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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Das Geheimmittelwesen.

Ähnliches ordnen die gesetzlichen Bestimmungen der neuerworbenen Landes-
teile an. So bestimmt Art. 32 und 36 des Gesetzes vom 21. Germinal d. I. XI,
also für die linksrheinischen deutschen Gebietsteile, daß Apotheker keine Geheim¬
mittel verkaufen dürfen, und verbieten jede Ankündigung durch gedruckte Anzeige
oder Maueranschlag. Die verhältnismäßig sehr moderne Apothekerordnnng von
Holstein (vom 11. Februar 1854, K 45) untersagt "öffentliche Ankündigung und
Verkauf von Geheimmitteln, welche nicht vom Sanitätskollegium genehmigt
worden sind," und will sogar den Handverkauf auf die Mittel beschränkt wissen,
die in die Landespharmcckopöe aufgenommen oder von der Behörde für das
Revier, in welchem die Apotheke liegt, besonders gestattet worden sind.

Allgemeine Bestimmungen zur Regelung des Gehcimmittelverkehrs sind
bisher nicht erschienen. Nur einzelne Provinzialregierungcn haben Verfügungen
erlassen und nach dem Vorgange des OrtsgcsnndheitSratcs in Karlsruhe War¬
nungen gegen das und jenes Geheimmittel veröffentlicht -- ob mit irgend welchem
Erfolg, ist im Hinblick auf die alte Geschichte von der Süßigkeit verbotener
Früchte sehr zu bezweifeln.

Im allgemeinen ist offenbar, vielleicht von der auch von uns geteilten
Ansicht ausgehend, daß sich dem "Geheimmittel" durch Gesetze nichts anhaben
lasse, die Praxis des Ig-isssr aller für richtig gehalten worden.

In Schleswig-Holstein scheint der § 45 der Apothekerordnung für hin¬
fällig gehalten worden zu sein, weil unter die Aufgaben des Medizinalkolle¬
giums (Instruktion vom 23. Oktober 1818). in welche sich das weggefallene
Snnitätskollegium verwandelt hat, das Untersuchen und Genehmigen von Ge¬
heimmitteln nicht zu rechnen ist.

Außerdem hat der in den Apotheken völlig öffentlich betriebene Verkauf
von Geheimmitteln, die übrigens hier wie anderswo von vielen Ärzten gern
verordnet werden, nie zu einem Tadel bei den regelmäßig vorgenommenen
Revisionen Veranlassung gegeben.

In Elsaß-Lothringen wurde das oben erwähnte Gesetz vom 21. Germinal XI
in einer Bekanntmachung vom 8. Mürz 1876 in Erinnerung gebracht, aber da
in derselben "Geheimmittel" und "Spezialitäten," von denen die letztern stets
ungehindert verkauft worden waren, verwechselt waren, auf Reklamation der
Apotheker zurückgenommen (12. Oktober 1876) und angeordnet, daß sämtliche
Anträge auf Gestattung des Vertriebes von Geheimmitteln an die medizinische
Fakultät in Straßburg gerichtet werden, und daß neue und eigentümliche Heil¬
mittelrezepte durch die Bezirksamtsblätter veröffentlicht werden sollten. Solche
Veröffentlichungen haben noch nicht stattgefunden.

Ähnliche Verfügungen, die sich einander teilweise widersprechen, wurden
durch altpreußische Provinzialregierungen erlassen. So sagt z. B. eine Ver¬
fügung (Wiesbaden, 24. März 1873): Geheimmittel (unbekannter Zusammen¬
setzung) dürfen selbst auf ärztliche Verordnung nicht abgegeben werden, während


Das Geheimmittelwesen.

Ähnliches ordnen die gesetzlichen Bestimmungen der neuerworbenen Landes-
teile an. So bestimmt Art. 32 und 36 des Gesetzes vom 21. Germinal d. I. XI,
also für die linksrheinischen deutschen Gebietsteile, daß Apotheker keine Geheim¬
mittel verkaufen dürfen, und verbieten jede Ankündigung durch gedruckte Anzeige
oder Maueranschlag. Die verhältnismäßig sehr moderne Apothekerordnnng von
Holstein (vom 11. Februar 1854, K 45) untersagt „öffentliche Ankündigung und
Verkauf von Geheimmitteln, welche nicht vom Sanitätskollegium genehmigt
worden sind," und will sogar den Handverkauf auf die Mittel beschränkt wissen,
die in die Landespharmcckopöe aufgenommen oder von der Behörde für das
Revier, in welchem die Apotheke liegt, besonders gestattet worden sind.

Allgemeine Bestimmungen zur Regelung des Gehcimmittelverkehrs sind
bisher nicht erschienen. Nur einzelne Provinzialregierungcn haben Verfügungen
erlassen und nach dem Vorgange des OrtsgcsnndheitSratcs in Karlsruhe War¬
nungen gegen das und jenes Geheimmittel veröffentlicht — ob mit irgend welchem
Erfolg, ist im Hinblick auf die alte Geschichte von der Süßigkeit verbotener
Früchte sehr zu bezweifeln.

Im allgemeinen ist offenbar, vielleicht von der auch von uns geteilten
Ansicht ausgehend, daß sich dem „Geheimmittel" durch Gesetze nichts anhaben
lasse, die Praxis des Ig-isssr aller für richtig gehalten worden.

In Schleswig-Holstein scheint der § 45 der Apothekerordnung für hin¬
fällig gehalten worden zu sein, weil unter die Aufgaben des Medizinalkolle¬
giums (Instruktion vom 23. Oktober 1818). in welche sich das weggefallene
Snnitätskollegium verwandelt hat, das Untersuchen und Genehmigen von Ge¬
heimmitteln nicht zu rechnen ist.

Außerdem hat der in den Apotheken völlig öffentlich betriebene Verkauf
von Geheimmitteln, die übrigens hier wie anderswo von vielen Ärzten gern
verordnet werden, nie zu einem Tadel bei den regelmäßig vorgenommenen
Revisionen Veranlassung gegeben.

In Elsaß-Lothringen wurde das oben erwähnte Gesetz vom 21. Germinal XI
in einer Bekanntmachung vom 8. Mürz 1876 in Erinnerung gebracht, aber da
in derselben „Geheimmittel" und „Spezialitäten," von denen die letztern stets
ungehindert verkauft worden waren, verwechselt waren, auf Reklamation der
Apotheker zurückgenommen (12. Oktober 1876) und angeordnet, daß sämtliche
Anträge auf Gestattung des Vertriebes von Geheimmitteln an die medizinische
Fakultät in Straßburg gerichtet werden, und daß neue und eigentümliche Heil¬
mittelrezepte durch die Bezirksamtsblätter veröffentlicht werden sollten. Solche
Veröffentlichungen haben noch nicht stattgefunden.

Ähnliche Verfügungen, die sich einander teilweise widersprechen, wurden
durch altpreußische Provinzialregierungen erlassen. So sagt z. B. eine Ver¬
fügung (Wiesbaden, 24. März 1873): Geheimmittel (unbekannter Zusammen¬
setzung) dürfen selbst auf ärztliche Verordnung nicht abgegeben werden, während


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[0274] Das Geheimmittelwesen. Ähnliches ordnen die gesetzlichen Bestimmungen der neuerworbenen Landes- teile an. So bestimmt Art. 32 und 36 des Gesetzes vom 21. Germinal d. I. XI, also für die linksrheinischen deutschen Gebietsteile, daß Apotheker keine Geheim¬ mittel verkaufen dürfen, und verbieten jede Ankündigung durch gedruckte Anzeige oder Maueranschlag. Die verhältnismäßig sehr moderne Apothekerordnnng von Holstein (vom 11. Februar 1854, K 45) untersagt „öffentliche Ankündigung und Verkauf von Geheimmitteln, welche nicht vom Sanitätskollegium genehmigt worden sind," und will sogar den Handverkauf auf die Mittel beschränkt wissen, die in die Landespharmcckopöe aufgenommen oder von der Behörde für das Revier, in welchem die Apotheke liegt, besonders gestattet worden sind. Allgemeine Bestimmungen zur Regelung des Gehcimmittelverkehrs sind bisher nicht erschienen. Nur einzelne Provinzialregierungcn haben Verfügungen erlassen und nach dem Vorgange des OrtsgcsnndheitSratcs in Karlsruhe War¬ nungen gegen das und jenes Geheimmittel veröffentlicht — ob mit irgend welchem Erfolg, ist im Hinblick auf die alte Geschichte von der Süßigkeit verbotener Früchte sehr zu bezweifeln. Im allgemeinen ist offenbar, vielleicht von der auch von uns geteilten Ansicht ausgehend, daß sich dem „Geheimmittel" durch Gesetze nichts anhaben lasse, die Praxis des Ig-isssr aller für richtig gehalten worden. In Schleswig-Holstein scheint der § 45 der Apothekerordnung für hin¬ fällig gehalten worden zu sein, weil unter die Aufgaben des Medizinalkolle¬ giums (Instruktion vom 23. Oktober 1818). in welche sich das weggefallene Snnitätskollegium verwandelt hat, das Untersuchen und Genehmigen von Ge¬ heimmitteln nicht zu rechnen ist. Außerdem hat der in den Apotheken völlig öffentlich betriebene Verkauf von Geheimmitteln, die übrigens hier wie anderswo von vielen Ärzten gern verordnet werden, nie zu einem Tadel bei den regelmäßig vorgenommenen Revisionen Veranlassung gegeben. In Elsaß-Lothringen wurde das oben erwähnte Gesetz vom 21. Germinal XI in einer Bekanntmachung vom 8. Mürz 1876 in Erinnerung gebracht, aber da in derselben „Geheimmittel" und „Spezialitäten," von denen die letztern stets ungehindert verkauft worden waren, verwechselt waren, auf Reklamation der Apotheker zurückgenommen (12. Oktober 1876) und angeordnet, daß sämtliche Anträge auf Gestattung des Vertriebes von Geheimmitteln an die medizinische Fakultät in Straßburg gerichtet werden, und daß neue und eigentümliche Heil¬ mittelrezepte durch die Bezirksamtsblätter veröffentlicht werden sollten. Solche Veröffentlichungen haben noch nicht stattgefunden. Ähnliche Verfügungen, die sich einander teilweise widersprechen, wurden durch altpreußische Provinzialregierungen erlassen. So sagt z. B. eine Ver¬ fügung (Wiesbaden, 24. März 1873): Geheimmittel (unbekannter Zusammen¬ setzung) dürfen selbst auf ärztliche Verordnung nicht abgegeben werden, während

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/274>, abgerufen am 17.09.2024.