Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Tudmig Uhland und die altfranzösische Poesie.

kein einheitliches Drama daraus geworden, denn da wimmelt es von Schwanken
und sonstigen Schnurrpfeifereien, während ein eigentlicher dramatischer Konflikt
nur in der etwas anrüchigen Liebe Oliviers zu der schönen Königstochter, die
er dann nnr ungern verläßt, gegeben ist. Dieser Konflikt mußte entweder ernst¬
haft durchgeführt werden, und dann mußten jene schwanke als unpassendes
<>eiwcrk wegfallen, oder komisch, und dann wäre der keusche Uhland endlich an
ewe Grenze gestoßen, die er nicht hätte überschreiten können.

Es ist schon von Düntzer darauf hingewiesen worden, daß der "Schwaben¬
streich," den Uhland in der Ballade "Schwäbische Kunde" erzählt, ebenfalls
U"r als ein Überbleibsel dieses größern dramatischen Entwurfes zu betrachten
'se. Vielleicht sollte bei der lustigen Hofhaltung, die Karl in Konstantinopel
Stahre, auch der schwäbische Ritter, der hier Gerold heißt, auftreten und seinen
Schwank erzählen, und es ist bezeichnend, daß der schon genannte Wilken, welcher
Ul seiner "Geschichte der Kreuzzüge" auch den fabelhaften Zug Karls des
großen bespricht und Uhland bekannt war, dasselbe Abenteuer eines schwäbischen
Cutters aus dem Heere Barbarossas erzählt. Das scheint, nebenbei gesagt,
"und ein Beweis mehr zu sein, daß Wilken, wie auch Götzinger annimmt, und
u-ehe Crusius Uhlcmds Quelle bei der "Schwäbischen Kunde" gewesen sei.

Schade bleibt es immerhin, daß auch dieses Unternehmen, wie so viele
"ndre. unvollendet bleiben mußte. Der hochstrebende Geist Uhlands wollte sich
'>"t dem einfachen Ruhme des Gelehrten und des Lyrikers nicht begnügen, er
I edle "ach dem höchsten poetischen Kranze, nach dem der Dramatik. Die
etztere blieb ihm aber verschlossen. Er mochte die Stoffe suchen, wo er wollte
(r^gi. u. a. die bezeichnende Nachschrift eines Jugendbriefes an Kölle in Paris:
,,^>ind Ihnen sonst keine Bücher bekannt, worin alte romantische Sagen, ein
poetische Vorwelt für dramatische Bearbeitung vorliegen?"), sie konnten in seinen
fänden keine recht lebensvolle Form gewinnen. Es ist eben nicht jeder ein
Universalmensch wie Goethe.

Im Anschlusse an das genannte Bruchstück einer Uhlandschen Komödie ist
"och als letzte Spur seiner Beschäftigung mit der altfranzösischen Poesie das
rainatischc Stückchen "Normäunischcr Brauch" zu erwähnen, weil die Einlci-
ung dazu ebenfalls auf ein altfranzösisches kMiau zurückgeht, das er aus
^0Q: Nouv6g.u roousil as labliWx (Paris 1823) kannte und in seinen Schriften
ZUlrt:


IIsiiALS söll on UorniiuMg
(jro hui IisdsrAioi! ost ^u'it aus
1<Ad1o on olian?oll alö 1'ost. .. .

Ferdinand Ginzel.


Tudmig Uhland und die altfranzösische Poesie.

kein einheitliches Drama daraus geworden, denn da wimmelt es von Schwanken
und sonstigen Schnurrpfeifereien, während ein eigentlicher dramatischer Konflikt
nur in der etwas anrüchigen Liebe Oliviers zu der schönen Königstochter, die
er dann nnr ungern verläßt, gegeben ist. Dieser Konflikt mußte entweder ernst¬
haft durchgeführt werden, und dann mußten jene schwanke als unpassendes
<>eiwcrk wegfallen, oder komisch, und dann wäre der keusche Uhland endlich an
ewe Grenze gestoßen, die er nicht hätte überschreiten können.

Es ist schon von Düntzer darauf hingewiesen worden, daß der „Schwaben¬
streich," den Uhland in der Ballade „Schwäbische Kunde" erzählt, ebenfalls
U"r als ein Überbleibsel dieses größern dramatischen Entwurfes zu betrachten
'se. Vielleicht sollte bei der lustigen Hofhaltung, die Karl in Konstantinopel
Stahre, auch der schwäbische Ritter, der hier Gerold heißt, auftreten und seinen
Schwank erzählen, und es ist bezeichnend, daß der schon genannte Wilken, welcher
Ul seiner „Geschichte der Kreuzzüge" auch den fabelhaften Zug Karls des
großen bespricht und Uhland bekannt war, dasselbe Abenteuer eines schwäbischen
Cutters aus dem Heere Barbarossas erzählt. Das scheint, nebenbei gesagt,
"und ein Beweis mehr zu sein, daß Wilken, wie auch Götzinger annimmt, und
u-ehe Crusius Uhlcmds Quelle bei der „Schwäbischen Kunde" gewesen sei.

Schade bleibt es immerhin, daß auch dieses Unternehmen, wie so viele
"ndre. unvollendet bleiben mußte. Der hochstrebende Geist Uhlands wollte sich
'>"t dem einfachen Ruhme des Gelehrten und des Lyrikers nicht begnügen, er
I edle "ach dem höchsten poetischen Kranze, nach dem der Dramatik. Die
etztere blieb ihm aber verschlossen. Er mochte die Stoffe suchen, wo er wollte
(r^gi. u. a. die bezeichnende Nachschrift eines Jugendbriefes an Kölle in Paris:
,,^>ind Ihnen sonst keine Bücher bekannt, worin alte romantische Sagen, ein
poetische Vorwelt für dramatische Bearbeitung vorliegen?"), sie konnten in seinen
fänden keine recht lebensvolle Form gewinnen. Es ist eben nicht jeder ein
Universalmensch wie Goethe.

Im Anschlusse an das genannte Bruchstück einer Uhlandschen Komödie ist
"och als letzte Spur seiner Beschäftigung mit der altfranzösischen Poesie das
rainatischc Stückchen „Normäunischcr Brauch" zu erwähnen, weil die Einlci-
ung dazu ebenfalls auf ein altfranzösisches kMiau zurückgeht, das er aus
^0Q: Nouv6g.u roousil as labliWx (Paris 1823) kannte und in seinen Schriften
ZUlrt:


IIsiiALS söll on UorniiuMg
(jro hui IisdsrAioi! ost ^u'it aus
1<Ad1o on olian?oll alö 1'ost. .. .

Ferdinand Ginzel.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0229" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/288682"/>
          <fw type="header" place="top"> Tudmig Uhland und die altfranzösische Poesie.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_680" prev="#ID_679"> kein einheitliches Drama daraus geworden, denn da wimmelt es von Schwanken<lb/>
und sonstigen Schnurrpfeifereien, während ein eigentlicher dramatischer Konflikt<lb/>
nur in der etwas anrüchigen Liebe Oliviers zu der schönen Königstochter, die<lb/>
er dann nnr ungern verläßt, gegeben ist. Dieser Konflikt mußte entweder ernst¬<lb/>
haft durchgeführt werden, und dann mußten jene schwanke als unpassendes<lb/>
&lt;&gt;eiwcrk wegfallen, oder komisch, und dann wäre der keusche Uhland endlich an<lb/>
ewe Grenze gestoßen, die er nicht hätte überschreiten können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_681"> Es ist schon von Düntzer darauf hingewiesen worden, daß der &#x201E;Schwaben¬<lb/>
streich," den Uhland in der Ballade &#x201E;Schwäbische Kunde" erzählt, ebenfalls<lb/>
U"r als ein Überbleibsel dieses größern dramatischen Entwurfes zu betrachten<lb/>
'se. Vielleicht sollte bei der lustigen Hofhaltung, die Karl in Konstantinopel<lb/>
Stahre, auch der schwäbische Ritter, der hier Gerold heißt, auftreten und seinen<lb/>
Schwank erzählen, und es ist bezeichnend, daß der schon genannte Wilken, welcher<lb/>
Ul seiner &#x201E;Geschichte der Kreuzzüge" auch den fabelhaften Zug Karls des<lb/>
großen bespricht und Uhland bekannt war, dasselbe Abenteuer eines schwäbischen<lb/>
Cutters aus dem Heere Barbarossas erzählt. Das scheint, nebenbei gesagt,<lb/>
"und ein Beweis mehr zu sein, daß Wilken, wie auch Götzinger annimmt, und<lb/>
u-ehe Crusius Uhlcmds Quelle bei der &#x201E;Schwäbischen Kunde" gewesen sei.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_682"> Schade bleibt es immerhin, daß auch dieses Unternehmen, wie so viele<lb/>
"ndre. unvollendet bleiben mußte. Der hochstrebende Geist Uhlands wollte sich<lb/>
'&gt;"t dem einfachen Ruhme des Gelehrten und des Lyrikers nicht begnügen, er<lb/>
I edle "ach dem höchsten poetischen Kranze, nach dem der Dramatik. Die<lb/>
etztere blieb ihm aber verschlossen. Er mochte die Stoffe suchen, wo er wollte<lb/>
(r^gi. u. a. die bezeichnende Nachschrift eines Jugendbriefes an Kölle in Paris:<lb/>
,,^&gt;ind Ihnen sonst keine Bücher bekannt, worin alte romantische Sagen, ein<lb/>
poetische Vorwelt für dramatische Bearbeitung vorliegen?"), sie konnten in seinen<lb/>
fänden keine recht lebensvolle Form gewinnen. Es ist eben nicht jeder ein<lb/>
Universalmensch wie Goethe.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_683"> Im Anschlusse an das genannte Bruchstück einer Uhlandschen Komödie ist<lb/>
"och als letzte Spur seiner Beschäftigung mit der altfranzösischen Poesie das<lb/>
rainatischc Stückchen &#x201E;Normäunischcr Brauch" zu erwähnen, weil die Einlci-<lb/>
ung dazu ebenfalls auf ein altfranzösisches kMiau zurückgeht, das er aus<lb/>
^0Q: Nouv6g.u roousil as labliWx (Paris 1823) kannte und in seinen Schriften<lb/>
ZUlrt:</p><lb/>
          <quote> IIsiiALS söll on UorniiuMg<lb/>
(jro hui IisdsrAioi! ost ^u'it aus<lb/>
1&lt;Ad1o on olian?oll alö  1'ost. .. .</quote><lb/>
          <note type="bibl"> Ferdinand Ginzel.</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0229] Tudmig Uhland und die altfranzösische Poesie. kein einheitliches Drama daraus geworden, denn da wimmelt es von Schwanken und sonstigen Schnurrpfeifereien, während ein eigentlicher dramatischer Konflikt nur in der etwas anrüchigen Liebe Oliviers zu der schönen Königstochter, die er dann nnr ungern verläßt, gegeben ist. Dieser Konflikt mußte entweder ernst¬ haft durchgeführt werden, und dann mußten jene schwanke als unpassendes <>eiwcrk wegfallen, oder komisch, und dann wäre der keusche Uhland endlich an ewe Grenze gestoßen, die er nicht hätte überschreiten können. Es ist schon von Düntzer darauf hingewiesen worden, daß der „Schwaben¬ streich," den Uhland in der Ballade „Schwäbische Kunde" erzählt, ebenfalls U"r als ein Überbleibsel dieses größern dramatischen Entwurfes zu betrachten 'se. Vielleicht sollte bei der lustigen Hofhaltung, die Karl in Konstantinopel Stahre, auch der schwäbische Ritter, der hier Gerold heißt, auftreten und seinen Schwank erzählen, und es ist bezeichnend, daß der schon genannte Wilken, welcher Ul seiner „Geschichte der Kreuzzüge" auch den fabelhaften Zug Karls des großen bespricht und Uhland bekannt war, dasselbe Abenteuer eines schwäbischen Cutters aus dem Heere Barbarossas erzählt. Das scheint, nebenbei gesagt, "und ein Beweis mehr zu sein, daß Wilken, wie auch Götzinger annimmt, und u-ehe Crusius Uhlcmds Quelle bei der „Schwäbischen Kunde" gewesen sei. Schade bleibt es immerhin, daß auch dieses Unternehmen, wie so viele "ndre. unvollendet bleiben mußte. Der hochstrebende Geist Uhlands wollte sich '>"t dem einfachen Ruhme des Gelehrten und des Lyrikers nicht begnügen, er I edle "ach dem höchsten poetischen Kranze, nach dem der Dramatik. Die etztere blieb ihm aber verschlossen. Er mochte die Stoffe suchen, wo er wollte (r^gi. u. a. die bezeichnende Nachschrift eines Jugendbriefes an Kölle in Paris: ,,^>ind Ihnen sonst keine Bücher bekannt, worin alte romantische Sagen, ein poetische Vorwelt für dramatische Bearbeitung vorliegen?"), sie konnten in seinen fänden keine recht lebensvolle Form gewinnen. Es ist eben nicht jeder ein Universalmensch wie Goethe. Im Anschlusse an das genannte Bruchstück einer Uhlandschen Komödie ist "och als letzte Spur seiner Beschäftigung mit der altfranzösischen Poesie das rainatischc Stückchen „Normäunischcr Brauch" zu erwähnen, weil die Einlci- ung dazu ebenfalls auf ein altfranzösisches kMiau zurückgeht, das er aus ^0Q: Nouv6g.u roousil as labliWx (Paris 1823) kannte und in seinen Schriften ZUlrt: IIsiiALS söll on UorniiuMg (jro hui IisdsrAioi! ost ^u'it aus 1<Ad1o on olian?oll alö 1'ost. .. . Ferdinand Ginzel.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/229
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/229>, abgerufen am 17.09.2024.