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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Kleinere Mitteilungen.
Heinekultus.

Nachdem in dem Kampfe gegen die übermäßige Verehrung
der Reliquien unsrer großen Dichter allerlei Waffen des Ernstes und des Scherzes
sich unwirksam gezeigt haben, wird nun die Parodie ins Treffen geführt: man
sammelt und veröffentlicht Papierschnitzel von Heine, rettet Briefsteller, welche
Strodtmann wohlweislich unterdrückt hatte, und spürt bisher unbekannten Persön¬
lichen Beziehungen nach. Neue Züge gewinnt das nach Bischer "immer unwider¬
stehliche und immer unausstehliche" Bild dadurch freilich nicht. Wir wissen ja
längst, daß der Dichter stets in Geldverlegenheit war, ebenso erfinderisch, als wenig
wählerisch in den Mitteln, um die beiden harten Hamburger, seinen Vetter und
seinen Verleger, weicher zu stimmen, ängstlich besorgt um seinen Zcitungsruhiu
und jeder Rohheit fähig gegen seine Feinde. Dafür wird nun noch und immer
noch ein Dokumentchen unermüdlich herbeigeschleppt. Auch ist die Entdeckung ge¬
glückt, an wen das Gedicht "Du bist wie eine Blume" gerichtet war: an ein
Judenmädchen in Gnesen, welches sich später unglücklich verheiratete und von einem
Freunde Heines unterstützt wurde. Wie stolz werden die Gnesener Juden jetzt
sein, und wie kann sich die Literaturgeschichte freuen! Am Ende werden wir gar
noch die Namen und Adressen der Pariser Huldinnen erfahren, welche Heine im
Nomanzero angesungen hat. Auch das Facsimile eines von ihm ausgestellten
Wechsels würde gewiß zur Ehrenrettung Heines beitragen -- denn zu diesem
Zwecke wird der Schweiß der Edeln vergossen.




V

Ur. 12 der Grenzboten (1. März 1S87) enthält eine Anzeige meines Werkes:
"Robert Schumanns Leben. Aus seinen Briefen geschildert." Der zweite Satz dieser
Anzeige, welcher, wie folgt, lautet: Den Hauptteil dieser Sammlung bilden die
bereits von F. Gustav Jansen herausgegebenen Briefe Schumanns, Neue Folge,
nur sind die von Jansen zuerst mitgeteilten Briefe an Mendelssohn und Joachim
nicht wieder abgedruckt -- läßt in seiner nicht ganz klaren Fassung die Vermutung
aufkommen, als sei die Jansensche im Oktober 1886 erschienene Briefsammlung
für mein Werk zur Benutzung herangezogen worden. Um einer solchen irrigen
Annahme vorzubeugen, erkläre ich hiermit, daß ich mein völlig abgeschlossenes
Manuskript bereits im September 1336 in die Druckerei gesandt habe. Erst nach
Erscheinen meines Buches (Januar d. I.) habe ich -- wie auch Herrn Jansen
bekannt ist -- von dem Inhalt der Jansenschen Briefsammlung Notiz genommen.
Wie wäre es mir übrigens auch möglich gewesen, die Schumannschen Briefe ohne
Kürzungen zum Abdruck zu bringen, während Jansen oft nur Fragmente derselben
giebt? -- Auf Grund dieser Erklärung bitte ich Sie, eine gleichlautende Berichtigung
in den Grenzboten zu veranlassen und zeichne


hochachtungsvoll ergeben
Hermann Erker.


Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig.
Kleinere Mitteilungen.
Heinekultus.

Nachdem in dem Kampfe gegen die übermäßige Verehrung
der Reliquien unsrer großen Dichter allerlei Waffen des Ernstes und des Scherzes
sich unwirksam gezeigt haben, wird nun die Parodie ins Treffen geführt: man
sammelt und veröffentlicht Papierschnitzel von Heine, rettet Briefsteller, welche
Strodtmann wohlweislich unterdrückt hatte, und spürt bisher unbekannten Persön¬
lichen Beziehungen nach. Neue Züge gewinnt das nach Bischer „immer unwider¬
stehliche und immer unausstehliche" Bild dadurch freilich nicht. Wir wissen ja
längst, daß der Dichter stets in Geldverlegenheit war, ebenso erfinderisch, als wenig
wählerisch in den Mitteln, um die beiden harten Hamburger, seinen Vetter und
seinen Verleger, weicher zu stimmen, ängstlich besorgt um seinen Zcitungsruhiu
und jeder Rohheit fähig gegen seine Feinde. Dafür wird nun noch und immer
noch ein Dokumentchen unermüdlich herbeigeschleppt. Auch ist die Entdeckung ge¬
glückt, an wen das Gedicht „Du bist wie eine Blume" gerichtet war: an ein
Judenmädchen in Gnesen, welches sich später unglücklich verheiratete und von einem
Freunde Heines unterstützt wurde. Wie stolz werden die Gnesener Juden jetzt
sein, und wie kann sich die Literaturgeschichte freuen! Am Ende werden wir gar
noch die Namen und Adressen der Pariser Huldinnen erfahren, welche Heine im
Nomanzero angesungen hat. Auch das Facsimile eines von ihm ausgestellten
Wechsels würde gewiß zur Ehrenrettung Heines beitragen — denn zu diesem
Zwecke wird der Schweiß der Edeln vergossen.




V

Ur. 12 der Grenzboten (1. März 1S87) enthält eine Anzeige meines Werkes:
„Robert Schumanns Leben. Aus seinen Briefen geschildert." Der zweite Satz dieser
Anzeige, welcher, wie folgt, lautet: Den Hauptteil dieser Sammlung bilden die
bereits von F. Gustav Jansen herausgegebenen Briefe Schumanns, Neue Folge,
nur sind die von Jansen zuerst mitgeteilten Briefe an Mendelssohn und Joachim
nicht wieder abgedruckt — läßt in seiner nicht ganz klaren Fassung die Vermutung
aufkommen, als sei die Jansensche im Oktober 1886 erschienene Briefsammlung
für mein Werk zur Benutzung herangezogen worden. Um einer solchen irrigen
Annahme vorzubeugen, erkläre ich hiermit, daß ich mein völlig abgeschlossenes
Manuskript bereits im September 1336 in die Druckerei gesandt habe. Erst nach
Erscheinen meines Buches (Januar d. I.) habe ich — wie auch Herrn Jansen
bekannt ist — von dem Inhalt der Jansenschen Briefsammlung Notiz genommen.
Wie wäre es mir übrigens auch möglich gewesen, die Schumannschen Briefe ohne
Kürzungen zum Abdruck zu bringen, während Jansen oft nur Fragmente derselben
giebt? — Auf Grund dieser Erklärung bitte ich Sie, eine gleichlautende Berichtigung
in den Grenzboten zu veranlassen und zeichne


hochachtungsvoll ergeben
Hermann Erker.


Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/304>, abgerufen am 17.09.2024.