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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Leu leider nicht unnötiger Mut.

und bequem. Wir kennen eine Gegend, wo die Städtchen nicht etwa nur paar¬
weise (das kommt häufig vor), sondern truppweise in Entfernungen von einer
halben bis dreiviertel Stunde beisammenliegen, und zwar nicht armselige Nester,
sondern wohlhabende, belebte Orte, die allerhand lokale Bedeutsamkeiten auf¬
weisen. Wir kennen Orte, die kaum als Städtchen, sondern wohl nur als
Flecken bezeichnet werden können, die aber dennoch in ihrer Art kleine, selb¬
ständige Kulturmittelpunkte bilden. Wir kennen wieder ein andres Städtchen,
welches heute noch vollständig so aussieht wie etwa zur Zeit des Bauernkrieges.
Wir kennen auch Entennester der wunderlichsten Art; unten am Berge liegt ein
schönes, wohlhabendes Dorf, oben auf dem Berge liegt ein Haufe von Ruinen,
Häuschen, Ställen, Schuppen und Scheunen, der sich Stadt schimpfen läßt.
Ja, Deutschland ist reich an dergleichen Örtlichkeiten, die dabei meistens mit einer
landschaftlich wenigstens anziehenden, recht oft auch mit einer großartig schönen
Lage ausgerüstet sind, und wer sucht, der wird fast in allen Teilen Deutsch¬
lands derartiges finden.

Man glaube nicht, wir wollten hier nur auf solche einzelne Punkte, die
doch eigentlich mehr als Kuriositäten anzusehen seien, hinweisen, und seien im
Grunde doch, wie die meisten Leute, der Ansicht, daß die einmal berühmten,
gleichsam approbirten Zielpunkte unsrer Reisen innerhalb Deutschlands in Wirk¬
lichkeit so ziemlich alles Besuchenswerte darstellten. Wir möchten gerade im
Gegenteil die Behauptung aufstellen und vertreten, daß fast in jedem Teile
Deutschlands die Gelegenheit zu Fußreisen und sonstigen kleinen Ausflügen,
ohne daß man sich dabei an See- und Mineralbäder und dergleichen Punkte
zu halten braucht, reichlich vorhanden sei. Auf diese das Publikum auf¬
merksam zu machen, sollte die Presse als ihre Aufgabe betrachten. Und
hier möchten wir zu unsrer Mahnung ansetzen, doch den mit jenen Schilde¬
rungen und Illustrationen, deren wir eingangs erwähnten, betretenen Weg
in planvollerer Weise und in etwas großartigerer Auffassung weiter zu ver¬
folgen.

Wir behaupten: es giebt in Deutschland mehrere hundert an Naturschön¬
heiten überreiche, mit hübschen Städtchen, Schlössern, Ruinen, Klöstern, je
nachdem auch mit stattlichen Dörfern und blühenden, üppigen Gefilden aus¬
gerüstete Fluß- oder Flüßchenthciler, oder in andrer Weise ein größeres Ganze
bildende Gaulandschaften, von denen das große Publikum einfach nichts weiß,
für deren illustrirte Schilderung sich aber nicht nur die Bewohner, sondern
auch sehr viele andre Leute begeistern würden. Es kann uns natürlich nicht
einfallen, hier eine Aufzählung aller der Landschaften, die wir im Auge haben,
machen und dadurch die Richtigkeit unsrer Zahl beweisen zu wollen; wir sind
überzeugt, daß jeder Kenner von Land und Leuten unsre Zahl ohne weiteres
als eine keineswegs übertriebene anerkennen wird. Aber einige Beispiele, und
zwar sowohl aus touristisch wenig besuchten Teilen Deutschlands wie aus


Leu leider nicht unnötiger Mut.

und bequem. Wir kennen eine Gegend, wo die Städtchen nicht etwa nur paar¬
weise (das kommt häufig vor), sondern truppweise in Entfernungen von einer
halben bis dreiviertel Stunde beisammenliegen, und zwar nicht armselige Nester,
sondern wohlhabende, belebte Orte, die allerhand lokale Bedeutsamkeiten auf¬
weisen. Wir kennen Orte, die kaum als Städtchen, sondern wohl nur als
Flecken bezeichnet werden können, die aber dennoch in ihrer Art kleine, selb¬
ständige Kulturmittelpunkte bilden. Wir kennen wieder ein andres Städtchen,
welches heute noch vollständig so aussieht wie etwa zur Zeit des Bauernkrieges.
Wir kennen auch Entennester der wunderlichsten Art; unten am Berge liegt ein
schönes, wohlhabendes Dorf, oben auf dem Berge liegt ein Haufe von Ruinen,
Häuschen, Ställen, Schuppen und Scheunen, der sich Stadt schimpfen läßt.
Ja, Deutschland ist reich an dergleichen Örtlichkeiten, die dabei meistens mit einer
landschaftlich wenigstens anziehenden, recht oft auch mit einer großartig schönen
Lage ausgerüstet sind, und wer sucht, der wird fast in allen Teilen Deutsch¬
lands derartiges finden.

Man glaube nicht, wir wollten hier nur auf solche einzelne Punkte, die
doch eigentlich mehr als Kuriositäten anzusehen seien, hinweisen, und seien im
Grunde doch, wie die meisten Leute, der Ansicht, daß die einmal berühmten,
gleichsam approbirten Zielpunkte unsrer Reisen innerhalb Deutschlands in Wirk¬
lichkeit so ziemlich alles Besuchenswerte darstellten. Wir möchten gerade im
Gegenteil die Behauptung aufstellen und vertreten, daß fast in jedem Teile
Deutschlands die Gelegenheit zu Fußreisen und sonstigen kleinen Ausflügen,
ohne daß man sich dabei an See- und Mineralbäder und dergleichen Punkte
zu halten braucht, reichlich vorhanden sei. Auf diese das Publikum auf¬
merksam zu machen, sollte die Presse als ihre Aufgabe betrachten. Und
hier möchten wir zu unsrer Mahnung ansetzen, doch den mit jenen Schilde¬
rungen und Illustrationen, deren wir eingangs erwähnten, betretenen Weg
in planvollerer Weise und in etwas großartigerer Auffassung weiter zu ver¬
folgen.

Wir behaupten: es giebt in Deutschland mehrere hundert an Naturschön¬
heiten überreiche, mit hübschen Städtchen, Schlössern, Ruinen, Klöstern, je
nachdem auch mit stattlichen Dörfern und blühenden, üppigen Gefilden aus¬
gerüstete Fluß- oder Flüßchenthciler, oder in andrer Weise ein größeres Ganze
bildende Gaulandschaften, von denen das große Publikum einfach nichts weiß,
für deren illustrirte Schilderung sich aber nicht nur die Bewohner, sondern
auch sehr viele andre Leute begeistern würden. Es kann uns natürlich nicht
einfallen, hier eine Aufzählung aller der Landschaften, die wir im Auge haben,
machen und dadurch die Richtigkeit unsrer Zahl beweisen zu wollen; wir sind
überzeugt, daß jeder Kenner von Land und Leuten unsre Zahl ohne weiteres
als eine keineswegs übertriebene anerkennen wird. Aber einige Beispiele, und
zwar sowohl aus touristisch wenig besuchten Teilen Deutschlands wie aus


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[0334] Leu leider nicht unnötiger Mut. und bequem. Wir kennen eine Gegend, wo die Städtchen nicht etwa nur paar¬ weise (das kommt häufig vor), sondern truppweise in Entfernungen von einer halben bis dreiviertel Stunde beisammenliegen, und zwar nicht armselige Nester, sondern wohlhabende, belebte Orte, die allerhand lokale Bedeutsamkeiten auf¬ weisen. Wir kennen Orte, die kaum als Städtchen, sondern wohl nur als Flecken bezeichnet werden können, die aber dennoch in ihrer Art kleine, selb¬ ständige Kulturmittelpunkte bilden. Wir kennen wieder ein andres Städtchen, welches heute noch vollständig so aussieht wie etwa zur Zeit des Bauernkrieges. Wir kennen auch Entennester der wunderlichsten Art; unten am Berge liegt ein schönes, wohlhabendes Dorf, oben auf dem Berge liegt ein Haufe von Ruinen, Häuschen, Ställen, Schuppen und Scheunen, der sich Stadt schimpfen läßt. Ja, Deutschland ist reich an dergleichen Örtlichkeiten, die dabei meistens mit einer landschaftlich wenigstens anziehenden, recht oft auch mit einer großartig schönen Lage ausgerüstet sind, und wer sucht, der wird fast in allen Teilen Deutsch¬ lands derartiges finden. Man glaube nicht, wir wollten hier nur auf solche einzelne Punkte, die doch eigentlich mehr als Kuriositäten anzusehen seien, hinweisen, und seien im Grunde doch, wie die meisten Leute, der Ansicht, daß die einmal berühmten, gleichsam approbirten Zielpunkte unsrer Reisen innerhalb Deutschlands in Wirk¬ lichkeit so ziemlich alles Besuchenswerte darstellten. Wir möchten gerade im Gegenteil die Behauptung aufstellen und vertreten, daß fast in jedem Teile Deutschlands die Gelegenheit zu Fußreisen und sonstigen kleinen Ausflügen, ohne daß man sich dabei an See- und Mineralbäder und dergleichen Punkte zu halten braucht, reichlich vorhanden sei. Auf diese das Publikum auf¬ merksam zu machen, sollte die Presse als ihre Aufgabe betrachten. Und hier möchten wir zu unsrer Mahnung ansetzen, doch den mit jenen Schilde¬ rungen und Illustrationen, deren wir eingangs erwähnten, betretenen Weg in planvollerer Weise und in etwas großartigerer Auffassung weiter zu ver¬ folgen. Wir behaupten: es giebt in Deutschland mehrere hundert an Naturschön¬ heiten überreiche, mit hübschen Städtchen, Schlössern, Ruinen, Klöstern, je nachdem auch mit stattlichen Dörfern und blühenden, üppigen Gefilden aus¬ gerüstete Fluß- oder Flüßchenthciler, oder in andrer Weise ein größeres Ganze bildende Gaulandschaften, von denen das große Publikum einfach nichts weiß, für deren illustrirte Schilderung sich aber nicht nur die Bewohner, sondern auch sehr viele andre Leute begeistern würden. Es kann uns natürlich nicht einfallen, hier eine Aufzählung aller der Landschaften, die wir im Auge haben, machen und dadurch die Richtigkeit unsrer Zahl beweisen zu wollen; wir sind überzeugt, daß jeder Kenner von Land und Leuten unsre Zahl ohne weiteres als eine keineswegs übertriebene anerkennen wird. Aber einige Beispiele, und zwar sowohl aus touristisch wenig besuchten Teilen Deutschlands wie aus

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/334>, abgerufen am 17.09.2024.