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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Die neue Bewegung für die Doppelwährung.

in noch weit höherem Maße an die alsdann eintretende Vermehrung des Geld¬
bestandes knüpfen, nur in umgekehrter Richtung. Statt der Schuldner würden
die Gläubiger an ihren Forderungen Einbuße erleiden. Die Arbeiter, die Be¬
amten würden, bis es ihnen gelungen wäre, die entsprechende Erhöhung ihrer
Löhne und Gehalte herbeizuführen, die Verteuerung aller Lebensbedürfnisse
schwer empfinden. Es würden sich alle die Schäden wiederholen, die vor zwei
Jahrzehnten die fortschreitende Entwertung des Geldes als ein wirtschaftliches
Unglück erscheinen ließen.

Es kommt aber noch weiter folgendes in Betracht. Das Wertverhältnis
des Goldes zum Silber konnte man noch vor fünfzehn Jahren nach einem
lange Zeit hindurch ziemlich gleichgebliebenen Bestände wie 15,5 : 1 annehmen.
Seitdem ist der Wert des Silbers auf dem Weltmarkte fortwährend gesunken,
und jenes Verhältnis steht jetzt ungefähr wie 20 : 1. Nun wollen unsre Bi-
metallisten nicht etwa, daß nach diesem jetzigen Wertverhältnis das Silber aus¬
geprägt werde, sondern sie wollen das alte Verhältnis von 15,5 :1 der Prägung
wieder zu Grunde legen. Sie wollen also in dem Silber nicht bloß mehr Geld,
sondern auch unterwertiges Geld gewinnen. Sie behaupten, daß dies ohne
Schaden geschehen könne, wenn nur eine Anzahl von Staaten sich einigten, nach
diesem Wertverhältnisse die Ausprägung des Silbers geschehen zu lassen. Früher
gaben sie noch zu, daß an dieser Vereinigung, wenn sie wirksam sein soll, jeden¬
falls England teilnehmen müsse. Seitdem sich aber gezeigt hat, daß England
hierzu keine Lust hat, erklären sie auch dessen Teilnahme nicht für notwendig,
meinen vielmehr, daß schon eine Vereinigung der Staaten des lateinischen Münz¬
bundes (Frankreich, Italien, Schweiz und Belgien) mit Nordamerika und Deutsch¬
land für jenen Zweck genüge.

Nun ist es ja richtig, daß der Staat durch seine Autorität auch nnter-
wertigen Geldzeichen einen den vollwertigen gleichen Wert beilegen kann, und
daß dieser Wert auch bei normalen Verhältnissen in Handel und Wandel an¬
erkannt wird. Wir sehen dies an der Scheidemünze, die regelmäßig unterwertig
ausgeprägt wird; bei uns in Deutschland noch zehn Prozent unter dem Ver¬
hältnis von 1: 15,5. Wir sehen dies noch mehr an dem Papiergelde, dessen
Stoff ja völlig wertlos ist, das aber gleichwohl in gutgeordneten Staaten
überall vollwertig gilt. Alle diese unterwertigen Wertzeichen werden getragen
durch den Kredit des Staates, der sie ausgiebt. Daraus ergiebt sich die natür¬
liche Schranke: sie dürfen den Kredit des Staates nicht übersteigen. Thun sie
das, so kommt ihre wahre unterwertige Natur in Handel und Wandel zur
Geltung, d. h. sie sinken den vollwertigen Geldzeichen gegenüber im Kurse.

Nun soll aber das neue Silbergeld nicht in bestimmt begrenztem Maße
-- in solchem besitzen wir schon Silbergeld teils in unsern Scheidemünzen, teils
in dem uns verbliebenen Rest von 400 Millionen Mark in Thalern sondern
zufolge der freien Prägung in unbegrenztem Maße geprägt und in Umlauf gesetzt


Grenzboten II. 1887. 3
Die neue Bewegung für die Doppelwährung.

in noch weit höherem Maße an die alsdann eintretende Vermehrung des Geld¬
bestandes knüpfen, nur in umgekehrter Richtung. Statt der Schuldner würden
die Gläubiger an ihren Forderungen Einbuße erleiden. Die Arbeiter, die Be¬
amten würden, bis es ihnen gelungen wäre, die entsprechende Erhöhung ihrer
Löhne und Gehalte herbeizuführen, die Verteuerung aller Lebensbedürfnisse
schwer empfinden. Es würden sich alle die Schäden wiederholen, die vor zwei
Jahrzehnten die fortschreitende Entwertung des Geldes als ein wirtschaftliches
Unglück erscheinen ließen.

Es kommt aber noch weiter folgendes in Betracht. Das Wertverhältnis
des Goldes zum Silber konnte man noch vor fünfzehn Jahren nach einem
lange Zeit hindurch ziemlich gleichgebliebenen Bestände wie 15,5 : 1 annehmen.
Seitdem ist der Wert des Silbers auf dem Weltmarkte fortwährend gesunken,
und jenes Verhältnis steht jetzt ungefähr wie 20 : 1. Nun wollen unsre Bi-
metallisten nicht etwa, daß nach diesem jetzigen Wertverhältnis das Silber aus¬
geprägt werde, sondern sie wollen das alte Verhältnis von 15,5 :1 der Prägung
wieder zu Grunde legen. Sie wollen also in dem Silber nicht bloß mehr Geld,
sondern auch unterwertiges Geld gewinnen. Sie behaupten, daß dies ohne
Schaden geschehen könne, wenn nur eine Anzahl von Staaten sich einigten, nach
diesem Wertverhältnisse die Ausprägung des Silbers geschehen zu lassen. Früher
gaben sie noch zu, daß an dieser Vereinigung, wenn sie wirksam sein soll, jeden¬
falls England teilnehmen müsse. Seitdem sich aber gezeigt hat, daß England
hierzu keine Lust hat, erklären sie auch dessen Teilnahme nicht für notwendig,
meinen vielmehr, daß schon eine Vereinigung der Staaten des lateinischen Münz¬
bundes (Frankreich, Italien, Schweiz und Belgien) mit Nordamerika und Deutsch¬
land für jenen Zweck genüge.

Nun ist es ja richtig, daß der Staat durch seine Autorität auch nnter-
wertigen Geldzeichen einen den vollwertigen gleichen Wert beilegen kann, und
daß dieser Wert auch bei normalen Verhältnissen in Handel und Wandel an¬
erkannt wird. Wir sehen dies an der Scheidemünze, die regelmäßig unterwertig
ausgeprägt wird; bei uns in Deutschland noch zehn Prozent unter dem Ver¬
hältnis von 1: 15,5. Wir sehen dies noch mehr an dem Papiergelde, dessen
Stoff ja völlig wertlos ist, das aber gleichwohl in gutgeordneten Staaten
überall vollwertig gilt. Alle diese unterwertigen Wertzeichen werden getragen
durch den Kredit des Staates, der sie ausgiebt. Daraus ergiebt sich die natür¬
liche Schranke: sie dürfen den Kredit des Staates nicht übersteigen. Thun sie
das, so kommt ihre wahre unterwertige Natur in Handel und Wandel zur
Geltung, d. h. sie sinken den vollwertigen Geldzeichen gegenüber im Kurse.

Nun soll aber das neue Silbergeld nicht in bestimmt begrenztem Maße
— in solchem besitzen wir schon Silbergeld teils in unsern Scheidemünzen, teils
in dem uns verbliebenen Rest von 400 Millionen Mark in Thalern sondern
zufolge der freien Prägung in unbegrenztem Maße geprägt und in Umlauf gesetzt


Grenzboten II. 1887. 3
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[0025] Die neue Bewegung für die Doppelwährung. in noch weit höherem Maße an die alsdann eintretende Vermehrung des Geld¬ bestandes knüpfen, nur in umgekehrter Richtung. Statt der Schuldner würden die Gläubiger an ihren Forderungen Einbuße erleiden. Die Arbeiter, die Be¬ amten würden, bis es ihnen gelungen wäre, die entsprechende Erhöhung ihrer Löhne und Gehalte herbeizuführen, die Verteuerung aller Lebensbedürfnisse schwer empfinden. Es würden sich alle die Schäden wiederholen, die vor zwei Jahrzehnten die fortschreitende Entwertung des Geldes als ein wirtschaftliches Unglück erscheinen ließen. Es kommt aber noch weiter folgendes in Betracht. Das Wertverhältnis des Goldes zum Silber konnte man noch vor fünfzehn Jahren nach einem lange Zeit hindurch ziemlich gleichgebliebenen Bestände wie 15,5 : 1 annehmen. Seitdem ist der Wert des Silbers auf dem Weltmarkte fortwährend gesunken, und jenes Verhältnis steht jetzt ungefähr wie 20 : 1. Nun wollen unsre Bi- metallisten nicht etwa, daß nach diesem jetzigen Wertverhältnis das Silber aus¬ geprägt werde, sondern sie wollen das alte Verhältnis von 15,5 :1 der Prägung wieder zu Grunde legen. Sie wollen also in dem Silber nicht bloß mehr Geld, sondern auch unterwertiges Geld gewinnen. Sie behaupten, daß dies ohne Schaden geschehen könne, wenn nur eine Anzahl von Staaten sich einigten, nach diesem Wertverhältnisse die Ausprägung des Silbers geschehen zu lassen. Früher gaben sie noch zu, daß an dieser Vereinigung, wenn sie wirksam sein soll, jeden¬ falls England teilnehmen müsse. Seitdem sich aber gezeigt hat, daß England hierzu keine Lust hat, erklären sie auch dessen Teilnahme nicht für notwendig, meinen vielmehr, daß schon eine Vereinigung der Staaten des lateinischen Münz¬ bundes (Frankreich, Italien, Schweiz und Belgien) mit Nordamerika und Deutsch¬ land für jenen Zweck genüge. Nun ist es ja richtig, daß der Staat durch seine Autorität auch nnter- wertigen Geldzeichen einen den vollwertigen gleichen Wert beilegen kann, und daß dieser Wert auch bei normalen Verhältnissen in Handel und Wandel an¬ erkannt wird. Wir sehen dies an der Scheidemünze, die regelmäßig unterwertig ausgeprägt wird; bei uns in Deutschland noch zehn Prozent unter dem Ver¬ hältnis von 1: 15,5. Wir sehen dies noch mehr an dem Papiergelde, dessen Stoff ja völlig wertlos ist, das aber gleichwohl in gutgeordneten Staaten überall vollwertig gilt. Alle diese unterwertigen Wertzeichen werden getragen durch den Kredit des Staates, der sie ausgiebt. Daraus ergiebt sich die natür¬ liche Schranke: sie dürfen den Kredit des Staates nicht übersteigen. Thun sie das, so kommt ihre wahre unterwertige Natur in Handel und Wandel zur Geltung, d. h. sie sinken den vollwertigen Geldzeichen gegenüber im Kurse. Nun soll aber das neue Silbergeld nicht in bestimmt begrenztem Maße — in solchem besitzen wir schon Silbergeld teils in unsern Scheidemünzen, teils in dem uns verbliebenen Rest von 400 Millionen Mark in Thalern sondern zufolge der freien Prägung in unbegrenztem Maße geprägt und in Umlauf gesetzt Grenzboten II. 1887. 3

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/25>, abgerufen am 17.09.2024.