Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.Joachim Heinrich Lampe als Vorkämpfer für die Reinheit der Muttersprache. führerische und zur Weichlichkeit verleitende "Sofa" oder "Kanapee" das ver¬ Für alle Fremdwörter, welche über die angedeuteten Grenzen hinausgehen, Schon aus dieser flüchtigen Übersicht ergiebt sich, daß die Grundsätze, Joachim Heinrich Lampe als Vorkämpfer für die Reinheit der Muttersprache. führerische und zur Weichlichkeit verleitende „Sofa" oder „Kanapee" das ver¬ Für alle Fremdwörter, welche über die angedeuteten Grenzen hinausgehen, Schon aus dieser flüchtigen Übersicht ergiebt sich, daß die Grundsätze, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0374" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/288827"/> <fw type="header" place="top"> Joachim Heinrich Lampe als Vorkämpfer für die Reinheit der Muttersprache.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1074" prev="#ID_1073"> führerische und zur Weichlichkeit verleitende „Sofa" oder „Kanapee" das ver¬<lb/> altete „Lotterbett" wieder aus der Vergessenheit hervorzuziehen versucht. Neben<lb/> die sittenverderbenden Wörter stellt Campe noch diejenigen, die seiner Meinung<lb/> nach widersinnige Dinge bezeichnen und deren Gebrauch eine schädliche Gedanten-<lb/> verwirrnng anzurichten imstande sei. Auch hier will er für den Begriff das<lb/> fremde Gewand beibehalten, bis es gelingen werde, mit der Sache selbst auch<lb/> das Wort aus dem Bewußtsein des Volkes zu verbannen. Höchst bezeichnend<lb/> ist es dabei für seine einseitige und in Aufklärungssucht befangene Denkweise,<lb/> wenn er Wörter wie Trinität, Transsubstamicition, Sakrament unter diese zwar<lb/> einstweilen noch geduldeten, aber doch gewissermaßen unter Polizeiaufsicht ge¬<lb/> stellten Ausländer versetzt wissen will.</p><lb/> <p xml:id="ID_1075"> Für alle Fremdwörter, welche über die angedeuteten Grenzen hinausgehen,<lb/> insbesondre also für alle, die nicht den Stempel der sogenannten Sprachähn¬<lb/> lichkeit an sich tragen, hielt Campe die Ersetzung durch echt deutsche Ausdrücke<lb/> nicht nur für wünschenswert, sonder» auch für notwendig, und er zweifelte<lb/> keinen Augenblick daran, daß eine solche Ersetzung, selbst bei der Sprache der<lb/> Wissenschaft, auch möglich sei. Man brauche nur die vergessenen guten alte»<lb/> Ausdrücke, wie sie in den ältern Denkmälern der Sprache und besonders in<lb/> Luthers Bibelübersetzung vorlügen, aus dem Schutt hervorzusuchen und neu zu<lb/> beleben, den Wortschatz der Mundarten nach brauchbaren Wörtern und Wen¬<lb/> dungen durchzumustern, bei deu verschwisterten oder verwandten Sprachen — er<lb/> rechnet merkwürdigerweise anßer den germanischen Sprachen auch das Irische<lb/> dazu — eine Anleihe zu macheu, so werde sich ein reichlicher Vorrat von ein-<lb/> gebornen oder doch stammverwandten Stellvertretern finden, um einen großen<lb/> Teil der verjagten Ausländer zu ersetzen. Wo sich dann noch Lücken vorfänden,<lb/> müsse mein zu Neubildungen greifen, nur müßten diese sprachähnlich gestaltet<lb/> sein. Manches sei in dieser Hinsicht schon vor ihm, wenn auch nicht immer mit<lb/> Glück, versucht worden. Man müsse es aber mir richtig anfangen und die<lb/> angegebenen Mittel mit besonnenen Ernst zur Anwendung bringen, so könne es<lb/> nicht fehlen, daß die Muttersprache, wenn auch nicht gleich und mit einem<lb/> male, so doch in nicht allzu später Zeit, ihrer unverfälschte» Reinheit und Lauter¬<lb/> keit wiedergegeben werde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1076" next="#ID_1077"> Schon aus dieser flüchtigen Übersicht ergiebt sich, daß die Grundsätze,<lb/> welche Campe für die Reinigung und Bereicherung der deutschen Sprache auf¬<lb/> gestellt hat, der ihnen von der Berliner Akademie zugesprochenen Anerkennung<lb/> nicht unwert gewesen sind. Auch der Allgemeine deutsche Sprachverein wird<lb/> sie sich, freilich nur unter Abweisung von manchen Widerlichkeiten und unter<lb/> Verwendung der inzwischen gewonnenen Ergebnisse der Sprachwissenschaft, in<lb/> vielfacher Hinsicht aneignen dürfen. Was aber an Campe getadelt worden ist<lb/> und auch noch heute mit Recht getadelt werden muß, sind überhaupt an erster<lb/> Stelle garnicht die von ihm allsgesprochenen Grundsätze, sondern die ungestüme</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0374]
Joachim Heinrich Lampe als Vorkämpfer für die Reinheit der Muttersprache.
führerische und zur Weichlichkeit verleitende „Sofa" oder „Kanapee" das ver¬
altete „Lotterbett" wieder aus der Vergessenheit hervorzuziehen versucht. Neben
die sittenverderbenden Wörter stellt Campe noch diejenigen, die seiner Meinung
nach widersinnige Dinge bezeichnen und deren Gebrauch eine schädliche Gedanten-
verwirrnng anzurichten imstande sei. Auch hier will er für den Begriff das
fremde Gewand beibehalten, bis es gelingen werde, mit der Sache selbst auch
das Wort aus dem Bewußtsein des Volkes zu verbannen. Höchst bezeichnend
ist es dabei für seine einseitige und in Aufklärungssucht befangene Denkweise,
wenn er Wörter wie Trinität, Transsubstamicition, Sakrament unter diese zwar
einstweilen noch geduldeten, aber doch gewissermaßen unter Polizeiaufsicht ge¬
stellten Ausländer versetzt wissen will.
Für alle Fremdwörter, welche über die angedeuteten Grenzen hinausgehen,
insbesondre also für alle, die nicht den Stempel der sogenannten Sprachähn¬
lichkeit an sich tragen, hielt Campe die Ersetzung durch echt deutsche Ausdrücke
nicht nur für wünschenswert, sonder» auch für notwendig, und er zweifelte
keinen Augenblick daran, daß eine solche Ersetzung, selbst bei der Sprache der
Wissenschaft, auch möglich sei. Man brauche nur die vergessenen guten alte»
Ausdrücke, wie sie in den ältern Denkmälern der Sprache und besonders in
Luthers Bibelübersetzung vorlügen, aus dem Schutt hervorzusuchen und neu zu
beleben, den Wortschatz der Mundarten nach brauchbaren Wörtern und Wen¬
dungen durchzumustern, bei deu verschwisterten oder verwandten Sprachen — er
rechnet merkwürdigerweise anßer den germanischen Sprachen auch das Irische
dazu — eine Anleihe zu macheu, so werde sich ein reichlicher Vorrat von ein-
gebornen oder doch stammverwandten Stellvertretern finden, um einen großen
Teil der verjagten Ausländer zu ersetzen. Wo sich dann noch Lücken vorfänden,
müsse mein zu Neubildungen greifen, nur müßten diese sprachähnlich gestaltet
sein. Manches sei in dieser Hinsicht schon vor ihm, wenn auch nicht immer mit
Glück, versucht worden. Man müsse es aber mir richtig anfangen und die
angegebenen Mittel mit besonnenen Ernst zur Anwendung bringen, so könne es
nicht fehlen, daß die Muttersprache, wenn auch nicht gleich und mit einem
male, so doch in nicht allzu später Zeit, ihrer unverfälschte» Reinheit und Lauter¬
keit wiedergegeben werde.
Schon aus dieser flüchtigen Übersicht ergiebt sich, daß die Grundsätze,
welche Campe für die Reinigung und Bereicherung der deutschen Sprache auf¬
gestellt hat, der ihnen von der Berliner Akademie zugesprochenen Anerkennung
nicht unwert gewesen sind. Auch der Allgemeine deutsche Sprachverein wird
sie sich, freilich nur unter Abweisung von manchen Widerlichkeiten und unter
Verwendung der inzwischen gewonnenen Ergebnisse der Sprachwissenschaft, in
vielfacher Hinsicht aneignen dürfen. Was aber an Campe getadelt worden ist
und auch noch heute mit Recht getadelt werden muß, sind überhaupt an erster
Stelle garnicht die von ihm allsgesprochenen Grundsätze, sondern die ungestüme
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |