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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Ludwig Uhland und die altfranzösische Poesie.

Gewissermaßen als Anhang folgen dann treffliche Bemerkungen über die
bretonischen Artnsromcme. über die normcinischcn Sagen von Robert dem Teufel
und seinem Sohne Richard Sanspeur. Am Schlüsse verweist dann Uhland
auf die demnächst folgenden Proben, eben jene Tircidcn aus 6irar? av Vi-of,
die er selbst übersetzt hatte.

Die Aufnahme dieses Aufsatzes, der leider durch die Ungunst der Zeit¬
verhältnisse nach außen hin nicht epochemachend wirkte, war günstig. In den
.Erholungen," einer süddeutschen Zeitschrift, erschien eine ungemein warme Re¬
zension. Man fing an die Existenz einer bis dahin völlig unbekannten Literatur-
blüte bei den Franzosen zu glauben, und als erst der Rassenhaß, welchen die
lnngdcmerndcn Kriege und die folgenden burschenschaftlichen Bewegungen genährt
hatten, einigermaßen beruhigt war, begann man auch emsig weiter zu bauen
in der Wissenschaft, die Uhland in der eigentlichsten Weise begründet hatte
Dankbar ist dies von Spätern anerkannt worden. Bedauerlich aber ist es, daß
der Aussatz in Frankreich so gut wie unbekannt blieb, und noch bedauerlicher,
daß Leon Gautier in seinem 1865 erschienenen Werke: I^hö choxöes ÜÄN?,N8of.
DwÄs sur les oriAuW ot 1'llistoii'L Äo la UttviÄwrs naUoiMs wohl Immanuel
Bekker erwähnt, aber nicht den noch frühern Uhland.

Wir haben nun noch für spätere Jahre zu verfolgen, wie Uhland seine Vor¬
liebe für die altfranzösische Literatur bethätigte und welche Früchte wir ihr
verdanken.

Als Uhland von Paris zurückkam, war er, wie gesagt, ganz erfüllt von
den gewonnenen Kenntnissen. Aber seine juristische Thätigkeit ließ ihm meh
mehr so viel Zeit für das "Steckenpferd," als welches er, der ehrsame Anwalt
"ut Abgeordnete in sxe-, seine Neigung betrachten mußte. Gar oft klagt er in
Briefen an seine Freunde, daß er seine größern Pläne vollständig beiseite
legen müsse. Wir haben schon das "Dekamerone altfranzösischer Erzählungen
aus dem Jahre 1808 erwähnt. Jetzt bei größerer Vertraulichkeit mit dem
Gegenstande trat dieselbe Absicht mit neuer Lebendigkeit ans und gewann greif¬
bare Umrisse. So schreibt Bekker aus Paris, daß er das zu hoffende Deka¬
merone mit unendlich größerer Freude erwarten würde, "als die Lieder BMadcn
Sonette, die dn hier dem rollenden Jahre preisgegeben," und Uhland Me
spricht sich darüber ans in einem Briefe an Fouque vom 20. November 181..
-Wenn es mir nicht an Zeit und Stimmung fehlte, würde ich c.ne ^.c Y
altfranzösischer Dichtungen, teils handschriftliche, teils ^druckte imo- d in
Titel- Märchenbuch des Königs von Frankreich übersetzen und be be
Bei einem Hoffeste, das der König von Frankreich veranstaltet ha sich um
den Turnieren und andern rauschenden Bergnügen die Gesellschaft in einen
Baumgarten verfügt. Aus allen Provinzen Frankreichs habe" sich Ritter und
Damen. Geistliche und Sänger versammelt. Der König bedenkt, wie er unter
seinem Szepter so verschiedne Volksstämme und eben damit ein buntes Märchen-


Ludwig Uhland und die altfranzösische Poesie.

Gewissermaßen als Anhang folgen dann treffliche Bemerkungen über die
bretonischen Artnsromcme. über die normcinischcn Sagen von Robert dem Teufel
und seinem Sohne Richard Sanspeur. Am Schlüsse verweist dann Uhland
auf die demnächst folgenden Proben, eben jene Tircidcn aus 6irar? av Vi-of,
die er selbst übersetzt hatte.

Die Aufnahme dieses Aufsatzes, der leider durch die Ungunst der Zeit¬
verhältnisse nach außen hin nicht epochemachend wirkte, war günstig. In den
.Erholungen," einer süddeutschen Zeitschrift, erschien eine ungemein warme Re¬
zension. Man fing an die Existenz einer bis dahin völlig unbekannten Literatur-
blüte bei den Franzosen zu glauben, und als erst der Rassenhaß, welchen die
lnngdcmerndcn Kriege und die folgenden burschenschaftlichen Bewegungen genährt
hatten, einigermaßen beruhigt war, begann man auch emsig weiter zu bauen
in der Wissenschaft, die Uhland in der eigentlichsten Weise begründet hatte
Dankbar ist dies von Spätern anerkannt worden. Bedauerlich aber ist es, daß
der Aussatz in Frankreich so gut wie unbekannt blieb, und noch bedauerlicher,
daß Leon Gautier in seinem 1865 erschienenen Werke: I^hö choxöes ÜÄN?,N8of.
DwÄs sur les oriAuW ot 1'llistoii'L Äo la UttviÄwrs naUoiMs wohl Immanuel
Bekker erwähnt, aber nicht den noch frühern Uhland.

Wir haben nun noch für spätere Jahre zu verfolgen, wie Uhland seine Vor¬
liebe für die altfranzösische Literatur bethätigte und welche Früchte wir ihr
verdanken.

Als Uhland von Paris zurückkam, war er, wie gesagt, ganz erfüllt von
den gewonnenen Kenntnissen. Aber seine juristische Thätigkeit ließ ihm meh
mehr so viel Zeit für das „Steckenpferd," als welches er, der ehrsame Anwalt
"ut Abgeordnete in sxe-, seine Neigung betrachten mußte. Gar oft klagt er in
Briefen an seine Freunde, daß er seine größern Pläne vollständig beiseite
legen müsse. Wir haben schon das „Dekamerone altfranzösischer Erzählungen
aus dem Jahre 1808 erwähnt. Jetzt bei größerer Vertraulichkeit mit dem
Gegenstande trat dieselbe Absicht mit neuer Lebendigkeit ans und gewann greif¬
bare Umrisse. So schreibt Bekker aus Paris, daß er das zu hoffende Deka¬
merone mit unendlich größerer Freude erwarten würde, „als die Lieder BMadcn
Sonette, die dn hier dem rollenden Jahre preisgegeben," und Uhland Me
spricht sich darüber ans in einem Briefe an Fouque vom 20. November 181..
-Wenn es mir nicht an Zeit und Stimmung fehlte, würde ich c.ne ^.c Y
altfranzösischer Dichtungen, teils handschriftliche, teils ^druckte imo- d in
Titel- Märchenbuch des Königs von Frankreich übersetzen und be be
Bei einem Hoffeste, das der König von Frankreich veranstaltet ha sich um
den Turnieren und andern rauschenden Bergnügen die Gesellschaft in einen
Baumgarten verfügt. Aus allen Provinzen Frankreichs habe» sich Ritter und
Damen. Geistliche und Sänger versammelt. Der König bedenkt, wie er unter
seinem Szepter so verschiedne Volksstämme und eben damit ein buntes Märchen-


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[0221] Ludwig Uhland und die altfranzösische Poesie. Gewissermaßen als Anhang folgen dann treffliche Bemerkungen über die bretonischen Artnsromcme. über die normcinischcn Sagen von Robert dem Teufel und seinem Sohne Richard Sanspeur. Am Schlüsse verweist dann Uhland auf die demnächst folgenden Proben, eben jene Tircidcn aus 6irar? av Vi-of, die er selbst übersetzt hatte. Die Aufnahme dieses Aufsatzes, der leider durch die Ungunst der Zeit¬ verhältnisse nach außen hin nicht epochemachend wirkte, war günstig. In den .Erholungen," einer süddeutschen Zeitschrift, erschien eine ungemein warme Re¬ zension. Man fing an die Existenz einer bis dahin völlig unbekannten Literatur- blüte bei den Franzosen zu glauben, und als erst der Rassenhaß, welchen die lnngdcmerndcn Kriege und die folgenden burschenschaftlichen Bewegungen genährt hatten, einigermaßen beruhigt war, begann man auch emsig weiter zu bauen in der Wissenschaft, die Uhland in der eigentlichsten Weise begründet hatte Dankbar ist dies von Spätern anerkannt worden. Bedauerlich aber ist es, daß der Aussatz in Frankreich so gut wie unbekannt blieb, und noch bedauerlicher, daß Leon Gautier in seinem 1865 erschienenen Werke: I^hö choxöes ÜÄN?,N8of. DwÄs sur les oriAuW ot 1'llistoii'L Äo la UttviÄwrs naUoiMs wohl Immanuel Bekker erwähnt, aber nicht den noch frühern Uhland. Wir haben nun noch für spätere Jahre zu verfolgen, wie Uhland seine Vor¬ liebe für die altfranzösische Literatur bethätigte und welche Früchte wir ihr verdanken. Als Uhland von Paris zurückkam, war er, wie gesagt, ganz erfüllt von den gewonnenen Kenntnissen. Aber seine juristische Thätigkeit ließ ihm meh mehr so viel Zeit für das „Steckenpferd," als welches er, der ehrsame Anwalt "ut Abgeordnete in sxe-, seine Neigung betrachten mußte. Gar oft klagt er in Briefen an seine Freunde, daß er seine größern Pläne vollständig beiseite legen müsse. Wir haben schon das „Dekamerone altfranzösischer Erzählungen aus dem Jahre 1808 erwähnt. Jetzt bei größerer Vertraulichkeit mit dem Gegenstande trat dieselbe Absicht mit neuer Lebendigkeit ans und gewann greif¬ bare Umrisse. So schreibt Bekker aus Paris, daß er das zu hoffende Deka¬ merone mit unendlich größerer Freude erwarten würde, „als die Lieder BMadcn Sonette, die dn hier dem rollenden Jahre preisgegeben," und Uhland Me spricht sich darüber ans in einem Briefe an Fouque vom 20. November 181.. -Wenn es mir nicht an Zeit und Stimmung fehlte, würde ich c.ne ^.c Y altfranzösischer Dichtungen, teils handschriftliche, teils ^druckte imo- d in Titel- Märchenbuch des Königs von Frankreich übersetzen und be be Bei einem Hoffeste, das der König von Frankreich veranstaltet ha sich um den Turnieren und andern rauschenden Bergnügen die Gesellschaft in einen Baumgarten verfügt. Aus allen Provinzen Frankreichs habe» sich Ritter und Damen. Geistliche und Sänger versammelt. Der König bedenkt, wie er unter seinem Szepter so verschiedne Volksstämme und eben damit ein buntes Märchen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/221>, abgerufen am 17.09.2024.