Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Friedrich von Gentz.

einer Herrschaft, welche man für ein halbes Jahrhundert aufgerichtet glaubte;
sie rächte Europa für alle Leiden, welche diese unselige Herrschaft es seit zehn
Jahren erdulden ließ; sie bahnte einem festen und dauerhaften Frieden den Weg.
und hat für lange Zeit die Unabhängigkeit aller europäischen Staaten gesichert."
In einer Denkschrift, welche er einige Wochen später über den gleichen Borwurf
an Karadja sandte, würdigt er die Teilnahme der Völker an dem Befreiungs-
werk ebensosehr wie die Verdienste der leitenden Persönlichkeiten. .. Vor allem
muß man anerkennen - schreibt er da - daß bei dieser erstaunlichen Umwälzung
das Verdienst jener, welche die politischen und militärischen Angelegenheiten der
Verbündeten leiteten, kein geringes war. Es standen ihnen allerdings gute
Elemente zu Gebote; niemals war eine so große Völkermasse v°n einem aus¬
gesprochenerer Willen, einer großherzigeren Bereitwilligkeit beseelt, sich ven
äußersten Anstrengungen zu unterziehen und Opfer jeder Art zu bringen.
Nächst dem Fürsten Schwarzenberg ist es namentlich Blücher, dessen Gentz
rühmend gedenkt; den Operationsplan Gneisenaus nennt er ein Me.sterwerr,
die Durchführung dieses Planes in allen Einzelheiten von Breslau bis^eipzig
sei der genialst durchdachte und glänzendste Abschnitt des Feldzuges. Weniger
Beifall spendete er Bernadotte. Napoleons militärische Maßregeln wahrend
der Leipziger Schlacht unterzieht er einer scharfen Kritik, dagegen bewundert
er die Art. wie er seinen Rückzug durch Deutschland bewerkstelligte, sehr.it

Von den publizistischen Arbeiten, die Gentz während der folgenden Ze
ausführte, ist eine der schönsten der Bericht über den Anteil des Dragoner¬
regimentes Erzherzog Johann in den Gefechten am 28. und 29^August bei
Nollendorf; wir finden ihn als Anhang zu einem Briefe an den Fürsten vom
22. September in unsrer Veröffentlichung abgedruckt. Auch der Entwurf eines
Aufsatzes über das französische Kriegsmanifest gegen Osterreich wird in.tgewl;
°b derselbe auch ausgeführt worden und in den öffentlichen Blattern erschienen
ist. bemerken die Herausgeber nicht. Gentz hatte die Absicht, darzutlmn. daß
sich die Kundgebung des Gegners vom Anfang bis zum Ende um -me durchaus
erdichtete Voraussetzung drehe; es werde darin nämlich angenommen, daß Oster¬
reich die fünf letzten Kriege gegen Frankreich mit Anschlich des eben be¬
gonnenen ohne andern Beweggrund, als weil es die Gelegenheit für vo i-
s°se gehalten habe, nicht infolge einer Herausforderung vonseiten de" Kai ers
Napoleon, beschlossen habe. Gentz hebt hervor, wie seltsam und unpassend
"ne solche Argumentation für eine kriegführende Macht sei. ..Ob wir r ep g
oder falsch gerechnet, einer guten oder verkehrten Politik Gehör gegeben in re
Kräfte und Mittel auf weise oder thörichte Unternehmungen verwendet haben
das alles ist unsre Sache; darüber könnten wir höchstens mit unsern Fieunven
oder mit denen, die bei unsrer Geschäftsverwaltung unmittelbar mtereffir pro.
w Erklärung eingehen. Zwischen zwei mit einander kriegführenden Machten
hingegen giebt es keine andre Frage zu verhandeln als die. ob die Grunde.


Friedrich von Gentz.

einer Herrschaft, welche man für ein halbes Jahrhundert aufgerichtet glaubte;
sie rächte Europa für alle Leiden, welche diese unselige Herrschaft es seit zehn
Jahren erdulden ließ; sie bahnte einem festen und dauerhaften Frieden den Weg.
und hat für lange Zeit die Unabhängigkeit aller europäischen Staaten gesichert."
In einer Denkschrift, welche er einige Wochen später über den gleichen Borwurf
an Karadja sandte, würdigt er die Teilnahme der Völker an dem Befreiungs-
werk ebensosehr wie die Verdienste der leitenden Persönlichkeiten. .. Vor allem
muß man anerkennen - schreibt er da - daß bei dieser erstaunlichen Umwälzung
das Verdienst jener, welche die politischen und militärischen Angelegenheiten der
Verbündeten leiteten, kein geringes war. Es standen ihnen allerdings gute
Elemente zu Gebote; niemals war eine so große Völkermasse v°n einem aus¬
gesprochenerer Willen, einer großherzigeren Bereitwilligkeit beseelt, sich ven
äußersten Anstrengungen zu unterziehen und Opfer jeder Art zu bringen.
Nächst dem Fürsten Schwarzenberg ist es namentlich Blücher, dessen Gentz
rühmend gedenkt; den Operationsplan Gneisenaus nennt er ein Me.sterwerr,
die Durchführung dieses Planes in allen Einzelheiten von Breslau bis^eipzig
sei der genialst durchdachte und glänzendste Abschnitt des Feldzuges. Weniger
Beifall spendete er Bernadotte. Napoleons militärische Maßregeln wahrend
der Leipziger Schlacht unterzieht er einer scharfen Kritik, dagegen bewundert
er die Art. wie er seinen Rückzug durch Deutschland bewerkstelligte, sehr.it

Von den publizistischen Arbeiten, die Gentz während der folgenden Ze
ausführte, ist eine der schönsten der Bericht über den Anteil des Dragoner¬
regimentes Erzherzog Johann in den Gefechten am 28. und 29^August bei
Nollendorf; wir finden ihn als Anhang zu einem Briefe an den Fürsten vom
22. September in unsrer Veröffentlichung abgedruckt. Auch der Entwurf eines
Aufsatzes über das französische Kriegsmanifest gegen Osterreich wird in.tgewl;
°b derselbe auch ausgeführt worden und in den öffentlichen Blattern erschienen
ist. bemerken die Herausgeber nicht. Gentz hatte die Absicht, darzutlmn. daß
sich die Kundgebung des Gegners vom Anfang bis zum Ende um -me durchaus
erdichtete Voraussetzung drehe; es werde darin nämlich angenommen, daß Oster¬
reich die fünf letzten Kriege gegen Frankreich mit Anschlich des eben be¬
gonnenen ohne andern Beweggrund, als weil es die Gelegenheit für vo i-
s°se gehalten habe, nicht infolge einer Herausforderung vonseiten de» Kai ers
Napoleon, beschlossen habe. Gentz hebt hervor, wie seltsam und unpassend
«ne solche Argumentation für eine kriegführende Macht sei. ..Ob wir r ep g
oder falsch gerechnet, einer guten oder verkehrten Politik Gehör gegeben in re
Kräfte und Mittel auf weise oder thörichte Unternehmungen verwendet haben
das alles ist unsre Sache; darüber könnten wir höchstens mit unsern Fieunven
oder mit denen, die bei unsrer Geschäftsverwaltung unmittelbar mtereffir pro.
w Erklärung eingehen. Zwischen zwei mit einander kriegführenden Machten
hingegen giebt es keine andre Frage zu verhandeln als die. ob die Grunde.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0171" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/288624"/>
          <fw type="header" place="top"> Friedrich von Gentz.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_493" prev="#ID_492"> einer Herrschaft, welche man für ein halbes Jahrhundert aufgerichtet glaubte;<lb/>
sie rächte Europa für alle Leiden, welche diese unselige Herrschaft es seit zehn<lb/>
Jahren erdulden ließ; sie bahnte einem festen und dauerhaften Frieden den Weg.<lb/>
und hat für lange Zeit die Unabhängigkeit aller europäischen Staaten gesichert."<lb/>
In einer Denkschrift, welche er einige Wochen später über den gleichen Borwurf<lb/>
an Karadja sandte, würdigt er die Teilnahme der Völker an dem Befreiungs-<lb/>
werk ebensosehr wie die Verdienste der leitenden Persönlichkeiten.  .. Vor allem<lb/>
muß man anerkennen - schreibt er da - daß bei dieser erstaunlichen Umwälzung<lb/>
das Verdienst jener, welche die politischen und militärischen Angelegenheiten der<lb/>
Verbündeten leiteten, kein geringes war.  Es standen ihnen allerdings gute<lb/>
Elemente zu Gebote; niemals war eine so große Völkermasse v°n einem aus¬<lb/>
gesprochenerer Willen, einer großherzigeren Bereitwilligkeit beseelt, sich ven<lb/>
äußersten Anstrengungen zu unterziehen und Opfer jeder Art zu bringen.<lb/>
Nächst dem Fürsten Schwarzenberg ist es namentlich Blücher, dessen Gentz<lb/>
rühmend gedenkt; den Operationsplan Gneisenaus nennt er ein Me.sterwerr,<lb/>
die Durchführung dieses Planes in allen Einzelheiten von Breslau bis^eipzig<lb/>
sei der genialst durchdachte und glänzendste Abschnitt des Feldzuges. Weniger<lb/>
Beifall spendete er Bernadotte.  Napoleons militärische Maßregeln wahrend<lb/>
der Leipziger Schlacht unterzieht er einer scharfen Kritik, dagegen bewundert<lb/>
er die Art. wie er seinen Rückzug durch Deutschland bewerkstelligte, sehr.it</p><lb/>
          <p xml:id="ID_494" next="#ID_495"> Von den publizistischen Arbeiten, die Gentz während der folgenden Ze<lb/>
ausführte, ist eine der schönsten der Bericht über den Anteil des Dragoner¬<lb/>
regimentes Erzherzog Johann in den Gefechten am 28. und 29^August bei<lb/>
Nollendorf; wir finden ihn als Anhang zu einem Briefe an den Fürsten vom<lb/>
22. September in unsrer Veröffentlichung abgedruckt. Auch der Entwurf eines<lb/>
Aufsatzes über das französische Kriegsmanifest gegen Osterreich wird in.tgewl;<lb/>
°b derselbe auch ausgeführt worden und in den öffentlichen Blattern erschienen<lb/>
ist. bemerken die Herausgeber nicht. Gentz hatte die Absicht, darzutlmn. daß<lb/>
sich die Kundgebung des Gegners vom Anfang bis zum Ende um -me durchaus<lb/>
erdichtete Voraussetzung drehe; es werde darin nämlich angenommen, daß Oster¬<lb/>
reich die fünf letzten Kriege gegen Frankreich mit Anschlich des eben be¬<lb/>
gonnenen ohne andern Beweggrund, als weil es die Gelegenheit für vo i-<lb/>
s°se gehalten habe, nicht infolge einer Herausforderung vonseiten de» Kai ers<lb/>
Napoleon, beschlossen habe. Gentz hebt hervor, wie seltsam und unpassend<lb/>
«ne solche Argumentation für eine kriegführende Macht sei. ..Ob wir r ep g<lb/>
oder falsch gerechnet, einer guten oder verkehrten Politik Gehör gegeben in re<lb/>
Kräfte und Mittel auf weise oder thörichte Unternehmungen verwendet haben<lb/>
das alles ist unsre Sache; darüber könnten wir höchstens mit unsern Fieunven<lb/>
oder mit denen, die bei unsrer Geschäftsverwaltung unmittelbar mtereffir pro.<lb/>
w Erklärung eingehen. Zwischen zwei mit einander kriegführenden Machten<lb/>
hingegen giebt es keine andre Frage zu verhandeln als die. ob die Grunde.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0171] Friedrich von Gentz. einer Herrschaft, welche man für ein halbes Jahrhundert aufgerichtet glaubte; sie rächte Europa für alle Leiden, welche diese unselige Herrschaft es seit zehn Jahren erdulden ließ; sie bahnte einem festen und dauerhaften Frieden den Weg. und hat für lange Zeit die Unabhängigkeit aller europäischen Staaten gesichert." In einer Denkschrift, welche er einige Wochen später über den gleichen Borwurf an Karadja sandte, würdigt er die Teilnahme der Völker an dem Befreiungs- werk ebensosehr wie die Verdienste der leitenden Persönlichkeiten. .. Vor allem muß man anerkennen - schreibt er da - daß bei dieser erstaunlichen Umwälzung das Verdienst jener, welche die politischen und militärischen Angelegenheiten der Verbündeten leiteten, kein geringes war. Es standen ihnen allerdings gute Elemente zu Gebote; niemals war eine so große Völkermasse v°n einem aus¬ gesprochenerer Willen, einer großherzigeren Bereitwilligkeit beseelt, sich ven äußersten Anstrengungen zu unterziehen und Opfer jeder Art zu bringen. Nächst dem Fürsten Schwarzenberg ist es namentlich Blücher, dessen Gentz rühmend gedenkt; den Operationsplan Gneisenaus nennt er ein Me.sterwerr, die Durchführung dieses Planes in allen Einzelheiten von Breslau bis^eipzig sei der genialst durchdachte und glänzendste Abschnitt des Feldzuges. Weniger Beifall spendete er Bernadotte. Napoleons militärische Maßregeln wahrend der Leipziger Schlacht unterzieht er einer scharfen Kritik, dagegen bewundert er die Art. wie er seinen Rückzug durch Deutschland bewerkstelligte, sehr.it Von den publizistischen Arbeiten, die Gentz während der folgenden Ze ausführte, ist eine der schönsten der Bericht über den Anteil des Dragoner¬ regimentes Erzherzog Johann in den Gefechten am 28. und 29^August bei Nollendorf; wir finden ihn als Anhang zu einem Briefe an den Fürsten vom 22. September in unsrer Veröffentlichung abgedruckt. Auch der Entwurf eines Aufsatzes über das französische Kriegsmanifest gegen Osterreich wird in.tgewl; °b derselbe auch ausgeführt worden und in den öffentlichen Blattern erschienen ist. bemerken die Herausgeber nicht. Gentz hatte die Absicht, darzutlmn. daß sich die Kundgebung des Gegners vom Anfang bis zum Ende um -me durchaus erdichtete Voraussetzung drehe; es werde darin nämlich angenommen, daß Oster¬ reich die fünf letzten Kriege gegen Frankreich mit Anschlich des eben be¬ gonnenen ohne andern Beweggrund, als weil es die Gelegenheit für vo i- s°se gehalten habe, nicht infolge einer Herausforderung vonseiten de» Kai ers Napoleon, beschlossen habe. Gentz hebt hervor, wie seltsam und unpassend «ne solche Argumentation für eine kriegführende Macht sei. ..Ob wir r ep g oder falsch gerechnet, einer guten oder verkehrten Politik Gehör gegeben in re Kräfte und Mittel auf weise oder thörichte Unternehmungen verwendet haben das alles ist unsre Sache; darüber könnten wir höchstens mit unsern Fieunven oder mit denen, die bei unsrer Geschäftsverwaltung unmittelbar mtereffir pro. w Erklärung eingehen. Zwischen zwei mit einander kriegführenden Machten hingegen giebt es keine andre Frage zu verhandeln als die. ob die Grunde.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/171
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/171>, abgerufen am 17.09.2024.