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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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3. Der Purist.
Sinnreich bist du, die Sprache von fremden Wörtern zu säubern;
Nun, so sage doch, Freund, wie man Pedant uns verdeutscht.
4. Der Sprachforscher.
Anatomiren magst du die Sprache, doch nur ihr Kadaver;
Geist und Leben entschlüpft flüchtig dem groben Skalpell.

Campe war nicht der Mann dazu, um derartige Liebenswürdigkeiten auf
sich sitzen zu lassen. Er tobte aber nicht, wie andre es thaten, die in den
Tenien getroffen waren. Seine Antwort, die er im siebenten Stück seiner
"Beiträge" veröffentlichte, war ruhig und nicht ohne Würde; ein satirischer
Zug zieht sich hindurch. Er wendet sich darin, weil er irrtümlich Goethe für
den Verfasser hielt, nur gegen diesen und meint, Goethe könne in seinen "be¬
rühmten Xenien," wenn er von Puristen, Kleiderbürstern, Waschfrauen und
Pedanten rede, nur einen höflichen Scherz beabsichtigen, wie er ja auch würdige
deutsche Gelehrte -- gemeint ist der Hallische Professor Ludwig Heinrich von
Jakob -- als Ochsen und Esel bezeichne. Das sei vermutlich die Sprachweise,
wie sie am Parnaß und an den Fürstenhöfen üblich sei. Übrigens sei ja auch
der Herr Geheime Rat von Goethe, wie an einer langen Reihe von Beispielen
aus Wilhelm Meister nachgewiesen wird, im Grunde ein Purist, "der unsre
Sprache nach Vermögen zu reinigen, zu bereichern und auszubilden beflissen
sei." Zum Schluß bietet Campe den Verfassern der Genien eine Reihe von
Distichen als Gegengeschenk. Als Probe diene, was er die Waschanstalt am
Eridanus auf das erste Tenion mit Anspielung auf eine Stelle in Goethes
"Reineke Fuchs" erwiedern läßt. Sie lautet:


Erläuterung.

Seid ihr rechtliche Männer, so habt ihr nichts zu befahren;

Diesen zeiget man nur, selbst sich zu waschen, den Quell.
Seid ihr aber von jenen, "die, über und über beschlabbert

Bis an die Ohren mit Kot, liegen auf faulendem Heu":
Dann vermeidet den Ort; denn solcher wartet die Lauge,

Wartet der reihende Sand, wartet der striegelnde Kamm.


Zu den Zuschauern aber läßt er die Waschanstalt sprechen:


Gebet, ihr Herren und Frauen, nur acht, von wannen Geschrei kommt:

Da ist der Knabe, den's schmerzt; hüben, wo's still bleibt, der Mann.


Zum Schluß aber heißt es, hauptsächlich unter Anspielung auf das letzte in
der Reihe der Xenien:


Abschied.

Nimm es nicht übel, daß nun auch deiner gedacht wird; verlangst du
Das Vergnügen umsonst, anderer Necker zu sein?

Alles war nur ein Spiel; Gottlob! du bist ja noch munter.
Hier ist dein Bogen zurück, hier der geliehene Pfeil.


3. Der Purist.
Sinnreich bist du, die Sprache von fremden Wörtern zu säubern;
Nun, so sage doch, Freund, wie man Pedant uns verdeutscht.
4. Der Sprachforscher.
Anatomiren magst du die Sprache, doch nur ihr Kadaver;
Geist und Leben entschlüpft flüchtig dem groben Skalpell.

Campe war nicht der Mann dazu, um derartige Liebenswürdigkeiten auf
sich sitzen zu lassen. Er tobte aber nicht, wie andre es thaten, die in den
Tenien getroffen waren. Seine Antwort, die er im siebenten Stück seiner
„Beiträge" veröffentlichte, war ruhig und nicht ohne Würde; ein satirischer
Zug zieht sich hindurch. Er wendet sich darin, weil er irrtümlich Goethe für
den Verfasser hielt, nur gegen diesen und meint, Goethe könne in seinen „be¬
rühmten Xenien," wenn er von Puristen, Kleiderbürstern, Waschfrauen und
Pedanten rede, nur einen höflichen Scherz beabsichtigen, wie er ja auch würdige
deutsche Gelehrte — gemeint ist der Hallische Professor Ludwig Heinrich von
Jakob — als Ochsen und Esel bezeichne. Das sei vermutlich die Sprachweise,
wie sie am Parnaß und an den Fürstenhöfen üblich sei. Übrigens sei ja auch
der Herr Geheime Rat von Goethe, wie an einer langen Reihe von Beispielen
aus Wilhelm Meister nachgewiesen wird, im Grunde ein Purist, „der unsre
Sprache nach Vermögen zu reinigen, zu bereichern und auszubilden beflissen
sei." Zum Schluß bietet Campe den Verfassern der Genien eine Reihe von
Distichen als Gegengeschenk. Als Probe diene, was er die Waschanstalt am
Eridanus auf das erste Tenion mit Anspielung auf eine Stelle in Goethes
„Reineke Fuchs" erwiedern läßt. Sie lautet:


Erläuterung.

Seid ihr rechtliche Männer, so habt ihr nichts zu befahren;

Diesen zeiget man nur, selbst sich zu waschen, den Quell.
Seid ihr aber von jenen, „die, über und über beschlabbert

Bis an die Ohren mit Kot, liegen auf faulendem Heu":
Dann vermeidet den Ort; denn solcher wartet die Lauge,

Wartet der reihende Sand, wartet der striegelnde Kamm.


Zu den Zuschauern aber läßt er die Waschanstalt sprechen:


Gebet, ihr Herren und Frauen, nur acht, von wannen Geschrei kommt:

Da ist der Knabe, den's schmerzt; hüben, wo's still bleibt, der Mann.


Zum Schluß aber heißt es, hauptsächlich unter Anspielung auf das letzte in
der Reihe der Xenien:


Abschied.

Nimm es nicht übel, daß nun auch deiner gedacht wird; verlangst du
Das Vergnügen umsonst, anderer Necker zu sein?

Alles war nur ein Spiel; Gottlob! du bist ja noch munter.
Hier ist dein Bogen zurück, hier der geliehene Pfeil.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/378>, abgerufen am 17.09.2024.