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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Die geschichtlichen Grundlagen der deutschen Rechts¬
einheit.
von Karl Bruns. (Fortsetzung.)

in bemerkt, wurde für das Staatsrecht das Oorxus ^'uri,8 oivili,8
nicht aufgenommen; auch nicht für das Kirchenrecht, welches erst
nach Abfassung desselben sich ausbildete und in dem Oorxns M'is
(zg-nonioi seine Grundlage fand, und für das Völkerrecht, welches
gleichfalls weit jüngeren Ursprunges ist und seine erste wissen¬
schaftliche Begründung dem Holländer Hugo Grotius und seinem Buche ve M-g
dslli xg.c?iL (1624) verdankt. Dagegen entwickelten sich ebenso wie ein ge¬
meines Zollrecht auch ein gemeines Strafrecht, Strafprozeß- und Zivilproze߬
recht auf Grund der beiden Oorxorg, Mris und der Reichsgesetze.

Im Laufe der Zeit min und mit infolge derjenigen Fortschritte und Ver-
vollkommnungen, die durch das Eindringen in den Geist des fremden Rechts
die Rechtswissenschaft in Deutschland ausweisen konnte, entstand für diejenigen
deutschrechtlichen Sätze, welche dem Ansturme des Fremden getrotzt hatten, eine
besondre Wissenschaft eines einheimisch deutschen gemeinen Rechts. Dieses suchte
die neue Nechtslehrerschule der Germanisten, welche den Zivilisten und Kano-
nisten zur Seite traten, in der Weise zu gewinnen, daß sie durch Abstraktion
aus den Partikularrechten, innerhalb welcher solche Vorschriften formell zunächst
nur Geltung hatten, das diesen Gemeinsame herausschälte und durch Analogie
verallgemeinerte und weiter ausbildete. Das auf diese Weise lediglich wissen¬
schaftlich festgestellte Recht wollten die Germanisten angewendet wissen wie das
gemeine römische Zivilrecht, nämlich dann, wenn das Partikularrecht keine Aus¬
kunft gewährte. Man hatte z. B. in verschiednen deutschen Landen gesetzliche
Vorschriften, welche es gestatteten, daß jemand bei Lebzeiten über die Erbschaft
seines dereinstigen Nachlasses mit einem andern, namentlich seinem künftigen
Erben, einen Erbvertrag schloß, welchen er dann nicht mehr ohne dessen Zu¬
stimmung einseitig ändern durfte, während das römische Recht nur die dem ein¬
seitigen Widerrufe des künftigen Erblassers unterliegenden Verfügungen auf den
Todesfall, das Testament und Kodizill, kannte. Die Germanisten wußten es
dahin zu bringen, daß ihre ans jenen Vorschriften einzelner Länder entwickelte
allgemeine Lehre von den Erbverträgen auch für Gebiete Geltung erlangte, in
denen ausdrückliche Vorschriften über die Zulässigkeit solcher Verfügungen voll¬
ständig fehlten. Ein andres Beispiel ist die sogenannte eniMeiMio Z^xonioA,


Die geschichtlichen Grundlagen der deutschen Rechts¬
einheit.
von Karl Bruns. (Fortsetzung.)

in bemerkt, wurde für das Staatsrecht das Oorxus ^'uri,8 oivili,8
nicht aufgenommen; auch nicht für das Kirchenrecht, welches erst
nach Abfassung desselben sich ausbildete und in dem Oorxns M'is
(zg-nonioi seine Grundlage fand, und für das Völkerrecht, welches
gleichfalls weit jüngeren Ursprunges ist und seine erste wissen¬
schaftliche Begründung dem Holländer Hugo Grotius und seinem Buche ve M-g
dslli xg.c?iL (1624) verdankt. Dagegen entwickelten sich ebenso wie ein ge¬
meines Zollrecht auch ein gemeines Strafrecht, Strafprozeß- und Zivilproze߬
recht auf Grund der beiden Oorxorg, Mris und der Reichsgesetze.

Im Laufe der Zeit min und mit infolge derjenigen Fortschritte und Ver-
vollkommnungen, die durch das Eindringen in den Geist des fremden Rechts
die Rechtswissenschaft in Deutschland ausweisen konnte, entstand für diejenigen
deutschrechtlichen Sätze, welche dem Ansturme des Fremden getrotzt hatten, eine
besondre Wissenschaft eines einheimisch deutschen gemeinen Rechts. Dieses suchte
die neue Nechtslehrerschule der Germanisten, welche den Zivilisten und Kano-
nisten zur Seite traten, in der Weise zu gewinnen, daß sie durch Abstraktion
aus den Partikularrechten, innerhalb welcher solche Vorschriften formell zunächst
nur Geltung hatten, das diesen Gemeinsame herausschälte und durch Analogie
verallgemeinerte und weiter ausbildete. Das auf diese Weise lediglich wissen¬
schaftlich festgestellte Recht wollten die Germanisten angewendet wissen wie das
gemeine römische Zivilrecht, nämlich dann, wenn das Partikularrecht keine Aus¬
kunft gewährte. Man hatte z. B. in verschiednen deutschen Landen gesetzliche
Vorschriften, welche es gestatteten, daß jemand bei Lebzeiten über die Erbschaft
seines dereinstigen Nachlasses mit einem andern, namentlich seinem künftigen
Erben, einen Erbvertrag schloß, welchen er dann nicht mehr ohne dessen Zu¬
stimmung einseitig ändern durfte, während das römische Recht nur die dem ein¬
seitigen Widerrufe des künftigen Erblassers unterliegenden Verfügungen auf den
Todesfall, das Testament und Kodizill, kannte. Die Germanisten wußten es
dahin zu bringen, daß ihre ans jenen Vorschriften einzelner Länder entwickelte
allgemeine Lehre von den Erbverträgen auch für Gebiete Geltung erlangte, in
denen ausdrückliche Vorschriften über die Zulässigkeit solcher Verfügungen voll¬
ständig fehlten. Ein andres Beispiel ist die sogenannte eniMeiMio Z^xonioA,


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[0208] Die geschichtlichen Grundlagen der deutschen Rechts¬ einheit. von Karl Bruns. (Fortsetzung.) in bemerkt, wurde für das Staatsrecht das Oorxus ^'uri,8 oivili,8 nicht aufgenommen; auch nicht für das Kirchenrecht, welches erst nach Abfassung desselben sich ausbildete und in dem Oorxns M'is (zg-nonioi seine Grundlage fand, und für das Völkerrecht, welches gleichfalls weit jüngeren Ursprunges ist und seine erste wissen¬ schaftliche Begründung dem Holländer Hugo Grotius und seinem Buche ve M-g dslli xg.c?iL (1624) verdankt. Dagegen entwickelten sich ebenso wie ein ge¬ meines Zollrecht auch ein gemeines Strafrecht, Strafprozeß- und Zivilproze߬ recht auf Grund der beiden Oorxorg, Mris und der Reichsgesetze. Im Laufe der Zeit min und mit infolge derjenigen Fortschritte und Ver- vollkommnungen, die durch das Eindringen in den Geist des fremden Rechts die Rechtswissenschaft in Deutschland ausweisen konnte, entstand für diejenigen deutschrechtlichen Sätze, welche dem Ansturme des Fremden getrotzt hatten, eine besondre Wissenschaft eines einheimisch deutschen gemeinen Rechts. Dieses suchte die neue Nechtslehrerschule der Germanisten, welche den Zivilisten und Kano- nisten zur Seite traten, in der Weise zu gewinnen, daß sie durch Abstraktion aus den Partikularrechten, innerhalb welcher solche Vorschriften formell zunächst nur Geltung hatten, das diesen Gemeinsame herausschälte und durch Analogie verallgemeinerte und weiter ausbildete. Das auf diese Weise lediglich wissen¬ schaftlich festgestellte Recht wollten die Germanisten angewendet wissen wie das gemeine römische Zivilrecht, nämlich dann, wenn das Partikularrecht keine Aus¬ kunft gewährte. Man hatte z. B. in verschiednen deutschen Landen gesetzliche Vorschriften, welche es gestatteten, daß jemand bei Lebzeiten über die Erbschaft seines dereinstigen Nachlasses mit einem andern, namentlich seinem künftigen Erben, einen Erbvertrag schloß, welchen er dann nicht mehr ohne dessen Zu¬ stimmung einseitig ändern durfte, während das römische Recht nur die dem ein¬ seitigen Widerrufe des künftigen Erblassers unterliegenden Verfügungen auf den Todesfall, das Testament und Kodizill, kannte. Die Germanisten wußten es dahin zu bringen, daß ihre ans jenen Vorschriften einzelner Länder entwickelte allgemeine Lehre von den Erbverträgen auch für Gebiete Geltung erlangte, in denen ausdrückliche Vorschriften über die Zulässigkeit solcher Verfügungen voll¬ ständig fehlten. Ein andres Beispiel ist die sogenannte eniMeiMio Z^xonioA,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/208>, abgerufen am 17.09.2024.