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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Jukunstspoeten.

weger Henrik Ibsen hervortritt. Man darf hoffen, daß diese Popularität in
Deutschland sich auf diejenigen Kreise beschränke, denen hier wie überall Krankheit
Bedürfnis und Lebensbeschäftigung ist. Für das Volk selbst, em Volk das
soeben in einer Zwergspanne Zeit drei Weltkriege geschlagen und drei Weltsiege
jetzt zu erhalten hat. sür ein solches Volk wäre es eine Schande und ein spot.
aber auch ein große Gefahr. Die Deutschen haben ja das ganz besondre latent,
sich die Erfolge ihrer Waffen durch ihre Federn wieder verderben zu lassen,
und ob es nun. wie früher, Diplomaten sind, die gern im Trüben fischen, oder,
wie heute, solche Literaten. die die Dunkelheit brauchen, um ihr Licht leuchten
zu lassen: die Wirkung bleibt leider bei der Natur des Deutschen ziemlich gleich.
Man braucht dazu nicht einmal politische Leitartikel und Finanzreden; auch mit
Poesie und mit Dramen. ..nur mit Dramen" läßt sich bei ihm viel erreichen
Man braucht ihm bloß mit ein bischen Metaphysik zu kommen und die ^ogit
^ Hause zu lassen man braucht bloß mit dunkeln Anspielungen sem zärtliches
Gewissen zu erregen, seine willige Phantasie mit drohenden Möglichkeiten zu
bevölkern und mit strenger Anwaltsmiene sein für andre stets so empfind¬
liches Rechtsgefühl anzurufen, um den deutschen Michel bald wieder auf
dem Punkte zu haben, wo die ..andern" ihn stets so gern sehen, wo er
mit trübseligen Dulderantlitz fremde Kastanien aus selbstangezündetem Feuer
holt und sich über das ihm unentbehrliche Mißgeschick philosophisch-Poetisch
tröstet.

Der Norweger Henrik Ibsen ist ganz ein politischer Dichter im Dienste
jener Bewegung, die in Paris ihren Anfang nimmt und nach immer weiteren
"ber das ganze Abendland vom fernen Kaukasus bis zur iMnm luuls reichenden
Kurven immer wieder dahin zurückkehrt und dort auch wohl einmal em Ende
mit Schrecken finden wird. In seiner Jugend zählte er zu jener namentlich in
Dänemark und Norwegen mächtigen national-skandinavischen Partei deren An¬
hänger ihr Interesse für die Größe und das Ansehen der Nation dadurch be¬
thätigen, daß sie meistens im Auslande, größtenteils in Paris leben, sich nach
dem dortigen Rezept in maßloser Selbstüberschätzung und wahnwitzigen poli¬
tischen Fanfaronnadcn berauschen, den wirklichen politischen Bedürfnissen ihres
Vaterlandes aber stets mit kühler, spöttischer Verneinung entgegentreten. Man
nennt das dort, wie wir glauben, konservativ. Für Ibsen ist dies nur insoweit
bedeutungsvoll, als es sein äußeres Auftreten in manchen, auch gerade für vie
Deutschen sehr merkwürdigen Punkten seinem innersten Wesen ganz entgegen¬
gesetzt bestimmt hat. Denn dieses zeigt von Anfang an das unverkennbar
Gepräge des allen Nationalitätsempfindungen. ja schließlich jedem Gemein her
fremden und abholden Individualismus. Die erste Konfession des in telum
Mußestunden "schriftstellernden" Apothekergehilfen heißt "Caeli.na eme im
Geiste des Paradoxismus auf ..Aufsehenmachen" berechnete dramatische Verherr¬
lichung des liebenswürdigen Heros des Sallust. Der Stoff ist typisch für diese


Grenzboten II. 1887.
Jukunstspoeten.

weger Henrik Ibsen hervortritt. Man darf hoffen, daß diese Popularität in
Deutschland sich auf diejenigen Kreise beschränke, denen hier wie überall Krankheit
Bedürfnis und Lebensbeschäftigung ist. Für das Volk selbst, em Volk das
soeben in einer Zwergspanne Zeit drei Weltkriege geschlagen und drei Weltsiege
jetzt zu erhalten hat. sür ein solches Volk wäre es eine Schande und ein spot.
aber auch ein große Gefahr. Die Deutschen haben ja das ganz besondre latent,
sich die Erfolge ihrer Waffen durch ihre Federn wieder verderben zu lassen,
und ob es nun. wie früher, Diplomaten sind, die gern im Trüben fischen, oder,
wie heute, solche Literaten. die die Dunkelheit brauchen, um ihr Licht leuchten
zu lassen: die Wirkung bleibt leider bei der Natur des Deutschen ziemlich gleich.
Man braucht dazu nicht einmal politische Leitartikel und Finanzreden; auch mit
Poesie und mit Dramen. ..nur mit Dramen" läßt sich bei ihm viel erreichen
Man braucht ihm bloß mit ein bischen Metaphysik zu kommen und die ^ogit
^ Hause zu lassen man braucht bloß mit dunkeln Anspielungen sem zärtliches
Gewissen zu erregen, seine willige Phantasie mit drohenden Möglichkeiten zu
bevölkern und mit strenger Anwaltsmiene sein für andre stets so empfind¬
liches Rechtsgefühl anzurufen, um den deutschen Michel bald wieder auf
dem Punkte zu haben, wo die ..andern" ihn stets so gern sehen, wo er
mit trübseligen Dulderantlitz fremde Kastanien aus selbstangezündetem Feuer
holt und sich über das ihm unentbehrliche Mißgeschick philosophisch-Poetisch
tröstet.

Der Norweger Henrik Ibsen ist ganz ein politischer Dichter im Dienste
jener Bewegung, die in Paris ihren Anfang nimmt und nach immer weiteren
«ber das ganze Abendland vom fernen Kaukasus bis zur iMnm luuls reichenden
Kurven immer wieder dahin zurückkehrt und dort auch wohl einmal em Ende
mit Schrecken finden wird. In seiner Jugend zählte er zu jener namentlich in
Dänemark und Norwegen mächtigen national-skandinavischen Partei deren An¬
hänger ihr Interesse für die Größe und das Ansehen der Nation dadurch be¬
thätigen, daß sie meistens im Auslande, größtenteils in Paris leben, sich nach
dem dortigen Rezept in maßloser Selbstüberschätzung und wahnwitzigen poli¬
tischen Fanfaronnadcn berauschen, den wirklichen politischen Bedürfnissen ihres
Vaterlandes aber stets mit kühler, spöttischer Verneinung entgegentreten. Man
nennt das dort, wie wir glauben, konservativ. Für Ibsen ist dies nur insoweit
bedeutungsvoll, als es sein äußeres Auftreten in manchen, auch gerade für vie
Deutschen sehr merkwürdigen Punkten seinem innersten Wesen ganz entgegen¬
gesetzt bestimmt hat. Denn dieses zeigt von Anfang an das unverkennbar
Gepräge des allen Nationalitätsempfindungen. ja schließlich jedem Gemein her
fremden und abholden Individualismus. Die erste Konfession des in telum
Mußestunden „schriftstellernden" Apothekergehilfen heißt „Caeli.na eme im
Geiste des Paradoxismus auf ..Aufsehenmachen" berechnete dramatische Verherr¬
lichung des liebenswürdigen Heros des Sallust. Der Stoff ist typisch für diese


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[0385] Jukunstspoeten. weger Henrik Ibsen hervortritt. Man darf hoffen, daß diese Popularität in Deutschland sich auf diejenigen Kreise beschränke, denen hier wie überall Krankheit Bedürfnis und Lebensbeschäftigung ist. Für das Volk selbst, em Volk das soeben in einer Zwergspanne Zeit drei Weltkriege geschlagen und drei Weltsiege jetzt zu erhalten hat. sür ein solches Volk wäre es eine Schande und ein spot. aber auch ein große Gefahr. Die Deutschen haben ja das ganz besondre latent, sich die Erfolge ihrer Waffen durch ihre Federn wieder verderben zu lassen, und ob es nun. wie früher, Diplomaten sind, die gern im Trüben fischen, oder, wie heute, solche Literaten. die die Dunkelheit brauchen, um ihr Licht leuchten zu lassen: die Wirkung bleibt leider bei der Natur des Deutschen ziemlich gleich. Man braucht dazu nicht einmal politische Leitartikel und Finanzreden; auch mit Poesie und mit Dramen. ..nur mit Dramen" läßt sich bei ihm viel erreichen Man braucht ihm bloß mit ein bischen Metaphysik zu kommen und die ^ogit ^ Hause zu lassen man braucht bloß mit dunkeln Anspielungen sem zärtliches Gewissen zu erregen, seine willige Phantasie mit drohenden Möglichkeiten zu bevölkern und mit strenger Anwaltsmiene sein für andre stets so empfind¬ liches Rechtsgefühl anzurufen, um den deutschen Michel bald wieder auf dem Punkte zu haben, wo die ..andern" ihn stets so gern sehen, wo er mit trübseligen Dulderantlitz fremde Kastanien aus selbstangezündetem Feuer holt und sich über das ihm unentbehrliche Mißgeschick philosophisch-Poetisch tröstet. Der Norweger Henrik Ibsen ist ganz ein politischer Dichter im Dienste jener Bewegung, die in Paris ihren Anfang nimmt und nach immer weiteren «ber das ganze Abendland vom fernen Kaukasus bis zur iMnm luuls reichenden Kurven immer wieder dahin zurückkehrt und dort auch wohl einmal em Ende mit Schrecken finden wird. In seiner Jugend zählte er zu jener namentlich in Dänemark und Norwegen mächtigen national-skandinavischen Partei deren An¬ hänger ihr Interesse für die Größe und das Ansehen der Nation dadurch be¬ thätigen, daß sie meistens im Auslande, größtenteils in Paris leben, sich nach dem dortigen Rezept in maßloser Selbstüberschätzung und wahnwitzigen poli¬ tischen Fanfaronnadcn berauschen, den wirklichen politischen Bedürfnissen ihres Vaterlandes aber stets mit kühler, spöttischer Verneinung entgegentreten. Man nennt das dort, wie wir glauben, konservativ. Für Ibsen ist dies nur insoweit bedeutungsvoll, als es sein äußeres Auftreten in manchen, auch gerade für vie Deutschen sehr merkwürdigen Punkten seinem innersten Wesen ganz entgegen¬ gesetzt bestimmt hat. Denn dieses zeigt von Anfang an das unverkennbar Gepräge des allen Nationalitätsempfindungen. ja schließlich jedem Gemein her fremden und abholden Individualismus. Die erste Konfession des in telum Mußestunden „schriftstellernden" Apothekergehilfen heißt „Caeli.na eme im Geiste des Paradoxismus auf ..Aufsehenmachen" berechnete dramatische Verherr¬ lichung des liebenswürdigen Heros des Sallust. Der Stoff ist typisch für diese Grenzboten II. 1887.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/385>, abgerufen am 17.09.2024.