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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Ludwig Uhland und die altfranzösische Poesie.

..Sängerhcld" oder "5eldensänger." In "Taillefer," sowie in ..Bertram de Born"
steht, er dem Stoffe nicht als Sagenforscher, sondern als Dichter gegenüber, und
dazu können wir uns nur beglückwünschen, denn beide Balladen sind längst als
die schönsten Edelsteine in Uhlands Dichterkrone anerkannt.

ä) "Bertram de Born" steht als späte Nachblüte vereinzelt da; es 'se ange¬
regt worden durch die Schilderung, welche Diez in seinem Werke über die ..Poesie
der Troubadours" von Bertram entwirft. Aber mich hier die gleiche ^deall-
sirung wie bei "Taillefer." Aus dem trotzigen, fehdelnstigen Vasallen wird em
edler Sängerheld, aus dem rücksichtslosen Parteigänger, der bei Dante in tiefer
Hölle schmachten muß. ein treuer Waffenbruder, dessen edle Kunst des Sanges
auch seine Widersacher bezwingt.

e) Wenn wir an dieser Stelle des Cyklus..Sängerlieder" gedenken, so ist
uns wohl bekannt, daß dieser eigentlich nicht unmittelbar aus dem Studium
der altfranzösischen Dichtungen hervorgegangen ist. ebensowenig wie die voran¬
gehende Nummer. Aber die Stoffe sind verwandt und teilweise sogar in der
altfranzösischen Epik vorhanden; es ist nicht unwahrscheinlich, daß er mich
diese fünf schönen Romanzen in das "Märchenbuch" aufgenommen hatte, das
in der Zeit der Turniere von ihm selbst gedacht worden ist. Strobl hat d,c
Quellenforschung in befriedigender Weise begonnen, und Duntzer hat die Er¬
gebnisse derselben zusammengefaßt. Unklar ist beiden Forschern die Quelle
des Castellan von Coucy; da möchten wir nun die Frage auswerfen, ob
nicht anch hier Bouterweks "Geschichte der Poesie und Beredsamkeit" Wucht
worden sei. sowie es sür Don Massias und Dante angenommen wird Dieser
bringt nämlich die Geschichte des Castellans fast genau so. wie sie Uhland dar¬
stellt, u"d daß der letztere diese Darstellung kannte, erhellt daraus, daß er ihrer
Erwähnung thut in den Anmerkungen zu dem Volksliede vom Brennenberger.
Außerdem bleibt noch das dramatische Fragment: "Der Tod Coucy's" vom Maler
Müller zu erwägen. . ...

^^^3. Eigne Dichtungen. Hierunter begreifen wir diejenigen Gedichte, deren
Anhalt ganz des Dichters freie Erfindung ist. sodaß nur die handelnden Per¬
sonen die Verbindung mit der altfranzösischen Sage herstellen. Hierher gehören
nur zwei Gedichte. ' . . .

c^,..k
"Roland Schildträger" wird von Uhland selbst in einem Brwfe an Kauf¬
mann als "freie Erfindung" bezeichnet, "hervorgegangen aus der Beschäftigung
">it der Karolingischen Heldensage." . .

d) Wichtiger ist "König Karls Meerfahrt." in dem ebenfalls versah
Helden aus dem Kreise Karls des Großen redend eingeführt werden. Obwohl
Uhland nichts darüber sagt, ist doch kein Zweifel, daß wir es hier in:t einer
^gnen Erfindung zu thu., haben, in der unser Dichter die bekannten Helden
zur Illustration des alten Moralsatzes- ..Reden hilft nichts, handeln muß man
verwertet hat. Die charakteristischen Worte, die er jedem Einzelnen in den


Ludwig Uhland und die altfranzösische Poesie.

..Sängerhcld" oder „5eldensänger." In „Taillefer," sowie in ..Bertram de Born"
steht, er dem Stoffe nicht als Sagenforscher, sondern als Dichter gegenüber, und
dazu können wir uns nur beglückwünschen, denn beide Balladen sind längst als
die schönsten Edelsteine in Uhlands Dichterkrone anerkannt.

ä) „Bertram de Born" steht als späte Nachblüte vereinzelt da; es 'se ange¬
regt worden durch die Schilderung, welche Diez in seinem Werke über die ..Poesie
der Troubadours" von Bertram entwirft. Aber mich hier die gleiche ^deall-
sirung wie bei „Taillefer." Aus dem trotzigen, fehdelnstigen Vasallen wird em
edler Sängerheld, aus dem rücksichtslosen Parteigänger, der bei Dante in tiefer
Hölle schmachten muß. ein treuer Waffenbruder, dessen edle Kunst des Sanges
auch seine Widersacher bezwingt.

e) Wenn wir an dieser Stelle des Cyklus..Sängerlieder" gedenken, so ist
uns wohl bekannt, daß dieser eigentlich nicht unmittelbar aus dem Studium
der altfranzösischen Dichtungen hervorgegangen ist. ebensowenig wie die voran¬
gehende Nummer. Aber die Stoffe sind verwandt und teilweise sogar in der
altfranzösischen Epik vorhanden; es ist nicht unwahrscheinlich, daß er mich
diese fünf schönen Romanzen in das „Märchenbuch" aufgenommen hatte, das
in der Zeit der Turniere von ihm selbst gedacht worden ist. Strobl hat d,c
Quellenforschung in befriedigender Weise begonnen, und Duntzer hat die Er¬
gebnisse derselben zusammengefaßt. Unklar ist beiden Forschern die Quelle
des Castellan von Coucy; da möchten wir nun die Frage auswerfen, ob
nicht anch hier Bouterweks „Geschichte der Poesie und Beredsamkeit" Wucht
worden sei. sowie es sür Don Massias und Dante angenommen wird Dieser
bringt nämlich die Geschichte des Castellans fast genau so. wie sie Uhland dar¬
stellt, u„d daß der letztere diese Darstellung kannte, erhellt daraus, daß er ihrer
Erwähnung thut in den Anmerkungen zu dem Volksliede vom Brennenberger.
Außerdem bleibt noch das dramatische Fragment: „Der Tod Coucy's" vom Maler
Müller zu erwägen. . ...

^^^3. Eigne Dichtungen. Hierunter begreifen wir diejenigen Gedichte, deren
Anhalt ganz des Dichters freie Erfindung ist. sodaß nur die handelnden Per¬
sonen die Verbindung mit der altfranzösischen Sage herstellen. Hierher gehören
nur zwei Gedichte. ' . . .

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„Roland Schildträger" wird von Uhland selbst in einem Brwfe an Kauf¬
mann als „freie Erfindung" bezeichnet, „hervorgegangen aus der Beschäftigung
">it der Karolingischen Heldensage." . .

d) Wichtiger ist „König Karls Meerfahrt." in dem ebenfalls versah
Helden aus dem Kreise Karls des Großen redend eingeführt werden. Obwohl
Uhland nichts darüber sagt, ist doch kein Zweifel, daß wir es hier in:t einer
^gnen Erfindung zu thu., haben, in der unser Dichter die bekannten Helden
zur Illustration des alten Moralsatzes- ..Reden hilft nichts, handeln muß man
verwertet hat. Die charakteristischen Worte, die er jedem Einzelnen in den


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[0227] Ludwig Uhland und die altfranzösische Poesie. ..Sängerhcld" oder „5eldensänger." In „Taillefer," sowie in ..Bertram de Born" steht, er dem Stoffe nicht als Sagenforscher, sondern als Dichter gegenüber, und dazu können wir uns nur beglückwünschen, denn beide Balladen sind längst als die schönsten Edelsteine in Uhlands Dichterkrone anerkannt. ä) „Bertram de Born" steht als späte Nachblüte vereinzelt da; es 'se ange¬ regt worden durch die Schilderung, welche Diez in seinem Werke über die ..Poesie der Troubadours" von Bertram entwirft. Aber mich hier die gleiche ^deall- sirung wie bei „Taillefer." Aus dem trotzigen, fehdelnstigen Vasallen wird em edler Sängerheld, aus dem rücksichtslosen Parteigänger, der bei Dante in tiefer Hölle schmachten muß. ein treuer Waffenbruder, dessen edle Kunst des Sanges auch seine Widersacher bezwingt. e) Wenn wir an dieser Stelle des Cyklus..Sängerlieder" gedenken, so ist uns wohl bekannt, daß dieser eigentlich nicht unmittelbar aus dem Studium der altfranzösischen Dichtungen hervorgegangen ist. ebensowenig wie die voran¬ gehende Nummer. Aber die Stoffe sind verwandt und teilweise sogar in der altfranzösischen Epik vorhanden; es ist nicht unwahrscheinlich, daß er mich diese fünf schönen Romanzen in das „Märchenbuch" aufgenommen hatte, das in der Zeit der Turniere von ihm selbst gedacht worden ist. Strobl hat d,c Quellenforschung in befriedigender Weise begonnen, und Duntzer hat die Er¬ gebnisse derselben zusammengefaßt. Unklar ist beiden Forschern die Quelle des Castellan von Coucy; da möchten wir nun die Frage auswerfen, ob nicht anch hier Bouterweks „Geschichte der Poesie und Beredsamkeit" Wucht worden sei. sowie es sür Don Massias und Dante angenommen wird Dieser bringt nämlich die Geschichte des Castellans fast genau so. wie sie Uhland dar¬ stellt, u„d daß der letztere diese Darstellung kannte, erhellt daraus, daß er ihrer Erwähnung thut in den Anmerkungen zu dem Volksliede vom Brennenberger. Außerdem bleibt noch das dramatische Fragment: „Der Tod Coucy's" vom Maler Müller zu erwägen. . ... ^^^3. Eigne Dichtungen. Hierunter begreifen wir diejenigen Gedichte, deren Anhalt ganz des Dichters freie Erfindung ist. sodaß nur die handelnden Per¬ sonen die Verbindung mit der altfranzösischen Sage herstellen. Hierher gehören nur zwei Gedichte. ' . . . c^,..k „Roland Schildträger" wird von Uhland selbst in einem Brwfe an Kauf¬ mann als „freie Erfindung" bezeichnet, „hervorgegangen aus der Beschäftigung ">it der Karolingischen Heldensage." . . d) Wichtiger ist „König Karls Meerfahrt." in dem ebenfalls versah Helden aus dem Kreise Karls des Großen redend eingeführt werden. Obwohl Uhland nichts darüber sagt, ist doch kein Zweifel, daß wir es hier in:t einer ^gnen Erfindung zu thu., haben, in der unser Dichter die bekannten Helden zur Illustration des alten Moralsatzes- ..Reden hilft nichts, handeln muß man verwertet hat. Die charakteristischen Worte, die er jedem Einzelnen in den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/227>, abgerufen am 17.09.2024.