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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Die neue Bewegung für die Doppelwährung.

Verhältnisse in dieser Richtung geschehen wäre, manche Mißstände und für
einzelne auch Verluste eintreten könnten. So z. B. ist es denkbar, daß. wenn
die Preise im Großhandel bereits heruntergegangen sind, der Zwischenhandel
doch noch eine Zeit lang die frühern Preise aufrecht zu halten versteht und
dadurch dem laufenden Publikum die Vorteile der Preisminderung vorenthält.
Aber auf die Länge der Zeit wäre es ganz undenkbar, daß der Zwischenhandel,
unabhängig von den Preisen des Großhandels, seine Preise festhalten könnte.
Es ist auch nicht zu leugnen, daß aus der notwendig werdenden Verschiebung
der Preise manche MißHelligkeiten entstehen könnten. So z. B. würde es die
unabweisliche Folge einer dauernden Wertsteigerung des Geldes sein, daß die
Arbeitslöhne wieder herabgesetzt werden müßten. Die Arbeiter würden dadurch
in Wahrheit nichts verlieren. Denn wenn alle Dinge entsprechend wohlfeiler
geworden sind, so würden sie mit dem geringern Lohn gerade so gut. wie
bisher mit dem höhern, leben können. Aber es würde schwer halten, ihnen
dies begreiflich zu machen. Auch eine Verringerung der Beamtengehalte würde
die naturgemäße und notwendige Folge einer dauernden Wcrtsteigerung des
Geldes sein. Sie würde aber vielfach übel empfunden werden. Das alles aber
wären nur vorübergehende Nachteile.

Wenn man ferner gesagt hat, durch den Minderwert des Silbers hätten
diejenigen Länder, in welchen Silberwährung herrsche, in ihrer Produktion einen
Vorsprung vor den Ländern der Goldwährung gewonnen, sodaß sie ihre Er¬
zeugnisse dorthin wohlfeiler verkaufen können, so beruht auch dies auf einer
Täuschung. Es ist ja möglich, daß Länder mit minderwertiger Valuta
noch auf kurze Zeit ihre Preise so berechnen, als ob ihre Valuta der der
andern Länder gleichstünde. Auf die Länge der Zeit ist aber auch dies undenk¬
bar. Wenn die Jndier ihre aus Europa bezogenen Waren mit Preisen nach
dem Goldwerte bezahlen müssen, so wären sie die ärgsten Tröpfe, wenn sie
jahraus jahrein für ihren Weizen nur Preise nach dem Silberwerke berechneten.
Sie erhöhen natürlich ihre Preise in Silber so, daß sie den Preisen in Gold
entsprechen. Wenn Indien trotz seiner weiten Entfernung mit seinen Weizen-
Preisen unsrer Landwirtschaft Konkurrenz machen kann, so liegt der Grund nicht
darin, daß Indien Silberwährung und Deutschland Goldwährung hat. sondern
darin, daß der indische Boden weit fruchtbarer und das indische Volk weit
bedürfnisloser ist.

Endlich ist es auch nicht anzuerkennen, daß etwa denjenigen durch die
Wertsteigerung des Geldes ein Schaden erwachse, welche unter der Herrschaft
früherer höherer Preise Wertgegenstände erworben haben. Ein Landgut, das
zur Zeit der Geldentwertung teuer erstanden ist, trägt jetzt, auch wenn der
Geldwert inzwischen gestiegen wäre, gerade soviel Früchte wie früher. Und
wenn der Besitzer diese Früchte jetzt nur zu geringeren Preisen verkaufen könnte,
so würde er doch in diesen Preisen ebensoviel an Wert erhalten, wie in den


Die neue Bewegung für die Doppelwährung.

Verhältnisse in dieser Richtung geschehen wäre, manche Mißstände und für
einzelne auch Verluste eintreten könnten. So z. B. ist es denkbar, daß. wenn
die Preise im Großhandel bereits heruntergegangen sind, der Zwischenhandel
doch noch eine Zeit lang die frühern Preise aufrecht zu halten versteht und
dadurch dem laufenden Publikum die Vorteile der Preisminderung vorenthält.
Aber auf die Länge der Zeit wäre es ganz undenkbar, daß der Zwischenhandel,
unabhängig von den Preisen des Großhandels, seine Preise festhalten könnte.
Es ist auch nicht zu leugnen, daß aus der notwendig werdenden Verschiebung
der Preise manche MißHelligkeiten entstehen könnten. So z. B. würde es die
unabweisliche Folge einer dauernden Wertsteigerung des Geldes sein, daß die
Arbeitslöhne wieder herabgesetzt werden müßten. Die Arbeiter würden dadurch
in Wahrheit nichts verlieren. Denn wenn alle Dinge entsprechend wohlfeiler
geworden sind, so würden sie mit dem geringern Lohn gerade so gut. wie
bisher mit dem höhern, leben können. Aber es würde schwer halten, ihnen
dies begreiflich zu machen. Auch eine Verringerung der Beamtengehalte würde
die naturgemäße und notwendige Folge einer dauernden Wcrtsteigerung des
Geldes sein. Sie würde aber vielfach übel empfunden werden. Das alles aber
wären nur vorübergehende Nachteile.

Wenn man ferner gesagt hat, durch den Minderwert des Silbers hätten
diejenigen Länder, in welchen Silberwährung herrsche, in ihrer Produktion einen
Vorsprung vor den Ländern der Goldwährung gewonnen, sodaß sie ihre Er¬
zeugnisse dorthin wohlfeiler verkaufen können, so beruht auch dies auf einer
Täuschung. Es ist ja möglich, daß Länder mit minderwertiger Valuta
noch auf kurze Zeit ihre Preise so berechnen, als ob ihre Valuta der der
andern Länder gleichstünde. Auf die Länge der Zeit ist aber auch dies undenk¬
bar. Wenn die Jndier ihre aus Europa bezogenen Waren mit Preisen nach
dem Goldwerte bezahlen müssen, so wären sie die ärgsten Tröpfe, wenn sie
jahraus jahrein für ihren Weizen nur Preise nach dem Silberwerke berechneten.
Sie erhöhen natürlich ihre Preise in Silber so, daß sie den Preisen in Gold
entsprechen. Wenn Indien trotz seiner weiten Entfernung mit seinen Weizen-
Preisen unsrer Landwirtschaft Konkurrenz machen kann, so liegt der Grund nicht
darin, daß Indien Silberwährung und Deutschland Goldwährung hat. sondern
darin, daß der indische Boden weit fruchtbarer und das indische Volk weit
bedürfnisloser ist.

Endlich ist es auch nicht anzuerkennen, daß etwa denjenigen durch die
Wertsteigerung des Geldes ein Schaden erwachse, welche unter der Herrschaft
früherer höherer Preise Wertgegenstände erworben haben. Ein Landgut, das
zur Zeit der Geldentwertung teuer erstanden ist, trägt jetzt, auch wenn der
Geldwert inzwischen gestiegen wäre, gerade soviel Früchte wie früher. Und
wenn der Besitzer diese Früchte jetzt nur zu geringeren Preisen verkaufen könnte,
so würde er doch in diesen Preisen ebensoviel an Wert erhalten, wie in den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/23>, abgerufen am 17.09.2024.