetischen Geldsack heiratet — als diese für die guten norwegischen Kleinstädter noch höchst befremdlichen Dinge sich da auf ihren die Welt bedeutenden Brettern ereigneten, da schüttelten natürlich Mütter und Basen bedenklich die Köpfe, und der junge dramaturgische Mann-Gott machte die alten Erfahrungen, welche die Welt für alle ihre Beglücker, ob göttliche oder ungött¬ liche, zunächst in Bereitschaft zu haben pflegt. Er hätte sich leicht trösten können; denn bekanntlich hat die Welt für Beglückungen dieser Art noch immer schneller und leichter Verständnis gezeigt, als für irgend welche andern, und besonders in unsrer Zeit läßt sich darauf eine ganz dauerhafte Existenz gründen, mit der sich schließlich Mütter und Basen selbst versöhnen. Auch bei dem rück¬ fälligen Catilina trat dies ein. Er erhielt sogar vom Storthing eine Pension für sein mutiges Eintreten für die Sache der Menschheit und die Abschaffung der Ehe. Aber zu spät. Der während der Dauer eines Theaterabends ver¬ kannte Weltbeglücker hatte rasch genug die interessante Pose dieses Standpunktes, die Süßigkeit und Ergiebigkeit des Schimpfens auf die schnöde Mitwelt, erkannt, und er benutzte die vaterländische Pension dazu, um nun ungestört und aus¬ schließlich dem Grolle gegen sein „undankbares" Vaterland zu leben. So hatte das „freie Weib" auch hier seine Aufgabe erfüllt, den Mann-Gott „aufgerüttelt" aus seinen poetischen Träumen und ihn durch ihren Opfertod — nein doch! — durch jenes Ehevpfer gestärkt zu seinem ungeheuern Weltenwerke, nämlich eine Zeitung herauszugeben, in welcher die Ehe, diese ,,Galeere" bekämpft wird: Es scharrt mein Flügelroß, cmporzuschweben; Geadelt ist mein Thun fürs ganze Leben. (Schluß folgt.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/388>, abgerufen am 17.09.2024.