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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Joachim Heinrich Lampe als Vorkämpfer für die Reinheit der Muttersprache.

der großen Schriftsteller "hier ein wenig Staub abzublasen, dort ein Schmutz¬
fleckchen auszutilgen." Im Grunde aber war das Ganze nichts weiter als
eine Art von schulmeisterlicher Nörgelei, ungefähr so, wie wenn ein sehr ge¬
lehrter, sehr fleißiger und sehr gewissenhafter Gymnasiallehrer einem strebsamen
Untersekundaner die Freude an seinen deutschen Aufsatzversuchen gründlich und
erfolgreich zu verleiden bemüht ist. Ohne Zweifel wurden Campe und seine
Mitarbeiter bei ihrem Staub- und Fleckenreinigungsverfahren von einem red¬
lichen und wohlgemeinten Streben geleitet, und im großen und ganzen hatten
sie ja Recht, wenn sie der Nachlässigkeit des deutschen Ausdrucks entgegen¬
arbeiteten; aber sie vergaßen denn doch allzusehr, daß schließlich der Mann
mehr wert ist als das Kleid, und daß auch das sauberste Gewand einen Satyr
nicht in einen Apollo zu verwandeln vermag.

Groß war das Aufsehen, das die in den "Beiträgen" geübte Kritck, oder
richtiger gesagt die darin geübte Krittelei in weiten Kreisen hervorrief. Die
zunächst davon betroffenen fühlten sich tief verletzt. An Widerlegungen und
Gegenangriffen fehlte es nicht. Es würde zu weit führen, wollte mau alle die
Pfeile, die damals gegen Campe abgeschossen wurden, aus dem wohlverdienten
Dunkel, in das sie neben den in den "Beiträgen" verwendeten Stoßwaffen ver¬
sunken sind, wieder ans Tageslicht hervorziehen. Nur einige von Wesen Gegen¬
geschossen sind bedeutend genug, um auch heute noch beachtet zu werden. ^sind die scharfgeschliffenen Pfeile, die von Weimar und Jena aus an den Strand
der Oker entsendet wurden.

Es ist bekannt, daß Goethe und Schiller im Musenalmanach von 179?
eine lange Reihe von Epigrammen veröffentlichten, in denen sie alles Unbe¬
deutende, Schlechte und Mittelmäßige in der Literatur, darunter aber auch
manches Achtungswerte, wenn es ihnen lästig und unbequem geworden war,
zur Zielscheibe ihres Spottes machten. Xenien oder Gastgeschenke nannten
sie zwar diese leichtgeschürzten Kinder ihrer Muse, aber von den Empfängern
fand keiner Veranlassung, die ihm zu Teil gewordene Gabe als wettvolles
Kleinod zur Schau zu stellen. Neben Nicolai in Berlin, Clauduw in Wands-
beck. Wolf in Halle, den beiden Stolberg und zahllosen andern war es auch
Campe, der die Geißel der zürnenden Dioskuren zu fühlen bekam. Folgendes
sind die Denkzettel, mit denen ihm der Empfang seiner Bemühungen um d.e
Reinheit und Fleckenlosigkeit der Goethischen "Jphigeme" bestättgt ward, ^e
stammen sämtlich, wie die neuere Forschung ergeben hat. von Schillers Hand.

1. Eridanus.
An des Eridanus Ufer umgeht mir die furchtbare Waschfrau
Welche die Sprache des Teut säubert und Lauge und Sand.
2. Gesellschaft von Sprachfreunden.
O wie schätz' ich euch hoch! Ihr bürstet sorglich die Kleider
Unsrer Autoren, und wem fliegt nicht ein Federchen an?

^Grenzboten II. 1837.
Joachim Heinrich Lampe als Vorkämpfer für die Reinheit der Muttersprache.

der großen Schriftsteller „hier ein wenig Staub abzublasen, dort ein Schmutz¬
fleckchen auszutilgen." Im Grunde aber war das Ganze nichts weiter als
eine Art von schulmeisterlicher Nörgelei, ungefähr so, wie wenn ein sehr ge¬
lehrter, sehr fleißiger und sehr gewissenhafter Gymnasiallehrer einem strebsamen
Untersekundaner die Freude an seinen deutschen Aufsatzversuchen gründlich und
erfolgreich zu verleiden bemüht ist. Ohne Zweifel wurden Campe und seine
Mitarbeiter bei ihrem Staub- und Fleckenreinigungsverfahren von einem red¬
lichen und wohlgemeinten Streben geleitet, und im großen und ganzen hatten
sie ja Recht, wenn sie der Nachlässigkeit des deutschen Ausdrucks entgegen¬
arbeiteten; aber sie vergaßen denn doch allzusehr, daß schließlich der Mann
mehr wert ist als das Kleid, und daß auch das sauberste Gewand einen Satyr
nicht in einen Apollo zu verwandeln vermag.

Groß war das Aufsehen, das die in den „Beiträgen" geübte Kritck, oder
richtiger gesagt die darin geübte Krittelei in weiten Kreisen hervorrief. Die
zunächst davon betroffenen fühlten sich tief verletzt. An Widerlegungen und
Gegenangriffen fehlte es nicht. Es würde zu weit führen, wollte mau alle die
Pfeile, die damals gegen Campe abgeschossen wurden, aus dem wohlverdienten
Dunkel, in das sie neben den in den „Beiträgen" verwendeten Stoßwaffen ver¬
sunken sind, wieder ans Tageslicht hervorziehen. Nur einige von Wesen Gegen¬
geschossen sind bedeutend genug, um auch heute noch beachtet zu werden. ^sind die scharfgeschliffenen Pfeile, die von Weimar und Jena aus an den Strand
der Oker entsendet wurden.

Es ist bekannt, daß Goethe und Schiller im Musenalmanach von 179?
eine lange Reihe von Epigrammen veröffentlichten, in denen sie alles Unbe¬
deutende, Schlechte und Mittelmäßige in der Literatur, darunter aber auch
manches Achtungswerte, wenn es ihnen lästig und unbequem geworden war,
zur Zielscheibe ihres Spottes machten. Xenien oder Gastgeschenke nannten
sie zwar diese leichtgeschürzten Kinder ihrer Muse, aber von den Empfängern
fand keiner Veranlassung, die ihm zu Teil gewordene Gabe als wettvolles
Kleinod zur Schau zu stellen. Neben Nicolai in Berlin, Clauduw in Wands-
beck. Wolf in Halle, den beiden Stolberg und zahllosen andern war es auch
Campe, der die Geißel der zürnenden Dioskuren zu fühlen bekam. Folgendes
sind die Denkzettel, mit denen ihm der Empfang seiner Bemühungen um d.e
Reinheit und Fleckenlosigkeit der Goethischen „Jphigeme" bestättgt ward, ^e
stammen sämtlich, wie die neuere Forschung ergeben hat. von Schillers Hand.

1. Eridanus.
An des Eridanus Ufer umgeht mir die furchtbare Waschfrau
Welche die Sprache des Teut säubert und Lauge und Sand.
2. Gesellschaft von Sprachfreunden.
O wie schätz' ich euch hoch! Ihr bürstet sorglich die Kleider
Unsrer Autoren, und wem fliegt nicht ein Federchen an?

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[0377] Joachim Heinrich Lampe als Vorkämpfer für die Reinheit der Muttersprache. der großen Schriftsteller „hier ein wenig Staub abzublasen, dort ein Schmutz¬ fleckchen auszutilgen." Im Grunde aber war das Ganze nichts weiter als eine Art von schulmeisterlicher Nörgelei, ungefähr so, wie wenn ein sehr ge¬ lehrter, sehr fleißiger und sehr gewissenhafter Gymnasiallehrer einem strebsamen Untersekundaner die Freude an seinen deutschen Aufsatzversuchen gründlich und erfolgreich zu verleiden bemüht ist. Ohne Zweifel wurden Campe und seine Mitarbeiter bei ihrem Staub- und Fleckenreinigungsverfahren von einem red¬ lichen und wohlgemeinten Streben geleitet, und im großen und ganzen hatten sie ja Recht, wenn sie der Nachlässigkeit des deutschen Ausdrucks entgegen¬ arbeiteten; aber sie vergaßen denn doch allzusehr, daß schließlich der Mann mehr wert ist als das Kleid, und daß auch das sauberste Gewand einen Satyr nicht in einen Apollo zu verwandeln vermag. Groß war das Aufsehen, das die in den „Beiträgen" geübte Kritck, oder richtiger gesagt die darin geübte Krittelei in weiten Kreisen hervorrief. Die zunächst davon betroffenen fühlten sich tief verletzt. An Widerlegungen und Gegenangriffen fehlte es nicht. Es würde zu weit führen, wollte mau alle die Pfeile, die damals gegen Campe abgeschossen wurden, aus dem wohlverdienten Dunkel, in das sie neben den in den „Beiträgen" verwendeten Stoßwaffen ver¬ sunken sind, wieder ans Tageslicht hervorziehen. Nur einige von Wesen Gegen¬ geschossen sind bedeutend genug, um auch heute noch beachtet zu werden. ^sind die scharfgeschliffenen Pfeile, die von Weimar und Jena aus an den Strand der Oker entsendet wurden. Es ist bekannt, daß Goethe und Schiller im Musenalmanach von 179? eine lange Reihe von Epigrammen veröffentlichten, in denen sie alles Unbe¬ deutende, Schlechte und Mittelmäßige in der Literatur, darunter aber auch manches Achtungswerte, wenn es ihnen lästig und unbequem geworden war, zur Zielscheibe ihres Spottes machten. Xenien oder Gastgeschenke nannten sie zwar diese leichtgeschürzten Kinder ihrer Muse, aber von den Empfängern fand keiner Veranlassung, die ihm zu Teil gewordene Gabe als wettvolles Kleinod zur Schau zu stellen. Neben Nicolai in Berlin, Clauduw in Wands- beck. Wolf in Halle, den beiden Stolberg und zahllosen andern war es auch Campe, der die Geißel der zürnenden Dioskuren zu fühlen bekam. Folgendes sind die Denkzettel, mit denen ihm der Empfang seiner Bemühungen um d.e Reinheit und Fleckenlosigkeit der Goethischen „Jphigeme" bestättgt ward, ^e stammen sämtlich, wie die neuere Forschung ergeben hat. von Schillers Hand. 1. Eridanus. An des Eridanus Ufer umgeht mir die furchtbare Waschfrau Welche die Sprache des Teut säubert und Lauge und Sand. 2. Gesellschaft von Sprachfreunden. O wie schätz' ich euch hoch! Ihr bürstet sorglich die Kleider Unsrer Autoren, und wem fliegt nicht ein Federchen an? ^Grenzboten II. 1837.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/377>, abgerufen am 17.09.2024.