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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Russische Skizzen.

StM, im neue" Gutujewskijhafen vor Anker ging. Wir waren
wirtlich in Petersburg, und uoch war es mir wie ein Traum.

Das nächste Bedürfnis für den Ankömmling in einer großen, fremden
^labt ist, nachdem er festgestellt hat. wo er sein Haupt hinlegt, das der Oricn-
Mung. Da Petersburg ganz flach liegt, nur fünfzehn Meter über dem Meere,
lo ist das beste Mittel, sich einen Überblick zu verschaffen, die Besteigung der
>5>aakskuppel. Da liegen sie zu unsern Füßen, die breiten, geraden, lebensvollen
laßen und Plätze der ungeheuer" Stadt, Dutzende von Kuppeln und Türmen
er verschiedensten Formen und Farben, die gewaltige Newa mit ihren Granit-
quais und Palastreihen und Brücken und Schiffen, jenseits, kurz nachdem sie
Reh in die Newa und Newka gespalten, die Festung mit dem spitzen, vergoldeten
^urme der Peter-Pauls-Kathedrale, darüber hinaus nach Norden und Westen
le grünen Inseln, weiter nach Westen das Meer und im Dufte verschwimmend
le hohen Küsten Finnlands und Jngermannlands. Der Hauptteil der Stadt,
" ^genannte große Seite, zieht sich südlich von der Newa hin, jenseits liegt
noch vor ihrer Trennung in mehrere Arme die Wiborger Seite, nördlich der
Festung die Petersburger Seite, nach der Peter-Pauls-Festung so genannt,
zwychen der kleinen Newa und der großen Newka, endlich zwischen der großen
und kleinen Newa Wassily Ostrow. Vier Kanäle durchschneiden von Westen
V " - ! ^" der Newa aus gespeist, die große Seite, die Mojka, der
^atyarinenkanal, die Fontcmka und der Umfassungskanal, und drei mächtige
naszenllmen, der Newskijprospekt, die Gorochowaja (Erbsenstraße) und der
^nesenskijprospekt, durchschneiden sie radienförmig von der Admiralität aus
hinwärts. Ungeheure Ausdehnung, sehr breite, gerade Straßen, riesige
ii'-hö' i! ^ Petersburg charakteristisch; im einzelnen aber tragen die
erMedenen Stadtteile ein äußerst verschiedenes Gepräge, stellen im ganzen ein
ennsch westeuropäischer und nationalrussischer Züge dar, das namentlich dann
we? ^et^' wenn man mit der Anschauung hinkommt, Petersburg sei im
lentUchen, was andre europäische Großstädte auch sind. Nationalrussisch ist der
mvruck der entlegenen Vorstädte: meist hölzerne, ein- oder zweistöckige Häuser,
grell, rot, blau, gold bemalte Firmen, zahllose Kneipen, meist mit der Aufschrift:
..Horternaja" (Vierhalle) oder "Traktir" (Traiteur) oder "Nejnskij Pogreb"
eigentlich "Rheinischer Keller," also Weinstube, thatsächlich Branntwein-
icyan en niedrigster Gattung), ungepflasterte, schlecht gehaltene, schmutzige oder
Mubtge Straßen, hölzerne Fußbahnen an den Häusern hin, mächtige Fabriken,
un tönten auch große Bahnhöfe sind ihnen charakteristisch. Je mehr man sich
der Moa nähert, desto europäischer, prächtiger gestaltet sich alles: breite
Straßen zwischen stattlichen, oft riesigen Gebäuden, prachtvolle Denkmäler,
Indore, vortrefflich gehaltene öffentliche Gärten. Manches freilich bleibt auf¬
fällig; die Straßen haben zwar fast stets breite, schöne Trottoirs, aber das
-Pflaster ist fast immer sehr schlecht, das Holzpflaster selten und meist abge-


Russische Skizzen.

StM, im neue» Gutujewskijhafen vor Anker ging. Wir waren
wirtlich in Petersburg, und uoch war es mir wie ein Traum.

Das nächste Bedürfnis für den Ankömmling in einer großen, fremden
^labt ist, nachdem er festgestellt hat. wo er sein Haupt hinlegt, das der Oricn-
Mung. Da Petersburg ganz flach liegt, nur fünfzehn Meter über dem Meere,
lo ist das beste Mittel, sich einen Überblick zu verschaffen, die Besteigung der
>5>aakskuppel. Da liegen sie zu unsern Füßen, die breiten, geraden, lebensvollen
laßen und Plätze der ungeheuer» Stadt, Dutzende von Kuppeln und Türmen
er verschiedensten Formen und Farben, die gewaltige Newa mit ihren Granit-
quais und Palastreihen und Brücken und Schiffen, jenseits, kurz nachdem sie
Reh in die Newa und Newka gespalten, die Festung mit dem spitzen, vergoldeten
^urme der Peter-Pauls-Kathedrale, darüber hinaus nach Norden und Westen
le grünen Inseln, weiter nach Westen das Meer und im Dufte verschwimmend
le hohen Küsten Finnlands und Jngermannlands. Der Hauptteil der Stadt,
" ^genannte große Seite, zieht sich südlich von der Newa hin, jenseits liegt
noch vor ihrer Trennung in mehrere Arme die Wiborger Seite, nördlich der
Festung die Petersburger Seite, nach der Peter-Pauls-Festung so genannt,
zwychen der kleinen Newa und der großen Newka, endlich zwischen der großen
und kleinen Newa Wassily Ostrow. Vier Kanäle durchschneiden von Westen
V „ - ! ^" der Newa aus gespeist, die große Seite, die Mojka, der
^atyarinenkanal, die Fontcmka und der Umfassungskanal, und drei mächtige
naszenllmen, der Newskijprospekt, die Gorochowaja (Erbsenstraße) und der
^nesenskijprospekt, durchschneiden sie radienförmig von der Admiralität aus
hinwärts. Ungeheure Ausdehnung, sehr breite, gerade Straßen, riesige
ii'-hö' i! ^ Petersburg charakteristisch; im einzelnen aber tragen die
erMedenen Stadtteile ein äußerst verschiedenes Gepräge, stellen im ganzen ein
ennsch westeuropäischer und nationalrussischer Züge dar, das namentlich dann
we? ^et^' wenn man mit der Anschauung hinkommt, Petersburg sei im
lentUchen, was andre europäische Großstädte auch sind. Nationalrussisch ist der
mvruck der entlegenen Vorstädte: meist hölzerne, ein- oder zweistöckige Häuser,
grell, rot, blau, gold bemalte Firmen, zahllose Kneipen, meist mit der Aufschrift:
..Horternaja" (Vierhalle) oder „Traktir" (Traiteur) oder „Nejnskij Pogreb"
eigentlich „Rheinischer Keller," also Weinstube, thatsächlich Branntwein-
icyan en niedrigster Gattung), ungepflasterte, schlecht gehaltene, schmutzige oder
Mubtge Straßen, hölzerne Fußbahnen an den Häusern hin, mächtige Fabriken,
un tönten auch große Bahnhöfe sind ihnen charakteristisch. Je mehr man sich
der Moa nähert, desto europäischer, prächtiger gestaltet sich alles: breite
Straßen zwischen stattlichen, oft riesigen Gebäuden, prachtvolle Denkmäler,
Indore, vortrefflich gehaltene öffentliche Gärten. Manches freilich bleibt auf¬
fällig; die Straßen haben zwar fast stets breite, schöne Trottoirs, aber das
-Pflaster ist fast immer sehr schlecht, das Holzpflaster selten und meist abge-


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[0343] Russische Skizzen. StM, im neue» Gutujewskijhafen vor Anker ging. Wir waren wirtlich in Petersburg, und uoch war es mir wie ein Traum. Das nächste Bedürfnis für den Ankömmling in einer großen, fremden ^labt ist, nachdem er festgestellt hat. wo er sein Haupt hinlegt, das der Oricn- Mung. Da Petersburg ganz flach liegt, nur fünfzehn Meter über dem Meere, lo ist das beste Mittel, sich einen Überblick zu verschaffen, die Besteigung der >5>aakskuppel. Da liegen sie zu unsern Füßen, die breiten, geraden, lebensvollen laßen und Plätze der ungeheuer» Stadt, Dutzende von Kuppeln und Türmen er verschiedensten Formen und Farben, die gewaltige Newa mit ihren Granit- quais und Palastreihen und Brücken und Schiffen, jenseits, kurz nachdem sie Reh in die Newa und Newka gespalten, die Festung mit dem spitzen, vergoldeten ^urme der Peter-Pauls-Kathedrale, darüber hinaus nach Norden und Westen le grünen Inseln, weiter nach Westen das Meer und im Dufte verschwimmend le hohen Küsten Finnlands und Jngermannlands. Der Hauptteil der Stadt, " ^genannte große Seite, zieht sich südlich von der Newa hin, jenseits liegt noch vor ihrer Trennung in mehrere Arme die Wiborger Seite, nördlich der Festung die Petersburger Seite, nach der Peter-Pauls-Festung so genannt, zwychen der kleinen Newa und der großen Newka, endlich zwischen der großen und kleinen Newa Wassily Ostrow. Vier Kanäle durchschneiden von Westen V „ - ! ^" der Newa aus gespeist, die große Seite, die Mojka, der ^atyarinenkanal, die Fontcmka und der Umfassungskanal, und drei mächtige naszenllmen, der Newskijprospekt, die Gorochowaja (Erbsenstraße) und der ^nesenskijprospekt, durchschneiden sie radienförmig von der Admiralität aus hinwärts. Ungeheure Ausdehnung, sehr breite, gerade Straßen, riesige ii'-hö' i! ^ Petersburg charakteristisch; im einzelnen aber tragen die erMedenen Stadtteile ein äußerst verschiedenes Gepräge, stellen im ganzen ein ennsch westeuropäischer und nationalrussischer Züge dar, das namentlich dann we? ^et^' wenn man mit der Anschauung hinkommt, Petersburg sei im lentUchen, was andre europäische Großstädte auch sind. Nationalrussisch ist der mvruck der entlegenen Vorstädte: meist hölzerne, ein- oder zweistöckige Häuser, grell, rot, blau, gold bemalte Firmen, zahllose Kneipen, meist mit der Aufschrift: ..Horternaja" (Vierhalle) oder „Traktir" (Traiteur) oder „Nejnskij Pogreb" eigentlich „Rheinischer Keller," also Weinstube, thatsächlich Branntwein- icyan en niedrigster Gattung), ungepflasterte, schlecht gehaltene, schmutzige oder Mubtge Straßen, hölzerne Fußbahnen an den Häusern hin, mächtige Fabriken, un tönten auch große Bahnhöfe sind ihnen charakteristisch. Je mehr man sich der Moa nähert, desto europäischer, prächtiger gestaltet sich alles: breite Straßen zwischen stattlichen, oft riesigen Gebäuden, prachtvolle Denkmäler, Indore, vortrefflich gehaltene öffentliche Gärten. Manches freilich bleibt auf¬ fällig; die Straßen haben zwar fast stets breite, schöne Trottoirs, aber das -Pflaster ist fast immer sehr schlecht, das Holzpflaster selten und meist abge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/343>, abgerufen am 17.09.2024.