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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Deutsch-böhmische Briefe.

Es giebt im Zentrum Leute und Gruppen, denen diese Opposition gegen
den Papst und dieses Nachzittern der Unzufriedenheit mit ihm ganz genehm ist,
Politiker, die eigentlich zur deutsch-freisinnigen Partei, welche jetzt, wo sie
schweigen müssen, für sie redet und leitartikelt, oder zur entschlafenen Volks¬
partei gehören und nur ultramontane Uniform anlegten, weil das sichere Wähler
verschaffte, welfische und andre Neichsfeinde, rheinische Demokraten, andre
Demokraten, denen jede Mißstimmung, jede Unzufriedenheit behagt, weil sie ihr
nächstes, oberstes und letztes Ziel und das Element ist, in dem diese Näsonneure
allein leben und etwas bedeuten. Es giebt unter deu Ultrnmontcmen aber auch
andre Leute, konservative und reichstreue Politiker, denen es während des
Kampfes wirklich um ihre Kirche und um Beseitigung zu weit gehender Ma߬
regeln zu thun war, und diese werden jetzt nach dem Frieden ohne Zweifel mit
unsern Betrachtungen im wesentlichen übereinstimmen und es als schweren Mißgriff
erkennen, daß ein demokratischer Flügel geschaffen und erhalten wurde, der eignen
Bahnen folgen möchte, und der immer bereit sein wird, sich wie gegen die
weltliche Autorität auch gegen die kirchliche aufzulehnen, wenn sie ihm nicht
den Willen thut und Abschwenkung von der Richtung verlangt, in die er sich
eingelebt hat und in der ihm wohl zu Mute ist. Diesen wirklichen Katholiken
brauchen wir die Lektüre des Zauberlehrlings mit den zu Geistern gewordenen
Besen, die Wasser herbei zu schleppen fortfahren, obwohl es eine Sintflut zu
geben anfängt und nun verboten wird, nicht zu empfehlen. Sie haben die
Verlegenheit schon erlebt und sicher schwer empfunden. Mögen sie in Zukunft
d in. B. afür sorgen, daß nach dieser Erfahrung gehandelt werde.




Deutsch-böhmische Briefe.
9.

ein heutiger Brief wird an die alte Weisheit, daß die Zeiten sich
ändern und wir uns mit ihnen ändern, und zugleich an den recht¬
lichen Unterschied erinnern, der zwischen der Kuh Junker Ale¬
xanders und der seines Bauern bestand. Ich meine den Versuch,
dem Nationalitätenstreit in Böhmen und der Tschechisiruug der
dortigen Deutschen durch nationale Abgrenzung sämtlicher Bezirke dieses Landes
ein Ende zu machen. Das ethnographische Material zur Beurteilung desselben,
welches die Volkszählung lieferte, hube ich im fünften dieser Briefe mitgeteilt.


Deutsch-böhmische Briefe.

Es giebt im Zentrum Leute und Gruppen, denen diese Opposition gegen
den Papst und dieses Nachzittern der Unzufriedenheit mit ihm ganz genehm ist,
Politiker, die eigentlich zur deutsch-freisinnigen Partei, welche jetzt, wo sie
schweigen müssen, für sie redet und leitartikelt, oder zur entschlafenen Volks¬
partei gehören und nur ultramontane Uniform anlegten, weil das sichere Wähler
verschaffte, welfische und andre Neichsfeinde, rheinische Demokraten, andre
Demokraten, denen jede Mißstimmung, jede Unzufriedenheit behagt, weil sie ihr
nächstes, oberstes und letztes Ziel und das Element ist, in dem diese Näsonneure
allein leben und etwas bedeuten. Es giebt unter deu Ultrnmontcmen aber auch
andre Leute, konservative und reichstreue Politiker, denen es während des
Kampfes wirklich um ihre Kirche und um Beseitigung zu weit gehender Ma߬
regeln zu thun war, und diese werden jetzt nach dem Frieden ohne Zweifel mit
unsern Betrachtungen im wesentlichen übereinstimmen und es als schweren Mißgriff
erkennen, daß ein demokratischer Flügel geschaffen und erhalten wurde, der eignen
Bahnen folgen möchte, und der immer bereit sein wird, sich wie gegen die
weltliche Autorität auch gegen die kirchliche aufzulehnen, wenn sie ihm nicht
den Willen thut und Abschwenkung von der Richtung verlangt, in die er sich
eingelebt hat und in der ihm wohl zu Mute ist. Diesen wirklichen Katholiken
brauchen wir die Lektüre des Zauberlehrlings mit den zu Geistern gewordenen
Besen, die Wasser herbei zu schleppen fortfahren, obwohl es eine Sintflut zu
geben anfängt und nun verboten wird, nicht zu empfehlen. Sie haben die
Verlegenheit schon erlebt und sicher schwer empfunden. Mögen sie in Zukunft
d in. B. afür sorgen, daß nach dieser Erfahrung gehandelt werde.




Deutsch-böhmische Briefe.
9.

ein heutiger Brief wird an die alte Weisheit, daß die Zeiten sich
ändern und wir uns mit ihnen ändern, und zugleich an den recht¬
lichen Unterschied erinnern, der zwischen der Kuh Junker Ale¬
xanders und der seines Bauern bestand. Ich meine den Versuch,
dem Nationalitätenstreit in Böhmen und der Tschechisiruug der
dortigen Deutschen durch nationale Abgrenzung sämtlicher Bezirke dieses Landes
ein Ende zu machen. Das ethnographische Material zur Beurteilung desselben,
welches die Volkszählung lieferte, hube ich im fünften dieser Briefe mitgeteilt.


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[0310] Deutsch-böhmische Briefe. Es giebt im Zentrum Leute und Gruppen, denen diese Opposition gegen den Papst und dieses Nachzittern der Unzufriedenheit mit ihm ganz genehm ist, Politiker, die eigentlich zur deutsch-freisinnigen Partei, welche jetzt, wo sie schweigen müssen, für sie redet und leitartikelt, oder zur entschlafenen Volks¬ partei gehören und nur ultramontane Uniform anlegten, weil das sichere Wähler verschaffte, welfische und andre Neichsfeinde, rheinische Demokraten, andre Demokraten, denen jede Mißstimmung, jede Unzufriedenheit behagt, weil sie ihr nächstes, oberstes und letztes Ziel und das Element ist, in dem diese Näsonneure allein leben und etwas bedeuten. Es giebt unter deu Ultrnmontcmen aber auch andre Leute, konservative und reichstreue Politiker, denen es während des Kampfes wirklich um ihre Kirche und um Beseitigung zu weit gehender Ma߬ regeln zu thun war, und diese werden jetzt nach dem Frieden ohne Zweifel mit unsern Betrachtungen im wesentlichen übereinstimmen und es als schweren Mißgriff erkennen, daß ein demokratischer Flügel geschaffen und erhalten wurde, der eignen Bahnen folgen möchte, und der immer bereit sein wird, sich wie gegen die weltliche Autorität auch gegen die kirchliche aufzulehnen, wenn sie ihm nicht den Willen thut und Abschwenkung von der Richtung verlangt, in die er sich eingelebt hat und in der ihm wohl zu Mute ist. Diesen wirklichen Katholiken brauchen wir die Lektüre des Zauberlehrlings mit den zu Geistern gewordenen Besen, die Wasser herbei zu schleppen fortfahren, obwohl es eine Sintflut zu geben anfängt und nun verboten wird, nicht zu empfehlen. Sie haben die Verlegenheit schon erlebt und sicher schwer empfunden. Mögen sie in Zukunft d in. B. afür sorgen, daß nach dieser Erfahrung gehandelt werde. Deutsch-böhmische Briefe. 9. ein heutiger Brief wird an die alte Weisheit, daß die Zeiten sich ändern und wir uns mit ihnen ändern, und zugleich an den recht¬ lichen Unterschied erinnern, der zwischen der Kuh Junker Ale¬ xanders und der seines Bauern bestand. Ich meine den Versuch, dem Nationalitätenstreit in Böhmen und der Tschechisiruug der dortigen Deutschen durch nationale Abgrenzung sämtlicher Bezirke dieses Landes ein Ende zu machen. Das ethnographische Material zur Beurteilung desselben, welches die Volkszählung lieferte, hube ich im fünften dieser Briefe mitgeteilt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/310>, abgerufen am 17.09.2024.