Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.Verlegenheiten im Zentrum. nicht wieder werden, was sie gewesen waren, sie trugen weiter Wasser und Wasser, Verlegenheiten im Zentrum. nicht wieder werden, was sie gewesen waren, sie trugen weiter Wasser und Wasser, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0307" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/288760"/> <fw type="header" place="top"> Verlegenheiten im Zentrum.</fw><lb/> <p xml:id="ID_908" prev="#ID_907" next="#ID_909"> nicht wieder werden, was sie gewesen waren, sie trugen weiter Wasser und Wasser,<lb/> obwohl es genug und übergenug war. Rom hatte gesprochen, und die Sache<lb/> sollte zu Ende sein; aber nach ihnen sollte Rom nicht gesprochen haben und die<lb/> Sache fortgesetzt werden. Der von höchster Stelle der Kirche klar ausgedrückte<lb/> Wille wurde teils verheimlicht, teils verleugnet, teils rabulistisch mißdeutet und<lb/> zuletzt von einem großen Teile'des Zentrums nicht befolgt. Wir brauchen nur<lb/> an einige Beispiele zu erinnern. Angesichts der Wahlen, die am 21. Februar<lb/> stattfinden sollten, nahm der größte Teil der katholischen Geistlichkeit im west¬<lb/> fälischen Teile der Diözese Münster eine .Haltung an. welche den in dem<lb/> Schreiben Jacobinis vom 3. und 21. Januar kundgegebenen Absichten des<lb/> Papstes schnurstracks zuwiderlief. Ein Aufruf im „Westfälischen Merkur" vom<lb/> 14. Januar, welcher sich entschieden gegen das Septennat aussprach und von<lb/> diesem Standpunkte aus die Wiederwahl der früheren Abgeordneten empfahl.<lb/> War u. a. von zweiundncunzig geistlichen Herren unterzeichnet, unter denen sich<lb/> neununddreißig Pfarrer und Pfarrverwalter und dreißig Vikare und Kaplcinc<lb/> befanden. Das genannte Blatt war unablässig bemüht, den klaren Sinn der<lb/> Päpstlichen Äußerungen für unveränderte Annahme der Militärvorlage zu ver¬<lb/> dunkeln und zu entstellen, und es ist bekannt, daß es von dem Generalvlkar<lb/> des Bischofs von Münster vielfach inspirirt wird. Der „Westfälische Kurier"<lb/> gab trotz der Jacobinischen Schreiben die Parole aus: ..Das Zentrum wählt<lb/> die alten Abgeordneten, giebt ihnen aber kein imperatives Mandat. Wir be¬<lb/> kämpfen die Mittclpartei. unterstützen aber die Freisinnigen." Die „Kölnische<lb/> Volkszeitung" erzählte ihren Lesern, es sei dem Reichskanzler gelungen. den<lb/> heiligen Vater zu einer von der Abstimmung des Zentrums abweichenden<lb/> Äußerung über eine politische Frage zu bewegen, aber der Papst habe bannt<lb/> nur einen Rat erteilt, und die Aktionsfreiheit bleibe. Die „Schleftsche Volks-<lb/> Mtnng" bezeichnete die zweite Note Jacobinis als erfreuliche päpstliche Kund¬<lb/> gebung, da nach ihr der heilige Vater den Fortbestand des Zentrums Wunsche.<lb/> In Bezug auf das Septennat verlange derselbe nicht, daß das Zentrum sich<lb/> von den mitgeteilten Erwägungen ferner leiten lasse, sondern es werde gesagt,<lb/> daß sein erstes Schreiben von diesen Erwägungen diktirt gewesen sei. Der<lb/> heilige Vater verzichte also auf die Geltendmachung seiner Wünsche und gebe<lb/> dem. was das Zentrum gethan habe, nachträglich stillschweigend seine Zu¬<lb/> stimmung, weil er dessen Gründe würdige. Diese jesuitische Logik war offenbar<lb/> eine Leistung des bekannten Breslauer Kanonikus Dr. Franz. der in einer Rede,<lb/> in welcher er sich den Wählern des Kreises Kösel-Großstrchlitz empfahl, in<lb/> Betreff der Note bemerkte, zwar habe der heilige Vater ans Rücksichten diplo¬<lb/> matischer Natur den Wunsch gehegt und ausgesprochen, daß das Zentrum M<lb/> das Septennat stimme; weit entfernt aber, es autoritativ bestimmen zu wollen,<lb/> gestehe er ihm volle Freiheit des Handelns in politischen Angelegenheiten zu.<lb/> und hierzu gehöre unstreitig die Septennatsfmgc. Im sechzehnten würkten-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0307]
Verlegenheiten im Zentrum.
nicht wieder werden, was sie gewesen waren, sie trugen weiter Wasser und Wasser,
obwohl es genug und übergenug war. Rom hatte gesprochen, und die Sache
sollte zu Ende sein; aber nach ihnen sollte Rom nicht gesprochen haben und die
Sache fortgesetzt werden. Der von höchster Stelle der Kirche klar ausgedrückte
Wille wurde teils verheimlicht, teils verleugnet, teils rabulistisch mißdeutet und
zuletzt von einem großen Teile'des Zentrums nicht befolgt. Wir brauchen nur
an einige Beispiele zu erinnern. Angesichts der Wahlen, die am 21. Februar
stattfinden sollten, nahm der größte Teil der katholischen Geistlichkeit im west¬
fälischen Teile der Diözese Münster eine .Haltung an. welche den in dem
Schreiben Jacobinis vom 3. und 21. Januar kundgegebenen Absichten des
Papstes schnurstracks zuwiderlief. Ein Aufruf im „Westfälischen Merkur" vom
14. Januar, welcher sich entschieden gegen das Septennat aussprach und von
diesem Standpunkte aus die Wiederwahl der früheren Abgeordneten empfahl.
War u. a. von zweiundncunzig geistlichen Herren unterzeichnet, unter denen sich
neununddreißig Pfarrer und Pfarrverwalter und dreißig Vikare und Kaplcinc
befanden. Das genannte Blatt war unablässig bemüht, den klaren Sinn der
Päpstlichen Äußerungen für unveränderte Annahme der Militärvorlage zu ver¬
dunkeln und zu entstellen, und es ist bekannt, daß es von dem Generalvlkar
des Bischofs von Münster vielfach inspirirt wird. Der „Westfälische Kurier"
gab trotz der Jacobinischen Schreiben die Parole aus: ..Das Zentrum wählt
die alten Abgeordneten, giebt ihnen aber kein imperatives Mandat. Wir be¬
kämpfen die Mittclpartei. unterstützen aber die Freisinnigen." Die „Kölnische
Volkszeitung" erzählte ihren Lesern, es sei dem Reichskanzler gelungen. den
heiligen Vater zu einer von der Abstimmung des Zentrums abweichenden
Äußerung über eine politische Frage zu bewegen, aber der Papst habe bannt
nur einen Rat erteilt, und die Aktionsfreiheit bleibe. Die „Schleftsche Volks-
Mtnng" bezeichnete die zweite Note Jacobinis als erfreuliche päpstliche Kund¬
gebung, da nach ihr der heilige Vater den Fortbestand des Zentrums Wunsche.
In Bezug auf das Septennat verlange derselbe nicht, daß das Zentrum sich
von den mitgeteilten Erwägungen ferner leiten lasse, sondern es werde gesagt,
daß sein erstes Schreiben von diesen Erwägungen diktirt gewesen sei. Der
heilige Vater verzichte also auf die Geltendmachung seiner Wünsche und gebe
dem. was das Zentrum gethan habe, nachträglich stillschweigend seine Zu¬
stimmung, weil er dessen Gründe würdige. Diese jesuitische Logik war offenbar
eine Leistung des bekannten Breslauer Kanonikus Dr. Franz. der in einer Rede,
in welcher er sich den Wählern des Kreises Kösel-Großstrchlitz empfahl, in
Betreff der Note bemerkte, zwar habe der heilige Vater ans Rücksichten diplo¬
matischer Natur den Wunsch gehegt und ausgesprochen, daß das Zentrum M
das Septennat stimme; weit entfernt aber, es autoritativ bestimmen zu wollen,
gestehe er ihm volle Freiheit des Handelns in politischen Angelegenheiten zu.
und hierzu gehöre unstreitig die Septennatsfmgc. Im sechzehnten würkten-
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