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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Beusts Erinnerungen.

von Schleswig-Holstein veranlassen; alsdann "hätte es kein Kondominium, keinen
Gasteiner Vertrag und schließlich keinen österreichisch-preußischen Krieg gegeben."
Und an andrer Stelle: "Hätte ich in allen deutschen Mittelstaaten Dalwigks
zur Seite gehabt, die Organisirung Deutschlands ans Grund der Trias wäre
thatsächlich ins Leben getreten, und -- dies ist meine innigste Überzeugung --
wir hätten keinen der drei Kriege von 1859. 1866 und 1870 erlebt." Vom
deutschen Kriege aber, der ohne seine Schuld zum Ausbruch kam, wollte er
wenigstens einen andern Ausgang besorgen. Er bestand darauf, daß das
baierische Heer nach Böhmen geschickt würde; wäre das geschehen, so würde bei
Königgrätz Preußen geschlagen worden sein, und das weitere können wir uns
denken. Als die Dinge leider eine ganz andre Wendung genommen hatten,
sagte er Louis Napoleon und Drouyn de l'Huys, wenn Frankreich nicht ein¬
schreite, werde es in fünf bis sechs. Jahren Krieg mit Preußen und ganz
Deutschland haben. Die Franzosen blieben verstockt, und hatten nachher höchstens
die Ausrede, daß der sächsische Staatsmann die Frist zu lang bemessen hatte!
1869 bemühte er sich, die Herzogin von Genua zur Annahme der spanischen
Krone für ihren Sohn Tommaso zu bewegen, leider vergeblich, denn "wäre mein
guter Rat befolgt worden, so hätte es im nächsten Jahre keine hohenzollernsche
Kandidatur und keinen deutsch-französischen Krieg gegeben." Daß Tommaso
mehr Glück gehabt haben würde als sein Oheim Amadeo, ergiebt sich daraus,
"daß die Berufung eines fremden Prinzen auf einen vakanten Thron dann am
meisten Aussicht auf Dauer bietet, wenn der Berufene minderjährig ist, weil
in diesem Fall die Verantwortung und damit die Unzufriedenheit zunächst ihm
fern bleiben, sondern (!) die Regentschaft treffen." Daß Preußen die Kandidatur
des Prinzen Leopold überhaupt zuließ, war unter allen Umständen eine "Pro¬
vokation" Frankreichs, "entweder Mißachtung des französischen Nationalgefühls
oder Versuch, sich für einen Krieg mit Frankreich einen Bundesgenossen in
dessen Rücken zu schaffen. . . . Daß man in Berlin den Krieg vermeiden wollte,
wäre nur dann anzunehmen erlaubt gewesen, wenn man von Haus aus die
hohenzollernsche Kandidatur von der Hand gewiesen hätte." Beust warnte nun
in Paris, man möge das Odium des Friedensbruches nicht auf sich nehmen,
sich nur gegen den Prätendenten und die spanische Negierung wenden und eine
Intervention Preußens abwarten; ebenso vergeblich gab er "den dringenden
Rat, die Nenunziation des Prinzen als diplomatischen Sieg auszunutzen." Den
Vorschlag, von Brest oder Cherbourg ein Geschwader auszuschicken, um den
etwa nach Spanien segelnden Kronprätendenten abzufangen, nannte man in Paris
sogar uns sosinz Ä'oxLra-oowiauö. Beust ist aber durchaus nicht der Ansicht,
daß sein Einfall in die "Großherzogin von Gerolstein" gepaßt haben würde.
Erstens stehe derselbe nicht in einer Depesche oder einem vertraulichen diplo¬
matischen Schriftstücke, sondern auf "einem Oktavblättchen" an den Fürsten
Metternich, "daher solche Ausdrücke wie silixoiMsr nicht nach strengem Wort-


Beusts Erinnerungen.

von Schleswig-Holstein veranlassen; alsdann „hätte es kein Kondominium, keinen
Gasteiner Vertrag und schließlich keinen österreichisch-preußischen Krieg gegeben."
Und an andrer Stelle: „Hätte ich in allen deutschen Mittelstaaten Dalwigks
zur Seite gehabt, die Organisirung Deutschlands ans Grund der Trias wäre
thatsächlich ins Leben getreten, und — dies ist meine innigste Überzeugung —
wir hätten keinen der drei Kriege von 1859. 1866 und 1870 erlebt." Vom
deutschen Kriege aber, der ohne seine Schuld zum Ausbruch kam, wollte er
wenigstens einen andern Ausgang besorgen. Er bestand darauf, daß das
baierische Heer nach Böhmen geschickt würde; wäre das geschehen, so würde bei
Königgrätz Preußen geschlagen worden sein, und das weitere können wir uns
denken. Als die Dinge leider eine ganz andre Wendung genommen hatten,
sagte er Louis Napoleon und Drouyn de l'Huys, wenn Frankreich nicht ein¬
schreite, werde es in fünf bis sechs. Jahren Krieg mit Preußen und ganz
Deutschland haben. Die Franzosen blieben verstockt, und hatten nachher höchstens
die Ausrede, daß der sächsische Staatsmann die Frist zu lang bemessen hatte!
1869 bemühte er sich, die Herzogin von Genua zur Annahme der spanischen
Krone für ihren Sohn Tommaso zu bewegen, leider vergeblich, denn „wäre mein
guter Rat befolgt worden, so hätte es im nächsten Jahre keine hohenzollernsche
Kandidatur und keinen deutsch-französischen Krieg gegeben." Daß Tommaso
mehr Glück gehabt haben würde als sein Oheim Amadeo, ergiebt sich daraus,
„daß die Berufung eines fremden Prinzen auf einen vakanten Thron dann am
meisten Aussicht auf Dauer bietet, wenn der Berufene minderjährig ist, weil
in diesem Fall die Verantwortung und damit die Unzufriedenheit zunächst ihm
fern bleiben, sondern (!) die Regentschaft treffen." Daß Preußen die Kandidatur
des Prinzen Leopold überhaupt zuließ, war unter allen Umständen eine „Pro¬
vokation" Frankreichs, „entweder Mißachtung des französischen Nationalgefühls
oder Versuch, sich für einen Krieg mit Frankreich einen Bundesgenossen in
dessen Rücken zu schaffen. . . . Daß man in Berlin den Krieg vermeiden wollte,
wäre nur dann anzunehmen erlaubt gewesen, wenn man von Haus aus die
hohenzollernsche Kandidatur von der Hand gewiesen hätte." Beust warnte nun
in Paris, man möge das Odium des Friedensbruches nicht auf sich nehmen,
sich nur gegen den Prätendenten und die spanische Negierung wenden und eine
Intervention Preußens abwarten; ebenso vergeblich gab er „den dringenden
Rat, die Nenunziation des Prinzen als diplomatischen Sieg auszunutzen." Den
Vorschlag, von Brest oder Cherbourg ein Geschwader auszuschicken, um den
etwa nach Spanien segelnden Kronprätendenten abzufangen, nannte man in Paris
sogar uns sosinz Ä'oxLra-oowiauö. Beust ist aber durchaus nicht der Ansicht,
daß sein Einfall in die „Großherzogin von Gerolstein" gepaßt haben würde.
Erstens stehe derselbe nicht in einer Depesche oder einem vertraulichen diplo¬
matischen Schriftstücke, sondern auf „einem Oktavblättchen" an den Fürsten
Metternich, „daher solche Ausdrücke wie silixoiMsr nicht nach strengem Wort-


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[0034] Beusts Erinnerungen. von Schleswig-Holstein veranlassen; alsdann „hätte es kein Kondominium, keinen Gasteiner Vertrag und schließlich keinen österreichisch-preußischen Krieg gegeben." Und an andrer Stelle: „Hätte ich in allen deutschen Mittelstaaten Dalwigks zur Seite gehabt, die Organisirung Deutschlands ans Grund der Trias wäre thatsächlich ins Leben getreten, und — dies ist meine innigste Überzeugung — wir hätten keinen der drei Kriege von 1859. 1866 und 1870 erlebt." Vom deutschen Kriege aber, der ohne seine Schuld zum Ausbruch kam, wollte er wenigstens einen andern Ausgang besorgen. Er bestand darauf, daß das baierische Heer nach Böhmen geschickt würde; wäre das geschehen, so würde bei Königgrätz Preußen geschlagen worden sein, und das weitere können wir uns denken. Als die Dinge leider eine ganz andre Wendung genommen hatten, sagte er Louis Napoleon und Drouyn de l'Huys, wenn Frankreich nicht ein¬ schreite, werde es in fünf bis sechs. Jahren Krieg mit Preußen und ganz Deutschland haben. Die Franzosen blieben verstockt, und hatten nachher höchstens die Ausrede, daß der sächsische Staatsmann die Frist zu lang bemessen hatte! 1869 bemühte er sich, die Herzogin von Genua zur Annahme der spanischen Krone für ihren Sohn Tommaso zu bewegen, leider vergeblich, denn „wäre mein guter Rat befolgt worden, so hätte es im nächsten Jahre keine hohenzollernsche Kandidatur und keinen deutsch-französischen Krieg gegeben." Daß Tommaso mehr Glück gehabt haben würde als sein Oheim Amadeo, ergiebt sich daraus, „daß die Berufung eines fremden Prinzen auf einen vakanten Thron dann am meisten Aussicht auf Dauer bietet, wenn der Berufene minderjährig ist, weil in diesem Fall die Verantwortung und damit die Unzufriedenheit zunächst ihm fern bleiben, sondern (!) die Regentschaft treffen." Daß Preußen die Kandidatur des Prinzen Leopold überhaupt zuließ, war unter allen Umständen eine „Pro¬ vokation" Frankreichs, „entweder Mißachtung des französischen Nationalgefühls oder Versuch, sich für einen Krieg mit Frankreich einen Bundesgenossen in dessen Rücken zu schaffen. . . . Daß man in Berlin den Krieg vermeiden wollte, wäre nur dann anzunehmen erlaubt gewesen, wenn man von Haus aus die hohenzollernsche Kandidatur von der Hand gewiesen hätte." Beust warnte nun in Paris, man möge das Odium des Friedensbruches nicht auf sich nehmen, sich nur gegen den Prätendenten und die spanische Negierung wenden und eine Intervention Preußens abwarten; ebenso vergeblich gab er „den dringenden Rat, die Nenunziation des Prinzen als diplomatischen Sieg auszunutzen." Den Vorschlag, von Brest oder Cherbourg ein Geschwader auszuschicken, um den etwa nach Spanien segelnden Kronprätendenten abzufangen, nannte man in Paris sogar uns sosinz Ä'oxLra-oowiauö. Beust ist aber durchaus nicht der Ansicht, daß sein Einfall in die „Großherzogin von Gerolstein" gepaßt haben würde. Erstens stehe derselbe nicht in einer Depesche oder einem vertraulichen diplo¬ matischen Schriftstücke, sondern auf „einem Oktavblättchen" an den Fürsten Metternich, „daher solche Ausdrücke wie silixoiMsr nicht nach strengem Wort-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/34>, abgerufen am 17.09.2024.