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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Beusts Erinnerungen.

lich sein, nie eine Kränkung nachgetragen, jedes fremde Verdienst freudig an¬
erkannt haben, und rügt die Manier. Angriffe auf Personen mit Lobsprüchen
auf dieselben einzuleiten. Nun kaun man, wenn jemand von ihm gerühmt wird,
mit einiger Sicherheit ein herbes Urteil erwarten, und es ist immerhin be¬
zeichnend, daß unter den Wenigen, welchen uneingeschränktes Lob zu Teil wird,
neben dem genugsam bekannten Herrn von Dalwigk, obenan stehen der Minister
Giskra, dessen Beteiligung an finanziellen Unternehmungen es seiner eignen
Partei schwer machte, ihn zu halten, Julian Klaczko, der polnische Jude und
freiwillige Franzose, der von Beust in das Ministerium gezogen worden war.
und auch in dieser Stellung seinen Deutschenhaß nicht zu bezähmen vermochte,
und Ignaz Kuranda, der Franzosenfreund. Die meisten andern erhalten mehr
oder weniger schlechte Noten, und nicht einmal Herr von Hoffmann, der doch
bisher für den wahren Pylades seines Vorgesetzten galt, ist davon ausgenommen.
Sehr übel kommen Fürst Auersperg und Graf Andrassh weg, am übelsten na¬
türlich "bei aller Deferenz" Fürst Bismarck. Was er alles unverblümt oder
zwischen den Zeilen dem Manne nachsagt, welcher das Verbrechen begangen
hat. sein Nachfolger zu werden, ist kaum zu glauben, sogar sür den Tod des
Botschafters Baron Kübeck macht er ihn verantwortlich, weil Andrassh diesen
nach Rom. anstatt, wie Beust wollte, nach Konstantinopel geschickt hat. Dem
deutscheu Kanzler kann er natürlich nicht verzeihen, in der Ausübung seiner
Providentiellen Mission gehindert worden zu sein. Bald empört ihn Bismarcks
"Macchiavellismus," bald sein "beispielloses Glück," bald seine deutliche Aus¬
drucksweise. Weiter zerbricht er sich den Kopf, weshalb Bismarck ihn "Haffe,"
und empfängt von Savigny die ebenso einleuchtende wie ansprechende Erklärung:
"Verschmähte Liebe." Köstlich ist folgende indirekt gegen feinen großen Ri¬
valen gerichtete Stelle. In dem Buche "Unser Reichskanzler" sagt Moritz Busch
mit Beziehung auf die Depesche, in welcher Beust die Sendung des Grasen
Taufkirchen beantwortete: "Was dieser ^Bismarck j dazu gesagt hat, erfahren
wir nicht. Vermutlich bewunderte er den guten Stil, in welchem der Wiener
Herr Kollege ihm für sein Entgegenkommen Sottisen sagte" (Bd. I, S. 438).
Dazu bemerkt Beust: "Ich will nicht in den gleichen Ton verfallen, allein mit
mehr Recht ließe sich behaupten, daß das Tauffkircheusche Angebot ein an¬
genehmer Scherz gewesen sei," und vergleicht dann die angebotene Garantie
der deutschen Provinzen Österreichs und "der Garantie, welche der italienische
Näuberhauptmmm dem Reisenden gegenüber, der sich mit ihm verständigen will,
übernimmt." Augenscheinlich haben Eitelkeit und Neid den Mann so verblendet,
daß er sich keine'Rechenschaft mehr über das gab, was er in die Öffentlichkeit
schicken wollte.

Wir sprachen von providentieller Mission. Daß Beust sich eine solche bei¬
gemessen hat, ist keine Frage: er sollte den Deutschen Bund erhalten, aber im
Sinne der Triasidee umbilden. Deutsch hat er niemals empfunden, sondern


Beusts Erinnerungen.

lich sein, nie eine Kränkung nachgetragen, jedes fremde Verdienst freudig an¬
erkannt haben, und rügt die Manier. Angriffe auf Personen mit Lobsprüchen
auf dieselben einzuleiten. Nun kaun man, wenn jemand von ihm gerühmt wird,
mit einiger Sicherheit ein herbes Urteil erwarten, und es ist immerhin be¬
zeichnend, daß unter den Wenigen, welchen uneingeschränktes Lob zu Teil wird,
neben dem genugsam bekannten Herrn von Dalwigk, obenan stehen der Minister
Giskra, dessen Beteiligung an finanziellen Unternehmungen es seiner eignen
Partei schwer machte, ihn zu halten, Julian Klaczko, der polnische Jude und
freiwillige Franzose, der von Beust in das Ministerium gezogen worden war.
und auch in dieser Stellung seinen Deutschenhaß nicht zu bezähmen vermochte,
und Ignaz Kuranda, der Franzosenfreund. Die meisten andern erhalten mehr
oder weniger schlechte Noten, und nicht einmal Herr von Hoffmann, der doch
bisher für den wahren Pylades seines Vorgesetzten galt, ist davon ausgenommen.
Sehr übel kommen Fürst Auersperg und Graf Andrassh weg, am übelsten na¬
türlich „bei aller Deferenz" Fürst Bismarck. Was er alles unverblümt oder
zwischen den Zeilen dem Manne nachsagt, welcher das Verbrechen begangen
hat. sein Nachfolger zu werden, ist kaum zu glauben, sogar sür den Tod des
Botschafters Baron Kübeck macht er ihn verantwortlich, weil Andrassh diesen
nach Rom. anstatt, wie Beust wollte, nach Konstantinopel geschickt hat. Dem
deutscheu Kanzler kann er natürlich nicht verzeihen, in der Ausübung seiner
Providentiellen Mission gehindert worden zu sein. Bald empört ihn Bismarcks
„Macchiavellismus," bald sein „beispielloses Glück," bald seine deutliche Aus¬
drucksweise. Weiter zerbricht er sich den Kopf, weshalb Bismarck ihn „Haffe,"
und empfängt von Savigny die ebenso einleuchtende wie ansprechende Erklärung:
„Verschmähte Liebe." Köstlich ist folgende indirekt gegen feinen großen Ri¬
valen gerichtete Stelle. In dem Buche „Unser Reichskanzler" sagt Moritz Busch
mit Beziehung auf die Depesche, in welcher Beust die Sendung des Grasen
Taufkirchen beantwortete: „Was dieser ^Bismarck j dazu gesagt hat, erfahren
wir nicht. Vermutlich bewunderte er den guten Stil, in welchem der Wiener
Herr Kollege ihm für sein Entgegenkommen Sottisen sagte" (Bd. I, S. 438).
Dazu bemerkt Beust: „Ich will nicht in den gleichen Ton verfallen, allein mit
mehr Recht ließe sich behaupten, daß das Tauffkircheusche Angebot ein an¬
genehmer Scherz gewesen sei," und vergleicht dann die angebotene Garantie
der deutschen Provinzen Österreichs und „der Garantie, welche der italienische
Näuberhauptmmm dem Reisenden gegenüber, der sich mit ihm verständigen will,
übernimmt." Augenscheinlich haben Eitelkeit und Neid den Mann so verblendet,
daß er sich keine'Rechenschaft mehr über das gab, was er in die Öffentlichkeit
schicken wollte.

Wir sprachen von providentieller Mission. Daß Beust sich eine solche bei¬
gemessen hat, ist keine Frage: er sollte den Deutschen Bund erhalten, aber im
Sinne der Triasidee umbilden. Deutsch hat er niemals empfunden, sondern


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[0037] Beusts Erinnerungen. lich sein, nie eine Kränkung nachgetragen, jedes fremde Verdienst freudig an¬ erkannt haben, und rügt die Manier. Angriffe auf Personen mit Lobsprüchen auf dieselben einzuleiten. Nun kaun man, wenn jemand von ihm gerühmt wird, mit einiger Sicherheit ein herbes Urteil erwarten, und es ist immerhin be¬ zeichnend, daß unter den Wenigen, welchen uneingeschränktes Lob zu Teil wird, neben dem genugsam bekannten Herrn von Dalwigk, obenan stehen der Minister Giskra, dessen Beteiligung an finanziellen Unternehmungen es seiner eignen Partei schwer machte, ihn zu halten, Julian Klaczko, der polnische Jude und freiwillige Franzose, der von Beust in das Ministerium gezogen worden war. und auch in dieser Stellung seinen Deutschenhaß nicht zu bezähmen vermochte, und Ignaz Kuranda, der Franzosenfreund. Die meisten andern erhalten mehr oder weniger schlechte Noten, und nicht einmal Herr von Hoffmann, der doch bisher für den wahren Pylades seines Vorgesetzten galt, ist davon ausgenommen. Sehr übel kommen Fürst Auersperg und Graf Andrassh weg, am übelsten na¬ türlich „bei aller Deferenz" Fürst Bismarck. Was er alles unverblümt oder zwischen den Zeilen dem Manne nachsagt, welcher das Verbrechen begangen hat. sein Nachfolger zu werden, ist kaum zu glauben, sogar sür den Tod des Botschafters Baron Kübeck macht er ihn verantwortlich, weil Andrassh diesen nach Rom. anstatt, wie Beust wollte, nach Konstantinopel geschickt hat. Dem deutscheu Kanzler kann er natürlich nicht verzeihen, in der Ausübung seiner Providentiellen Mission gehindert worden zu sein. Bald empört ihn Bismarcks „Macchiavellismus," bald sein „beispielloses Glück," bald seine deutliche Aus¬ drucksweise. Weiter zerbricht er sich den Kopf, weshalb Bismarck ihn „Haffe," und empfängt von Savigny die ebenso einleuchtende wie ansprechende Erklärung: „Verschmähte Liebe." Köstlich ist folgende indirekt gegen feinen großen Ri¬ valen gerichtete Stelle. In dem Buche „Unser Reichskanzler" sagt Moritz Busch mit Beziehung auf die Depesche, in welcher Beust die Sendung des Grasen Taufkirchen beantwortete: „Was dieser ^Bismarck j dazu gesagt hat, erfahren wir nicht. Vermutlich bewunderte er den guten Stil, in welchem der Wiener Herr Kollege ihm für sein Entgegenkommen Sottisen sagte" (Bd. I, S. 438). Dazu bemerkt Beust: „Ich will nicht in den gleichen Ton verfallen, allein mit mehr Recht ließe sich behaupten, daß das Tauffkircheusche Angebot ein an¬ genehmer Scherz gewesen sei," und vergleicht dann die angebotene Garantie der deutschen Provinzen Österreichs und „der Garantie, welche der italienische Näuberhauptmmm dem Reisenden gegenüber, der sich mit ihm verständigen will, übernimmt." Augenscheinlich haben Eitelkeit und Neid den Mann so verblendet, daß er sich keine'Rechenschaft mehr über das gab, was er in die Öffentlichkeit schicken wollte. Wir sprachen von providentieller Mission. Daß Beust sich eine solche bei¬ gemessen hat, ist keine Frage: er sollte den Deutschen Bund erhalten, aber im Sinne der Triasidee umbilden. Deutsch hat er niemals empfunden, sondern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/37>, abgerufen am 17.09.2024.