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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Russische Skizzen.

Schwester der Peterskuppel in Rom, getragen von einem Kranze roter Granit¬
säulen, und mit ihrer funkelnden, vergoldeten Bronzewölbung emporsteigend bis
zur Höhe von 102 Metern. Die blendende Pracht des Innern, besonders des
Ikonostas, der Bilderwand, welche das Allerheiligste abschließt, mit seinen Säulen
aus grünem Malachit und blcmgoldnem Lapislazuli, seinen Mosaiken in der
.Kuppelwölbung, den Heiligenbildern in edelstem- und goldübcrladenem Rahmen,
den prunkvollen Altären leidet nur an der düsteren Beleuchtung, denn nnr dnrch
Fenster in der Kuppel sällt das Licht in den Mittelraum herein, und bei be¬
wölktem Himmel verschwimmen die Einzelheiten. Aber groß ist doch immer
der Eindruck, wenn von einem hellerleuchteten Altar her in das dämmernde
Halbdunkel des weiten Raumes hinein der feierliche Chorgesang des griechischen
Gottesdienstes schallt, während die Andächtigen auf den Knieen liegen. Freilich
mutet es den Abendländer wieder sonderbar an, wenn er am Eingänge der
Kirche eiuen Verkaufsstaud findet, um dem der gläubige Russe ebenso gut wie
der neugierige Fremde Heiligenbilder (Obras) vom einfachsten bis zum kostbarsten
einhandeln kann. Nur eins schmälert dem Petersburger die Freude an seinem
Isaak; der massige Riesenbau, zu schwer für den sumpfigen Boden der Stadt,
sinkt ein und ist infolge dessen nie frei von Gerüsten, da bestündig Marmor¬
stücke ausgewechselt, Stützen untergeschoben werden müssen. Seit Jahren schon
ist so die ganze Newaseite verbaut und auch auf dem Dache wird ununter¬
brochen gearbeitet und gebessert.

Wenige Schritte von der Jsaakskirche aus nach der Newa hin, vorüber
an der langen Front des Kriegsministeriums, dessen Bestimmung wie bei jedem
öffentlichen Gebäude eine Inschrift verrät, führen mitten hinein in die schattigen
Baumgänge des Alexandergartens, eine Schöpfung Alexanders I. an Stelle
der Wälle und Gräben, welche ehemals bis auf Paul I. die Admiralität von
der Landseite her schützten. Freilich dient dies langgestreckte Gebäude, das seine
mit Halbsäulen geschmückte weiße Front und das hochgewölbte Thor in der
Mitte unter dein breiten, erst oben in eine spitze Nadel auslaufenden Turme,
nach Süden der Stadt zugekehrt, längst nicht mehr kriegerischen Zwecken,
und sein Hof nach der Newa hin, auf dem einst die schwimmenden Festungen
der russischen Marine gezimmert wurden, ist jetzt der Bebauung dnrch Privat-
hüuser überlassen, aber noch bildet die vergoldete Tnrmnadel ein Wahrzeichen
Petersburgs und das Mariuemuseum (Mvrskvj Musej), unstreitig eine der
merkwürdigsten und reichhaltigsten Sammlungen dieser Art, ist zugleich eine
Ruhmeshalle der russischen Flotte, die in sauber gearbeiteten Modellen ihren
ganzen Entwicklungsgang von den ersten Galeeren Peters des Großen bis
herab zu den modernen Panzerkolossen und den kaiserlichen Jachten "Liwcidija"
und "Dershawa" vergegenwärtigt und aufs lebhafteste daran erinnert, daß das
Emporsteigen Petersburgs, also des russischen Reiches, in hundertjährigen
Kämpfen mit deu Schweden, der herrschenden Ostseemacht des vorigen Jahr-


Russische Skizzen.

Schwester der Peterskuppel in Rom, getragen von einem Kranze roter Granit¬
säulen, und mit ihrer funkelnden, vergoldeten Bronzewölbung emporsteigend bis
zur Höhe von 102 Metern. Die blendende Pracht des Innern, besonders des
Ikonostas, der Bilderwand, welche das Allerheiligste abschließt, mit seinen Säulen
aus grünem Malachit und blcmgoldnem Lapislazuli, seinen Mosaiken in der
.Kuppelwölbung, den Heiligenbildern in edelstem- und goldübcrladenem Rahmen,
den prunkvollen Altären leidet nur an der düsteren Beleuchtung, denn nnr dnrch
Fenster in der Kuppel sällt das Licht in den Mittelraum herein, und bei be¬
wölktem Himmel verschwimmen die Einzelheiten. Aber groß ist doch immer
der Eindruck, wenn von einem hellerleuchteten Altar her in das dämmernde
Halbdunkel des weiten Raumes hinein der feierliche Chorgesang des griechischen
Gottesdienstes schallt, während die Andächtigen auf den Knieen liegen. Freilich
mutet es den Abendländer wieder sonderbar an, wenn er am Eingänge der
Kirche eiuen Verkaufsstaud findet, um dem der gläubige Russe ebenso gut wie
der neugierige Fremde Heiligenbilder (Obras) vom einfachsten bis zum kostbarsten
einhandeln kann. Nur eins schmälert dem Petersburger die Freude an seinem
Isaak; der massige Riesenbau, zu schwer für den sumpfigen Boden der Stadt,
sinkt ein und ist infolge dessen nie frei von Gerüsten, da bestündig Marmor¬
stücke ausgewechselt, Stützen untergeschoben werden müssen. Seit Jahren schon
ist so die ganze Newaseite verbaut und auch auf dem Dache wird ununter¬
brochen gearbeitet und gebessert.

Wenige Schritte von der Jsaakskirche aus nach der Newa hin, vorüber
an der langen Front des Kriegsministeriums, dessen Bestimmung wie bei jedem
öffentlichen Gebäude eine Inschrift verrät, führen mitten hinein in die schattigen
Baumgänge des Alexandergartens, eine Schöpfung Alexanders I. an Stelle
der Wälle und Gräben, welche ehemals bis auf Paul I. die Admiralität von
der Landseite her schützten. Freilich dient dies langgestreckte Gebäude, das seine
mit Halbsäulen geschmückte weiße Front und das hochgewölbte Thor in der
Mitte unter dein breiten, erst oben in eine spitze Nadel auslaufenden Turme,
nach Süden der Stadt zugekehrt, längst nicht mehr kriegerischen Zwecken,
und sein Hof nach der Newa hin, auf dem einst die schwimmenden Festungen
der russischen Marine gezimmert wurden, ist jetzt der Bebauung dnrch Privat-
hüuser überlassen, aber noch bildet die vergoldete Tnrmnadel ein Wahrzeichen
Petersburgs und das Mariuemuseum (Mvrskvj Musej), unstreitig eine der
merkwürdigsten und reichhaltigsten Sammlungen dieser Art, ist zugleich eine
Ruhmeshalle der russischen Flotte, die in sauber gearbeiteten Modellen ihren
ganzen Entwicklungsgang von den ersten Galeeren Peters des Großen bis
herab zu den modernen Panzerkolossen und den kaiserlichen Jachten „Liwcidija"
und „Dershawa" vergegenwärtigt und aufs lebhafteste daran erinnert, daß das
Emporsteigen Petersburgs, also des russischen Reiches, in hundertjährigen
Kämpfen mit deu Schweden, der herrschenden Ostseemacht des vorigen Jahr-


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[0346] Russische Skizzen. Schwester der Peterskuppel in Rom, getragen von einem Kranze roter Granit¬ säulen, und mit ihrer funkelnden, vergoldeten Bronzewölbung emporsteigend bis zur Höhe von 102 Metern. Die blendende Pracht des Innern, besonders des Ikonostas, der Bilderwand, welche das Allerheiligste abschließt, mit seinen Säulen aus grünem Malachit und blcmgoldnem Lapislazuli, seinen Mosaiken in der .Kuppelwölbung, den Heiligenbildern in edelstem- und goldübcrladenem Rahmen, den prunkvollen Altären leidet nur an der düsteren Beleuchtung, denn nnr dnrch Fenster in der Kuppel sällt das Licht in den Mittelraum herein, und bei be¬ wölktem Himmel verschwimmen die Einzelheiten. Aber groß ist doch immer der Eindruck, wenn von einem hellerleuchteten Altar her in das dämmernde Halbdunkel des weiten Raumes hinein der feierliche Chorgesang des griechischen Gottesdienstes schallt, während die Andächtigen auf den Knieen liegen. Freilich mutet es den Abendländer wieder sonderbar an, wenn er am Eingänge der Kirche eiuen Verkaufsstaud findet, um dem der gläubige Russe ebenso gut wie der neugierige Fremde Heiligenbilder (Obras) vom einfachsten bis zum kostbarsten einhandeln kann. Nur eins schmälert dem Petersburger die Freude an seinem Isaak; der massige Riesenbau, zu schwer für den sumpfigen Boden der Stadt, sinkt ein und ist infolge dessen nie frei von Gerüsten, da bestündig Marmor¬ stücke ausgewechselt, Stützen untergeschoben werden müssen. Seit Jahren schon ist so die ganze Newaseite verbaut und auch auf dem Dache wird ununter¬ brochen gearbeitet und gebessert. Wenige Schritte von der Jsaakskirche aus nach der Newa hin, vorüber an der langen Front des Kriegsministeriums, dessen Bestimmung wie bei jedem öffentlichen Gebäude eine Inschrift verrät, führen mitten hinein in die schattigen Baumgänge des Alexandergartens, eine Schöpfung Alexanders I. an Stelle der Wälle und Gräben, welche ehemals bis auf Paul I. die Admiralität von der Landseite her schützten. Freilich dient dies langgestreckte Gebäude, das seine mit Halbsäulen geschmückte weiße Front und das hochgewölbte Thor in der Mitte unter dein breiten, erst oben in eine spitze Nadel auslaufenden Turme, nach Süden der Stadt zugekehrt, längst nicht mehr kriegerischen Zwecken, und sein Hof nach der Newa hin, auf dem einst die schwimmenden Festungen der russischen Marine gezimmert wurden, ist jetzt der Bebauung dnrch Privat- hüuser überlassen, aber noch bildet die vergoldete Tnrmnadel ein Wahrzeichen Petersburgs und das Mariuemuseum (Mvrskvj Musej), unstreitig eine der merkwürdigsten und reichhaltigsten Sammlungen dieser Art, ist zugleich eine Ruhmeshalle der russischen Flotte, die in sauber gearbeiteten Modellen ihren ganzen Entwicklungsgang von den ersten Galeeren Peters des Großen bis herab zu den modernen Panzerkolossen und den kaiserlichen Jachten „Liwcidija" und „Dershawa" vergegenwärtigt und aufs lebhafteste daran erinnert, daß das Emporsteigen Petersburgs, also des russischen Reiches, in hundertjährigen Kämpfen mit deu Schweden, der herrschenden Ostseemacht des vorigen Jahr-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/346>, abgerufen am 17.09.2024.