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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Anerkennung der deutschen Staatssprache geschehen. Wir werden diese For¬
derung immer wieder vorbringen, die so recht den Gedanken unsrer Partei ver¬
körpert, nämlich die Identität der Interessen der Deutschen und des öster¬
reichischen Staates. Wir wollen den deutschen Charakter Österreichs erhalten,
ebensowohl im Interesse des Staates als in dem der Deutschen. ... Sie sind
so zahlreich in diesem Staate freilich nicht zahlreich genug, um bei konstitutio¬
neller Einrichtung desselben und obligater Mehrheitswirtschaft in dessen Ver¬
tretung den Ausschlag geben und ihr nationales Interesse wahren zu können^,
haben so viel zu seiner Gründung beigetragen und hängen mit allen nationalen
Lebensinteressen so sehr mit ihm zusammen, daß sie von ihm nicht absehen
können."

Wir versprechen uns nach dem Eingeklammerten und nach der bisherigen
Erfahrung keinen Erfolg von der Fortsetzung dieser Versuche, die gesetzliche
Anerkennung des Deutschen als Staatssprache Vonseiten des Neichsrates
herbeizuführen; denn dieselben werden hier stets die Mehrheit gegen sich haben.
Und doch ist eine Abhilfe in Betreff der Beschwerden des deutschen Elements,
namentlich in Böhmen und Mähren, nach dem jüngsten Erlasse des Justiz¬
ministeriums an die Oberlandcsgerichte in Prag und Vrünn dringender als
bisher zu wünschen. Mit diesem Erlaß des Ministers Prazak (vom 23. Sep¬
tember v. I.) wurde die tschechische Sprache zur innern Beratungs- und
Dienstsprache gemacht. Die Verordnung der Minister Tciaffc und Stre-
mayr hatte tschechische Eingaben und Bescheide auch in reindeutschen Be¬
zirken Böhmens für zulässig erklärt, aber nichts über die innere Sprache der
Behörden enthalten. Jetzt wurde der Gebrauch des Tschechischen auf dem Wege
der Verordnung im innern Dienste befohlen. Als der dentschösterreichische
Klub des Wiener Abgeordnetenhauses die Negierung wegen dieser neuen
Sprachenverordnung interpellirte, versuchte diese sich unter anderm auch damit
zu rechtfertigen, daß sie sich auf einen Erlaß vom Februar 1868 berief, welcher
für die hier in Betracht kommenden Schriftstücke in Galizien die polnische
Sprache vorschreibt. Aber gerade diese Analogie bewies die Richtigkeit der
Behauptung der Interpellanten, daß der Erlaß des Justizministers die Ein¬
führung des Tschechischen als innerer Dienstsprache zur Folge haben müsse; denn
auf jenen Erlaß für Galizien folgte schon 1869 eine allgemeine Verordnung,
welche das Polnische zur innern Dienstsprache der galizischen Behörden machte.
Es ist aber nicht im Interesse Österreichs, daß dasjenige, was für Galizien
ausnahmsweise gilt, auch in Böhmen und Mähren eingeführt wird. Hier darf
sich nicht ein geschlossenes slawisches Staatswesen bilden, welches die Einheit
der Monarchie durchbricht. Der Erlaß war ein nationales Zugeständnis an
die Tschechen, indem er die von ihnen in der letzten Session des böhmischen
Landtages gestellten Anträge wenigstens teilweise gewährte. Seine große poli¬
tische Tragweite rief sofort eine allgemeine Bewegung hervor. Zuerst erhoben


Anerkennung der deutschen Staatssprache geschehen. Wir werden diese For¬
derung immer wieder vorbringen, die so recht den Gedanken unsrer Partei ver¬
körpert, nämlich die Identität der Interessen der Deutschen und des öster¬
reichischen Staates. Wir wollen den deutschen Charakter Österreichs erhalten,
ebensowohl im Interesse des Staates als in dem der Deutschen. ... Sie sind
so zahlreich in diesem Staate freilich nicht zahlreich genug, um bei konstitutio¬
neller Einrichtung desselben und obligater Mehrheitswirtschaft in dessen Ver¬
tretung den Ausschlag geben und ihr nationales Interesse wahren zu können^,
haben so viel zu seiner Gründung beigetragen und hängen mit allen nationalen
Lebensinteressen so sehr mit ihm zusammen, daß sie von ihm nicht absehen
können."

Wir versprechen uns nach dem Eingeklammerten und nach der bisherigen
Erfahrung keinen Erfolg von der Fortsetzung dieser Versuche, die gesetzliche
Anerkennung des Deutschen als Staatssprache Vonseiten des Neichsrates
herbeizuführen; denn dieselben werden hier stets die Mehrheit gegen sich haben.
Und doch ist eine Abhilfe in Betreff der Beschwerden des deutschen Elements,
namentlich in Böhmen und Mähren, nach dem jüngsten Erlasse des Justiz¬
ministeriums an die Oberlandcsgerichte in Prag und Vrünn dringender als
bisher zu wünschen. Mit diesem Erlaß des Ministers Prazak (vom 23. Sep¬
tember v. I.) wurde die tschechische Sprache zur innern Beratungs- und
Dienstsprache gemacht. Die Verordnung der Minister Tciaffc und Stre-
mayr hatte tschechische Eingaben und Bescheide auch in reindeutschen Be¬
zirken Böhmens für zulässig erklärt, aber nichts über die innere Sprache der
Behörden enthalten. Jetzt wurde der Gebrauch des Tschechischen auf dem Wege
der Verordnung im innern Dienste befohlen. Als der dentschösterreichische
Klub des Wiener Abgeordnetenhauses die Negierung wegen dieser neuen
Sprachenverordnung interpellirte, versuchte diese sich unter anderm auch damit
zu rechtfertigen, daß sie sich auf einen Erlaß vom Februar 1868 berief, welcher
für die hier in Betracht kommenden Schriftstücke in Galizien die polnische
Sprache vorschreibt. Aber gerade diese Analogie bewies die Richtigkeit der
Behauptung der Interpellanten, daß der Erlaß des Justizministers die Ein¬
führung des Tschechischen als innerer Dienstsprache zur Folge haben müsse; denn
auf jenen Erlaß für Galizien folgte schon 1869 eine allgemeine Verordnung,
welche das Polnische zur innern Dienstsprache der galizischen Behörden machte.
Es ist aber nicht im Interesse Österreichs, daß dasjenige, was für Galizien
ausnahmsweise gilt, auch in Böhmen und Mähren eingeführt wird. Hier darf
sich nicht ein geschlossenes slawisches Staatswesen bilden, welches die Einheit
der Monarchie durchbricht. Der Erlaß war ein nationales Zugeständnis an
die Tschechen, indem er die von ihnen in der letzten Session des böhmischen
Landtages gestellten Anträge wenigstens teilweise gewährte. Seine große poli¬
tische Tragweite rief sofort eine allgemeine Bewegung hervor. Zuerst erhoben


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/206>, abgerufen am 17.09.2024.