Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die neue Bewegung für die Doppelwährung.

Kaliforniens und Australiens entdeckt worden sind. Der Wert des Geldes ist
seitdem erheblich gesunken; alle Preise sind höher geworden. Unleugbar ist nun
während dieser Zeit auch der Volkswohlstand in allen Kulturländern mächtig
gewachsen. Ist das nun etwa eine Folge der Vermehrung des Geldes? Hängt
es mit der Steigerung der Preise zusammen? Wir müssen auch diese Frage
verneinen. Der Volkswohlstand ist gewachsen infolge der ungeheuern Ver¬
mehrung der Gütererzeugung und der durch die neugeschaffenen Verkehrsmittel
gegebenen Möglichkeit eines allgemeinen Güteraustausches. Wären diese Ver¬
änderungen eingetreten ohne Entdeckung der kalifornischen Goldfelder, so würden
wir wahrscheinlich dieselben oder noch geringere Preise haben als früher;
aber das Maß unsers Wohllebens würde nicht geringer sein als jetzt. Wäre
zwar das kalifornische Gold entdeckt worden, daneben aber keine solche Ver¬
mehrung der Gütererzeugung eingetreten, so würden wir alles ebenso teuer und
vielleicht noch teurer bezahlen als jetzt; aber wir würden nicht besser leben als
früher. Beide Dinge sind unabhängig von einander.

Nur auf den Wohlstand einer Klasse von Menschen hat der gedachte Um¬
schwung in dem Werte des Geldes einen unverkennbaren Einfluß geübt, nämlich
auf den der Besitzer von Geld und Geldforderungen, beziehungsweise der
Schuldner von solchen Forderungen. Hätte jemand im Jahre 1825 sich einen
Schatz an Geld in seinem Garten vergraben und hätte er ihn dann im
Jahre 1875 wieder ausgegraben, so würde er zwar dieselbe Geldsumme in der
Hand gehabt haben; aber diese Geldsumme wäre jetzt weit weniger wert ge¬
wesen als zu der Zeit, wo er sie eingegraben hatte. Ganz dasselbe würde
eingetreten sein, wenn er die Summe im Jahre 1825 ausgeliehen und sie nun
im Jahre 1875 von dem Schuldner zurückbezahlt bekommen hätte. Durch die
Entwertung des Geldes litten also unverkennbar alle Gläubiger, welche auf
eiuen in weiter Vergangenheit liegenden Schuldtitel Kapital oder Renten zu
fordern hatten. Sie verloren an dem Werte ihrer Forderung, während die
Schuldner daran gewannen. Für die Gläubiger älterer Schulden war also
der Umschwung in dem Werte des Geldes ein wirtschaftliches Unglück. Da¬
gegen wußten sich die laufenden Schuldverhältnisse sehr bald mit dem ver¬
änderten Werte des Geldes ins Gleichgewicht zu setzen. Die Arbeitslöhne
stiegen mehr und mehr. Und auch die Gehalte der Beamten wurden in allen
Ländern dem veränderten Geldwerte entsprechend erhöht.

Gesetzt nun, wir wären wirklich jetzt in einem ähnlichen Umschwunge be¬
griffen, nur in umgekehrter Richtung, daß nämlich wegen Verminderung des
Geldes dessen Wert und Kaufkraft sich wieder erhöhte: würde denn daraus eine
allgemeine Niederlage des wirtschaftlichen Lebens hervorgehen? Wir müssen
auch diese Frage entschieden verneinen, vielmehr behaupten, daß der veränderte
Geldwert im ganzen auf das wirtschaftliche Leben ohne Einfluß bleibe. Das
schließt freilich nicht aus, daß nicht bis dahin, daß die Ausgleichung aller


Die neue Bewegung für die Doppelwährung.

Kaliforniens und Australiens entdeckt worden sind. Der Wert des Geldes ist
seitdem erheblich gesunken; alle Preise sind höher geworden. Unleugbar ist nun
während dieser Zeit auch der Volkswohlstand in allen Kulturländern mächtig
gewachsen. Ist das nun etwa eine Folge der Vermehrung des Geldes? Hängt
es mit der Steigerung der Preise zusammen? Wir müssen auch diese Frage
verneinen. Der Volkswohlstand ist gewachsen infolge der ungeheuern Ver¬
mehrung der Gütererzeugung und der durch die neugeschaffenen Verkehrsmittel
gegebenen Möglichkeit eines allgemeinen Güteraustausches. Wären diese Ver¬
änderungen eingetreten ohne Entdeckung der kalifornischen Goldfelder, so würden
wir wahrscheinlich dieselben oder noch geringere Preise haben als früher;
aber das Maß unsers Wohllebens würde nicht geringer sein als jetzt. Wäre
zwar das kalifornische Gold entdeckt worden, daneben aber keine solche Ver¬
mehrung der Gütererzeugung eingetreten, so würden wir alles ebenso teuer und
vielleicht noch teurer bezahlen als jetzt; aber wir würden nicht besser leben als
früher. Beide Dinge sind unabhängig von einander.

Nur auf den Wohlstand einer Klasse von Menschen hat der gedachte Um¬
schwung in dem Werte des Geldes einen unverkennbaren Einfluß geübt, nämlich
auf den der Besitzer von Geld und Geldforderungen, beziehungsweise der
Schuldner von solchen Forderungen. Hätte jemand im Jahre 1825 sich einen
Schatz an Geld in seinem Garten vergraben und hätte er ihn dann im
Jahre 1875 wieder ausgegraben, so würde er zwar dieselbe Geldsumme in der
Hand gehabt haben; aber diese Geldsumme wäre jetzt weit weniger wert ge¬
wesen als zu der Zeit, wo er sie eingegraben hatte. Ganz dasselbe würde
eingetreten sein, wenn er die Summe im Jahre 1825 ausgeliehen und sie nun
im Jahre 1875 von dem Schuldner zurückbezahlt bekommen hätte. Durch die
Entwertung des Geldes litten also unverkennbar alle Gläubiger, welche auf
eiuen in weiter Vergangenheit liegenden Schuldtitel Kapital oder Renten zu
fordern hatten. Sie verloren an dem Werte ihrer Forderung, während die
Schuldner daran gewannen. Für die Gläubiger älterer Schulden war also
der Umschwung in dem Werte des Geldes ein wirtschaftliches Unglück. Da¬
gegen wußten sich die laufenden Schuldverhältnisse sehr bald mit dem ver¬
änderten Werte des Geldes ins Gleichgewicht zu setzen. Die Arbeitslöhne
stiegen mehr und mehr. Und auch die Gehalte der Beamten wurden in allen
Ländern dem veränderten Geldwerte entsprechend erhöht.

Gesetzt nun, wir wären wirklich jetzt in einem ähnlichen Umschwunge be¬
griffen, nur in umgekehrter Richtung, daß nämlich wegen Verminderung des
Geldes dessen Wert und Kaufkraft sich wieder erhöhte: würde denn daraus eine
allgemeine Niederlage des wirtschaftlichen Lebens hervorgehen? Wir müssen
auch diese Frage entschieden verneinen, vielmehr behaupten, daß der veränderte
Geldwert im ganzen auf das wirtschaftliche Leben ohne Einfluß bleibe. Das
schließt freilich nicht aus, daß nicht bis dahin, daß die Ausgleichung aller


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0022" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/288475"/>
          <fw type="header" place="top"> Die neue Bewegung für die Doppelwährung.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_49" prev="#ID_48"> Kaliforniens und Australiens entdeckt worden sind. Der Wert des Geldes ist<lb/>
seitdem erheblich gesunken; alle Preise sind höher geworden. Unleugbar ist nun<lb/>
während dieser Zeit auch der Volkswohlstand in allen Kulturländern mächtig<lb/>
gewachsen. Ist das nun etwa eine Folge der Vermehrung des Geldes? Hängt<lb/>
es mit der Steigerung der Preise zusammen? Wir müssen auch diese Frage<lb/>
verneinen. Der Volkswohlstand ist gewachsen infolge der ungeheuern Ver¬<lb/>
mehrung der Gütererzeugung und der durch die neugeschaffenen Verkehrsmittel<lb/>
gegebenen Möglichkeit eines allgemeinen Güteraustausches. Wären diese Ver¬<lb/>
änderungen eingetreten ohne Entdeckung der kalifornischen Goldfelder, so würden<lb/>
wir wahrscheinlich dieselben oder noch geringere Preise haben als früher;<lb/>
aber das Maß unsers Wohllebens würde nicht geringer sein als jetzt. Wäre<lb/>
zwar das kalifornische Gold entdeckt worden, daneben aber keine solche Ver¬<lb/>
mehrung der Gütererzeugung eingetreten, so würden wir alles ebenso teuer und<lb/>
vielleicht noch teurer bezahlen als jetzt; aber wir würden nicht besser leben als<lb/>
früher.  Beide Dinge sind unabhängig von einander.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_50"> Nur auf den Wohlstand einer Klasse von Menschen hat der gedachte Um¬<lb/>
schwung in dem Werte des Geldes einen unverkennbaren Einfluß geübt, nämlich<lb/>
auf den der Besitzer von Geld und Geldforderungen, beziehungsweise der<lb/>
Schuldner von solchen Forderungen. Hätte jemand im Jahre 1825 sich einen<lb/>
Schatz an Geld in seinem Garten vergraben und hätte er ihn dann im<lb/>
Jahre 1875 wieder ausgegraben, so würde er zwar dieselbe Geldsumme in der<lb/>
Hand gehabt haben; aber diese Geldsumme wäre jetzt weit weniger wert ge¬<lb/>
wesen als zu der Zeit, wo er sie eingegraben hatte. Ganz dasselbe würde<lb/>
eingetreten sein, wenn er die Summe im Jahre 1825 ausgeliehen und sie nun<lb/>
im Jahre 1875 von dem Schuldner zurückbezahlt bekommen hätte. Durch die<lb/>
Entwertung des Geldes litten also unverkennbar alle Gläubiger, welche auf<lb/>
eiuen in weiter Vergangenheit liegenden Schuldtitel Kapital oder Renten zu<lb/>
fordern hatten. Sie verloren an dem Werte ihrer Forderung, während die<lb/>
Schuldner daran gewannen. Für die Gläubiger älterer Schulden war also<lb/>
der Umschwung in dem Werte des Geldes ein wirtschaftliches Unglück. Da¬<lb/>
gegen wußten sich die laufenden Schuldverhältnisse sehr bald mit dem ver¬<lb/>
änderten Werte des Geldes ins Gleichgewicht zu setzen. Die Arbeitslöhne<lb/>
stiegen mehr und mehr. Und auch die Gehalte der Beamten wurden in allen<lb/>
Ländern dem veränderten Geldwerte entsprechend erhöht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_51" next="#ID_52"> Gesetzt nun, wir wären wirklich jetzt in einem ähnlichen Umschwunge be¬<lb/>
griffen, nur in umgekehrter Richtung, daß nämlich wegen Verminderung des<lb/>
Geldes dessen Wert und Kaufkraft sich wieder erhöhte: würde denn daraus eine<lb/>
allgemeine Niederlage des wirtschaftlichen Lebens hervorgehen? Wir müssen<lb/>
auch diese Frage entschieden verneinen, vielmehr behaupten, daß der veränderte<lb/>
Geldwert im ganzen auf das wirtschaftliche Leben ohne Einfluß bleibe. Das<lb/>
schließt freilich nicht aus, daß nicht bis dahin, daß die Ausgleichung aller</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0022] Die neue Bewegung für die Doppelwährung. Kaliforniens und Australiens entdeckt worden sind. Der Wert des Geldes ist seitdem erheblich gesunken; alle Preise sind höher geworden. Unleugbar ist nun während dieser Zeit auch der Volkswohlstand in allen Kulturländern mächtig gewachsen. Ist das nun etwa eine Folge der Vermehrung des Geldes? Hängt es mit der Steigerung der Preise zusammen? Wir müssen auch diese Frage verneinen. Der Volkswohlstand ist gewachsen infolge der ungeheuern Ver¬ mehrung der Gütererzeugung und der durch die neugeschaffenen Verkehrsmittel gegebenen Möglichkeit eines allgemeinen Güteraustausches. Wären diese Ver¬ änderungen eingetreten ohne Entdeckung der kalifornischen Goldfelder, so würden wir wahrscheinlich dieselben oder noch geringere Preise haben als früher; aber das Maß unsers Wohllebens würde nicht geringer sein als jetzt. Wäre zwar das kalifornische Gold entdeckt worden, daneben aber keine solche Ver¬ mehrung der Gütererzeugung eingetreten, so würden wir alles ebenso teuer und vielleicht noch teurer bezahlen als jetzt; aber wir würden nicht besser leben als früher. Beide Dinge sind unabhängig von einander. Nur auf den Wohlstand einer Klasse von Menschen hat der gedachte Um¬ schwung in dem Werte des Geldes einen unverkennbaren Einfluß geübt, nämlich auf den der Besitzer von Geld und Geldforderungen, beziehungsweise der Schuldner von solchen Forderungen. Hätte jemand im Jahre 1825 sich einen Schatz an Geld in seinem Garten vergraben und hätte er ihn dann im Jahre 1875 wieder ausgegraben, so würde er zwar dieselbe Geldsumme in der Hand gehabt haben; aber diese Geldsumme wäre jetzt weit weniger wert ge¬ wesen als zu der Zeit, wo er sie eingegraben hatte. Ganz dasselbe würde eingetreten sein, wenn er die Summe im Jahre 1825 ausgeliehen und sie nun im Jahre 1875 von dem Schuldner zurückbezahlt bekommen hätte. Durch die Entwertung des Geldes litten also unverkennbar alle Gläubiger, welche auf eiuen in weiter Vergangenheit liegenden Schuldtitel Kapital oder Renten zu fordern hatten. Sie verloren an dem Werte ihrer Forderung, während die Schuldner daran gewannen. Für die Gläubiger älterer Schulden war also der Umschwung in dem Werte des Geldes ein wirtschaftliches Unglück. Da¬ gegen wußten sich die laufenden Schuldverhältnisse sehr bald mit dem ver¬ änderten Werte des Geldes ins Gleichgewicht zu setzen. Die Arbeitslöhne stiegen mehr und mehr. Und auch die Gehalte der Beamten wurden in allen Ländern dem veränderten Geldwerte entsprechend erhöht. Gesetzt nun, wir wären wirklich jetzt in einem ähnlichen Umschwunge be¬ griffen, nur in umgekehrter Richtung, daß nämlich wegen Verminderung des Geldes dessen Wert und Kaufkraft sich wieder erhöhte: würde denn daraus eine allgemeine Niederlage des wirtschaftlichen Lebens hervorgehen? Wir müssen auch diese Frage entschieden verneinen, vielmehr behaupten, daß der veränderte Geldwert im ganzen auf das wirtschaftliche Leben ohne Einfluß bleibe. Das schließt freilich nicht aus, daß nicht bis dahin, daß die Ausgleichung aller

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/22
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/22>, abgerufen am 17.09.2024.