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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Die neue Bewegung für die Doppelwährung.

werden. Trotzdem, meinen unsre Bimetallisten, werde dadurch, daß die Ver¬
einbarungsstaaten erklären, das also geprägte Silber habe einen Wert von ^/is,-,
des Goldes, das Silber wirklich diesen Wert erhalten. Wäre es richtig, daß
der Staat einem Metall, sobald er es ausmünzt, dauernd einen beliebigen Wert
verleihen könne, so würde man dieses Experiment ja auch noch an andern Me¬
tallen erproben können (z. B. am Aluminium, das sich zufolge seiner Leichtig¬
keit in manchen Beziehungen weit besser zu Geld eignen würde als Silber).
In dieser Annahme liegt aber ein verhängnisvoller Irrtum.

Das Silber ist im Preise gesunken, nicht bloß deshalb, weil Deutschland
und einige kleinere Länder zur Goldwährung übergegangen sind und der la¬
teinische Münzbund die freie Silberprägung eingestellt hat, sondern die Ent¬
wertung des Silbers hat weit tiefere Gründe. Man kann dies schon an folgender
etwas weiter zurückliegenden Erscheinung erkennen. Die seit der Mitte dieses
Jahrhunderts eingetretene Vermehrung des Geldes beruhte auf dem Zufluß
von Gold aus Kalifornien (seit 1848) und Australien (seit 1852); während
der Silberzufluß um die damalige Zeit sich noch gleich blieb. Darnach hätte
man erwarten sollen, der Wert des Goldes in Vergleich mit dem des Silbers
müsse unter das Verhältnis von 15,5 : 1 herabgehen; gerade so wie bei dem
ersten Zuströmen des Silbers aus der neuen Welt vor dreihundertfünfzig Jahren
der Wert dieses Metalles sank. Merkwürdigerweise blieb aber das Wertver-
hältnis beider Metalle ziemlich unverändert. Die Schwankungen zu Anfang
der fünfziger Jahre beschränkten sich auf zwei bis drei Prozent. Diese Er¬
scheinung ist nur daraus erklärbar, daß gleichzeitig mit dem wachsenden Gold-
zuflusse das Aufnahmebedürfnis für Gold im Gegensatz zu Silber erheblich zu¬
nahm. Und dies hat auch einen sehr verständlichen Grund. Je mehr sich die
Geldzeichen vermehrten, umsomehr mußte die Vorliebe für dasjenige Metall
wachsen, welches es möglich macht, größere Summen in engem Raum aufzu¬
bewahren und mit Leichtigkeit hin- und herzuschaffen. Zu diesen innern Vor¬
zügen des Goldes, welche trotz seines Anwachsens sein Verhältnis zum Silber
ziemlich unverändert erhielten, trat dann noch die Thatsache hinzu, daß seit
Aufschluß der Bergwerke in Nevada (1860) und Virginien (1868) auch der
Silberzufluß unglaublich zunahm. Dieser Zufluß hat dann zu einer reißend
fortschreitenden Silberentwertung geführt. Auch wo wie in Nordamerika zu¬
folge der (von den Silberinteressenten durchgesetzten) Blandbill noch fortwährend
Silber (allmonatlich zwei Millionen Dollars und zwar in dem Wertverhültnis
von 1:16) ausgeprägt wird, geht doch dieses Silbergeld, weil es nicht beliebt
ist, nur zum geringsten Teil in das Publikum über, lagert vielmehr größten¬
teils im Schatzamt, das dagegen an Gold oft Mangel hat.

Wenn also die oben gedachten Staaten kraft Vereinbarung die freie Silber¬
prägung wieder aufnahmen und dabei das Wertverhältnis von 1:15,5 zu
Grunde legten, so würde doch dieser Wert nur künstlich geschaffen und bei


Die neue Bewegung für die Doppelwährung.

werden. Trotzdem, meinen unsre Bimetallisten, werde dadurch, daß die Ver¬
einbarungsstaaten erklären, das also geprägte Silber habe einen Wert von ^/is,-,
des Goldes, das Silber wirklich diesen Wert erhalten. Wäre es richtig, daß
der Staat einem Metall, sobald er es ausmünzt, dauernd einen beliebigen Wert
verleihen könne, so würde man dieses Experiment ja auch noch an andern Me¬
tallen erproben können (z. B. am Aluminium, das sich zufolge seiner Leichtig¬
keit in manchen Beziehungen weit besser zu Geld eignen würde als Silber).
In dieser Annahme liegt aber ein verhängnisvoller Irrtum.

Das Silber ist im Preise gesunken, nicht bloß deshalb, weil Deutschland
und einige kleinere Länder zur Goldwährung übergegangen sind und der la¬
teinische Münzbund die freie Silberprägung eingestellt hat, sondern die Ent¬
wertung des Silbers hat weit tiefere Gründe. Man kann dies schon an folgender
etwas weiter zurückliegenden Erscheinung erkennen. Die seit der Mitte dieses
Jahrhunderts eingetretene Vermehrung des Geldes beruhte auf dem Zufluß
von Gold aus Kalifornien (seit 1848) und Australien (seit 1852); während
der Silberzufluß um die damalige Zeit sich noch gleich blieb. Darnach hätte
man erwarten sollen, der Wert des Goldes in Vergleich mit dem des Silbers
müsse unter das Verhältnis von 15,5 : 1 herabgehen; gerade so wie bei dem
ersten Zuströmen des Silbers aus der neuen Welt vor dreihundertfünfzig Jahren
der Wert dieses Metalles sank. Merkwürdigerweise blieb aber das Wertver-
hältnis beider Metalle ziemlich unverändert. Die Schwankungen zu Anfang
der fünfziger Jahre beschränkten sich auf zwei bis drei Prozent. Diese Er¬
scheinung ist nur daraus erklärbar, daß gleichzeitig mit dem wachsenden Gold-
zuflusse das Aufnahmebedürfnis für Gold im Gegensatz zu Silber erheblich zu¬
nahm. Und dies hat auch einen sehr verständlichen Grund. Je mehr sich die
Geldzeichen vermehrten, umsomehr mußte die Vorliebe für dasjenige Metall
wachsen, welches es möglich macht, größere Summen in engem Raum aufzu¬
bewahren und mit Leichtigkeit hin- und herzuschaffen. Zu diesen innern Vor¬
zügen des Goldes, welche trotz seines Anwachsens sein Verhältnis zum Silber
ziemlich unverändert erhielten, trat dann noch die Thatsache hinzu, daß seit
Aufschluß der Bergwerke in Nevada (1860) und Virginien (1868) auch der
Silberzufluß unglaublich zunahm. Dieser Zufluß hat dann zu einer reißend
fortschreitenden Silberentwertung geführt. Auch wo wie in Nordamerika zu¬
folge der (von den Silberinteressenten durchgesetzten) Blandbill noch fortwährend
Silber (allmonatlich zwei Millionen Dollars und zwar in dem Wertverhültnis
von 1:16) ausgeprägt wird, geht doch dieses Silbergeld, weil es nicht beliebt
ist, nur zum geringsten Teil in das Publikum über, lagert vielmehr größten¬
teils im Schatzamt, das dagegen an Gold oft Mangel hat.

Wenn also die oben gedachten Staaten kraft Vereinbarung die freie Silber¬
prägung wieder aufnahmen und dabei das Wertverhältnis von 1:15,5 zu
Grunde legten, so würde doch dieser Wert nur künstlich geschaffen und bei


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[0026] Die neue Bewegung für die Doppelwährung. werden. Trotzdem, meinen unsre Bimetallisten, werde dadurch, daß die Ver¬ einbarungsstaaten erklären, das also geprägte Silber habe einen Wert von ^/is,-, des Goldes, das Silber wirklich diesen Wert erhalten. Wäre es richtig, daß der Staat einem Metall, sobald er es ausmünzt, dauernd einen beliebigen Wert verleihen könne, so würde man dieses Experiment ja auch noch an andern Me¬ tallen erproben können (z. B. am Aluminium, das sich zufolge seiner Leichtig¬ keit in manchen Beziehungen weit besser zu Geld eignen würde als Silber). In dieser Annahme liegt aber ein verhängnisvoller Irrtum. Das Silber ist im Preise gesunken, nicht bloß deshalb, weil Deutschland und einige kleinere Länder zur Goldwährung übergegangen sind und der la¬ teinische Münzbund die freie Silberprägung eingestellt hat, sondern die Ent¬ wertung des Silbers hat weit tiefere Gründe. Man kann dies schon an folgender etwas weiter zurückliegenden Erscheinung erkennen. Die seit der Mitte dieses Jahrhunderts eingetretene Vermehrung des Geldes beruhte auf dem Zufluß von Gold aus Kalifornien (seit 1848) und Australien (seit 1852); während der Silberzufluß um die damalige Zeit sich noch gleich blieb. Darnach hätte man erwarten sollen, der Wert des Goldes in Vergleich mit dem des Silbers müsse unter das Verhältnis von 15,5 : 1 herabgehen; gerade so wie bei dem ersten Zuströmen des Silbers aus der neuen Welt vor dreihundertfünfzig Jahren der Wert dieses Metalles sank. Merkwürdigerweise blieb aber das Wertver- hältnis beider Metalle ziemlich unverändert. Die Schwankungen zu Anfang der fünfziger Jahre beschränkten sich auf zwei bis drei Prozent. Diese Er¬ scheinung ist nur daraus erklärbar, daß gleichzeitig mit dem wachsenden Gold- zuflusse das Aufnahmebedürfnis für Gold im Gegensatz zu Silber erheblich zu¬ nahm. Und dies hat auch einen sehr verständlichen Grund. Je mehr sich die Geldzeichen vermehrten, umsomehr mußte die Vorliebe für dasjenige Metall wachsen, welches es möglich macht, größere Summen in engem Raum aufzu¬ bewahren und mit Leichtigkeit hin- und herzuschaffen. Zu diesen innern Vor¬ zügen des Goldes, welche trotz seines Anwachsens sein Verhältnis zum Silber ziemlich unverändert erhielten, trat dann noch die Thatsache hinzu, daß seit Aufschluß der Bergwerke in Nevada (1860) und Virginien (1868) auch der Silberzufluß unglaublich zunahm. Dieser Zufluß hat dann zu einer reißend fortschreitenden Silberentwertung geführt. Auch wo wie in Nordamerika zu¬ folge der (von den Silberinteressenten durchgesetzten) Blandbill noch fortwährend Silber (allmonatlich zwei Millionen Dollars und zwar in dem Wertverhültnis von 1:16) ausgeprägt wird, geht doch dieses Silbergeld, weil es nicht beliebt ist, nur zum geringsten Teil in das Publikum über, lagert vielmehr größten¬ teils im Schatzamt, das dagegen an Gold oft Mangel hat. Wenn also die oben gedachten Staaten kraft Vereinbarung die freie Silber¬ prägung wieder aufnahmen und dabei das Wertverhältnis von 1:15,5 zu Grunde legten, so würde doch dieser Wert nur künstlich geschaffen und bei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/26>, abgerufen am 17.09.2024.