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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Friedrich von Gentz.

schien der Sturz der napoleoniden unvermeidlich. Gentz fügt sich mit Anstand
in das "Notwendige," er will alles vermeiden, was auch nur von fern einem
Mißfallen an dem endlichen Sieg der Lieblingsideen der Zeit ähnlich sehen
könnte. Aber in einem Bericht an den Hospodar bezeichnet er die Wiederein¬
setzung der Bourbonen doch als eine "ungeheure Katastrophe."

In den Schreiben der folgenden Zeit herrscht fast durchaus em kühler.
geschäftsmäßiger Ton. mau sieht, daß der Anteil, den Gentz an den Zeit¬
ereignissen nahm, ersichtlich geringer geworden war. ..Sonst den ich durch nichts
entzückt - schreibt er Ende April 1814 an die Rahel vielmehr sehr kalt
blasirt. höhnisch, von der Narrheit fast aller andern, und meiner eignen - nicht
Weisheit - aber Hellsichtigkeit. Durch-. Tief- und Scharfsichtigkeit mehr als
erlaubt ist durchdrungen und innerlich qu^i teuflisch erfreut, daß die soge¬
nannten großen Sachen zuletzt solch ein lächerliches Ende nehmen." Kaum daß
die Zugeständnisse, welche die französische Charte der Revoil.t.on machte ita zu
einiger Entrüstung aufrütteln konnte. "Wer wird künftig noch Lust und ^ernt
haben, die alten Ordnungen zu verteidigen?" heißt es in einem Briefe an
Metternich. "Nro >vM suxxort a totterwK twone!" Doch empfindet er einen
kleinen Trost "in all dem Elend." daß die ultraaristokratischen Narren nun so
unsanft aus ihren Träumen gerissen werden.

Die Haltung Österreichs, die Politik Metter.uchs auf dem Wiener Kon¬
greß ist in allgemeine.. Zügen bekannt. Gentz hatte höchstens in E.nzelsragen
eme eigne Meinung, im großen und ganzen stimmte er nut dem Fürsten
überein. Doch wollen wir hier noch kurz sein Verhältnis zu Preußen berühren.
So lange er in österreichischen Diensten stand, hatte er für einen engen An¬
schluß an diese Macht geredet und geschrieben. Auch jetzt wäre .hin Preußen
der liebste Bundesgenosse gewesen. "Enges Einverständnis mit Preußen, dew
'se das (AM rerum soreuäaruin," schreibt er an Metternich. Wenn dies
dauerhaft gegründet wird, so verschwinden drei Vierteile meiner Besorgn.sse für
die Zukunft. Hierin und hierin allem liegt Deutschlands Wiedergeburt. Große
und Wohlfahrt und Präeminenz für alle zukünftigen Zeiten. Das ist die
Garantie des ewigen Friedens, insofern er auf Erden überhaupt erreichbar
wäre." Nichtsdestoweniger galt er auf dem Kongreß als der erklärte Gegner
Preußens. Allerdings war er den durch die Befreiungskriege so mächtig an¬
gewachsenen populären Strömungen in diesem Staate sehr ftiubüch. Von der
-um Wiener Höfe so verbreiteten Furcht vor den geheimen Gesellschaften in
Preußen, die man irrtümlich uuter dem Namen "Tugendbund" zusa^erfaßte
war auch er befangen. Schon im Oktober 1813 hatte ihm "der Geist d.r
durch den allgemeinen Widerstand gegen die französische Herrschaft in Deutsch¬
land erwacht.'durch die Steinscheu Proklamationen mächtig gesteigert und be¬
sonders von Preußen ans dergestalt gewachsen war. daß der Befren.ngskrleg
einem Freiheitskriege nicht unähnlich sah." Anlaß ..zu ernsten Betrachtunaen und


Friedrich von Gentz.

schien der Sturz der napoleoniden unvermeidlich. Gentz fügt sich mit Anstand
in das „Notwendige," er will alles vermeiden, was auch nur von fern einem
Mißfallen an dem endlichen Sieg der Lieblingsideen der Zeit ähnlich sehen
könnte. Aber in einem Bericht an den Hospodar bezeichnet er die Wiederein¬
setzung der Bourbonen doch als eine „ungeheure Katastrophe."

In den Schreiben der folgenden Zeit herrscht fast durchaus em kühler.
geschäftsmäßiger Ton. mau sieht, daß der Anteil, den Gentz an den Zeit¬
ereignissen nahm, ersichtlich geringer geworden war. ..Sonst den ich durch nichts
entzückt - schreibt er Ende April 1814 an die Rahel vielmehr sehr kalt
blasirt. höhnisch, von der Narrheit fast aller andern, und meiner eignen - nicht
Weisheit - aber Hellsichtigkeit. Durch-. Tief- und Scharfsichtigkeit mehr als
erlaubt ist durchdrungen und innerlich qu^i teuflisch erfreut, daß die soge¬
nannten großen Sachen zuletzt solch ein lächerliches Ende nehmen." Kaum daß
die Zugeständnisse, welche die französische Charte der Revoil.t.on machte ita zu
einiger Entrüstung aufrütteln konnte. „Wer wird künftig noch Lust und ^ernt
haben, die alten Ordnungen zu verteidigen?" heißt es in einem Briefe an
Metternich. „Nro >vM suxxort a totterwK twone!" Doch empfindet er einen
kleinen Trost „in all dem Elend." daß die ultraaristokratischen Narren nun so
unsanft aus ihren Träumen gerissen werden.

Die Haltung Österreichs, die Politik Metter.uchs auf dem Wiener Kon¬
greß ist in allgemeine.. Zügen bekannt. Gentz hatte höchstens in E.nzelsragen
eme eigne Meinung, im großen und ganzen stimmte er nut dem Fürsten
überein. Doch wollen wir hier noch kurz sein Verhältnis zu Preußen berühren.
So lange er in österreichischen Diensten stand, hatte er für einen engen An¬
schluß an diese Macht geredet und geschrieben. Auch jetzt wäre .hin Preußen
der liebste Bundesgenosse gewesen. „Enges Einverständnis mit Preußen, dew
'se das (AM rerum soreuäaruin," schreibt er an Metternich. Wenn dies
dauerhaft gegründet wird, so verschwinden drei Vierteile meiner Besorgn.sse für
die Zukunft. Hierin und hierin allem liegt Deutschlands Wiedergeburt. Große
und Wohlfahrt und Präeminenz für alle zukünftigen Zeiten. Das ist die
Garantie des ewigen Friedens, insofern er auf Erden überhaupt erreichbar
wäre." Nichtsdestoweniger galt er auf dem Kongreß als der erklärte Gegner
Preußens. Allerdings war er den durch die Befreiungskriege so mächtig an¬
gewachsenen populären Strömungen in diesem Staate sehr ftiubüch. Von der
-um Wiener Höfe so verbreiteten Furcht vor den geheimen Gesellschaften in
Preußen, die man irrtümlich uuter dem Namen „Tugendbund" zusa^erfaßte
war auch er befangen. Schon im Oktober 1813 hatte ihm „der Geist d.r
durch den allgemeinen Widerstand gegen die französische Herrschaft in Deutsch¬
land erwacht.'durch die Steinscheu Proklamationen mächtig gesteigert und be¬
sonders von Preußen ans dergestalt gewachsen war. daß der Befren.ngskrleg
einem Freiheitskriege nicht unähnlich sah." Anlaß ..zu ernsten Betrachtunaen und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/175>, abgerufen am 17.09.2024.