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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Österreich im Frühjahre ^3^9-

die deutsche Sprache von entbehrlichen französischen und lateinischen Zuthaten
zu säubern, von der andern Seite neuer Unrat hineingetragen würde.

Viel Mühe hat sich Heisere mit der Darstellung der kriegerischen Vorgänge
gegeben. Doch wird ihm auch dabei, wie schon berührt ist, die Überfülle un¬
wichtiger Einzelheiten hinderlich, und in dem Bestreben, die gleichzeitigen Er¬
eignisse auf verschiednen Schauplätzen soviel als möglich gleichzeitig vorzuführen,
hat er zu oft den Zusammenhang zerrissen, als daß der Leser sich ohne große
Anstrengung ein deutliches Bild machen könnte. Die Schwierigkeit seiner Auf¬
gabe verkennen wir nicht. Das eine geht auch aus seiner Erzählung hervor,
daß die Hauptursache des vielfachen Mißgeschickes der österreichischen Truppen
w der Überschätzung der ..Rebellen" zu suchen ist. Die zur Zeit des ersten
Napoleon erschienene Karikatur, auf welcher die kaiserlichen Soldaten als
Löwen, die Befehlshaber als eine andre Gattung von Vierfüßlern gekennzeichnet
waren, hätte mit gewissen Ausnahmen wohl noch ein halbes Jahrhundert
später getroffen. Wiederholt wird dargethan, daß wichtige Stellungen verloren
gingen, weil die Besserwisser im Hauptquartier es unnötig fanden, die dringend
verlangten und auch zugesagten Verstärkungen zu schicken.

Die Abschnitte über die deutsche Frage enthalten allerlei interessantes.
Da spricht heifere unverkennbar die damals in den Regierungskrelsen und auch
jetzt noch bei vielen österreichischen Politikern vorherrschenden Ansichten a.w.
Behaglich eignet er sich die Äußerung eines "sichern Müller" an, es sei "die
kerbte Neigung des preußischen Stammes, seine Zäune zu übersteigen." wiegen
die Vcrgrößeruugsgelüste der Königreiche von Napoleons Gnaden mit Wohl¬
wollen besprochen werden. Daß die kleinen Staaten sich lieber einen preußischen
Kaiser als ein sie mundtot machendes und mit Verlust der Selbständigkeit be¬
drohendes System von "Wehrherzogtümern" unter österreichischer Oberhoheit
gefallen lassen wollten, ist nur durch "preußische Einflüsterungen" zu erklären.
Und doch "wünschten Gagern und Anhang eine allgemeine Umwälzung, um alle
Fürsten, den König von Preußen und "etwa" den Kaiser von Osterreich aus¬
genommen, vom deutscheu Boden weggefegt, und deu Platz für ihren EMaiser
freigemacht zu sehen." Die schändliche Verschwörung war so ausgebreitet, van
die armen Könige von Hannover und Württemberg hinter dem Rucken ihrer
Minister mit den österreichischen Agenten verkehren mußten. Als Mitte Fe¬
bruar Prinz Friedrich von Preußen nach Frankfurt gekommen war, schrieb ver
österreichische Bevollmächtigte bei der Zentralgewalt. Schmerling -- dem mög-
licherweise diese Erinnerung kein sonderliches Vergnügen bereiten wird rann
Olmütz: "Ich traue es einer gewissen Partei zu. Unruhen im badischen ^ver¬
laute zu erregen, um mit preußischen Truppen zu Hilfe zu kommen und ven
Dank als Erretter empfangen zu können." Da haben wir es! Die verruchten
"Erbkaiserlichen" haben also ohne Zweifel die Militärrevolte in Baden an¬
gezettelt. Auch die Ereignisse in Sachsen werden berührt. Wie bei der Be-


Österreich im Frühjahre ^3^9-

die deutsche Sprache von entbehrlichen französischen und lateinischen Zuthaten
zu säubern, von der andern Seite neuer Unrat hineingetragen würde.

Viel Mühe hat sich Heisere mit der Darstellung der kriegerischen Vorgänge
gegeben. Doch wird ihm auch dabei, wie schon berührt ist, die Überfülle un¬
wichtiger Einzelheiten hinderlich, und in dem Bestreben, die gleichzeitigen Er¬
eignisse auf verschiednen Schauplätzen soviel als möglich gleichzeitig vorzuführen,
hat er zu oft den Zusammenhang zerrissen, als daß der Leser sich ohne große
Anstrengung ein deutliches Bild machen könnte. Die Schwierigkeit seiner Auf¬
gabe verkennen wir nicht. Das eine geht auch aus seiner Erzählung hervor,
daß die Hauptursache des vielfachen Mißgeschickes der österreichischen Truppen
w der Überschätzung der ..Rebellen" zu suchen ist. Die zur Zeit des ersten
Napoleon erschienene Karikatur, auf welcher die kaiserlichen Soldaten als
Löwen, die Befehlshaber als eine andre Gattung von Vierfüßlern gekennzeichnet
waren, hätte mit gewissen Ausnahmen wohl noch ein halbes Jahrhundert
später getroffen. Wiederholt wird dargethan, daß wichtige Stellungen verloren
gingen, weil die Besserwisser im Hauptquartier es unnötig fanden, die dringend
verlangten und auch zugesagten Verstärkungen zu schicken.

Die Abschnitte über die deutsche Frage enthalten allerlei interessantes.
Da spricht heifere unverkennbar die damals in den Regierungskrelsen und auch
jetzt noch bei vielen österreichischen Politikern vorherrschenden Ansichten a.w.
Behaglich eignet er sich die Äußerung eines „sichern Müller" an, es sei „die
kerbte Neigung des preußischen Stammes, seine Zäune zu übersteigen." wiegen
die Vcrgrößeruugsgelüste der Königreiche von Napoleons Gnaden mit Wohl¬
wollen besprochen werden. Daß die kleinen Staaten sich lieber einen preußischen
Kaiser als ein sie mundtot machendes und mit Verlust der Selbständigkeit be¬
drohendes System von „Wehrherzogtümern" unter österreichischer Oberhoheit
gefallen lassen wollten, ist nur durch „preußische Einflüsterungen" zu erklären.
Und doch „wünschten Gagern und Anhang eine allgemeine Umwälzung, um alle
Fürsten, den König von Preußen und »etwa« den Kaiser von Osterreich aus¬
genommen, vom deutscheu Boden weggefegt, und deu Platz für ihren EMaiser
freigemacht zu sehen." Die schändliche Verschwörung war so ausgebreitet, van
die armen Könige von Hannover und Württemberg hinter dem Rucken ihrer
Minister mit den österreichischen Agenten verkehren mußten. Als Mitte Fe¬
bruar Prinz Friedrich von Preußen nach Frankfurt gekommen war, schrieb ver
österreichische Bevollmächtigte bei der Zentralgewalt. Schmerling — dem mög-
licherweise diese Erinnerung kein sonderliches Vergnügen bereiten wird rann
Olmütz: „Ich traue es einer gewissen Partei zu. Unruhen im badischen ^ver¬
laute zu erregen, um mit preußischen Truppen zu Hilfe zu kommen und ven
Dank als Erretter empfangen zu können." Da haben wir es! Die verruchten
„Erbkaiserlichen" haben also ohne Zweifel die Militärrevolte in Baden an¬
gezettelt. Auch die Ereignisse in Sachsen werden berührt. Wie bei der Be-


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[0357] Österreich im Frühjahre ^3^9- die deutsche Sprache von entbehrlichen französischen und lateinischen Zuthaten zu säubern, von der andern Seite neuer Unrat hineingetragen würde. Viel Mühe hat sich Heisere mit der Darstellung der kriegerischen Vorgänge gegeben. Doch wird ihm auch dabei, wie schon berührt ist, die Überfülle un¬ wichtiger Einzelheiten hinderlich, und in dem Bestreben, die gleichzeitigen Er¬ eignisse auf verschiednen Schauplätzen soviel als möglich gleichzeitig vorzuführen, hat er zu oft den Zusammenhang zerrissen, als daß der Leser sich ohne große Anstrengung ein deutliches Bild machen könnte. Die Schwierigkeit seiner Auf¬ gabe verkennen wir nicht. Das eine geht auch aus seiner Erzählung hervor, daß die Hauptursache des vielfachen Mißgeschickes der österreichischen Truppen w der Überschätzung der ..Rebellen" zu suchen ist. Die zur Zeit des ersten Napoleon erschienene Karikatur, auf welcher die kaiserlichen Soldaten als Löwen, die Befehlshaber als eine andre Gattung von Vierfüßlern gekennzeichnet waren, hätte mit gewissen Ausnahmen wohl noch ein halbes Jahrhundert später getroffen. Wiederholt wird dargethan, daß wichtige Stellungen verloren gingen, weil die Besserwisser im Hauptquartier es unnötig fanden, die dringend verlangten und auch zugesagten Verstärkungen zu schicken. Die Abschnitte über die deutsche Frage enthalten allerlei interessantes. Da spricht heifere unverkennbar die damals in den Regierungskrelsen und auch jetzt noch bei vielen österreichischen Politikern vorherrschenden Ansichten a.w. Behaglich eignet er sich die Äußerung eines „sichern Müller" an, es sei „die kerbte Neigung des preußischen Stammes, seine Zäune zu übersteigen." wiegen die Vcrgrößeruugsgelüste der Königreiche von Napoleons Gnaden mit Wohl¬ wollen besprochen werden. Daß die kleinen Staaten sich lieber einen preußischen Kaiser als ein sie mundtot machendes und mit Verlust der Selbständigkeit be¬ drohendes System von „Wehrherzogtümern" unter österreichischer Oberhoheit gefallen lassen wollten, ist nur durch „preußische Einflüsterungen" zu erklären. Und doch „wünschten Gagern und Anhang eine allgemeine Umwälzung, um alle Fürsten, den König von Preußen und »etwa« den Kaiser von Osterreich aus¬ genommen, vom deutscheu Boden weggefegt, und deu Platz für ihren EMaiser freigemacht zu sehen." Die schändliche Verschwörung war so ausgebreitet, van die armen Könige von Hannover und Württemberg hinter dem Rucken ihrer Minister mit den österreichischen Agenten verkehren mußten. Als Mitte Fe¬ bruar Prinz Friedrich von Preußen nach Frankfurt gekommen war, schrieb ver österreichische Bevollmächtigte bei der Zentralgewalt. Schmerling — dem mög- licherweise diese Erinnerung kein sonderliches Vergnügen bereiten wird rann Olmütz: „Ich traue es einer gewissen Partei zu. Unruhen im badischen ^ver¬ laute zu erregen, um mit preußischen Truppen zu Hilfe zu kommen und ven Dank als Erretter empfangen zu können." Da haben wir es! Die verruchten „Erbkaiserlichen" haben also ohne Zweifel die Militärrevolte in Baden an¬ gezettelt. Auch die Ereignisse in Sachsen werden berührt. Wie bei der Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/357>, abgerufen am 17.09.2024.