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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Friedrich von Gentz.

gehen durfte, so fing ich an, eine Freude über mich selbst zu fühlen, wie ich sie
seit 1806, wo mir im Sinne der damaligen Zeit etwas gelungen war, nicht
wieder gekannt habe. Denn mein Verdienst kann nur darin bestehen, daß ich
Ihren Triumph, den wahren, den handelnden, den, von welchem die Sprache
nur ein schwacher Abglanz ist und den die Nachwelt fühlen und anerkennen
wird, verherrlichen helfe. Dies soll nun fortdauernd die große Aufgabe meiner
noch übrigen Lebenstage werden; hierin vereinigt sich mein höchstes politisches
mit meinen höchsten persönlichen Interessen."

Der Schlußsatz dieser Briefstelle ist keine leere Redensart: er war nun
so ganz von der Metternichschen Staatskunst eingenommen, daß er fast keine
eignen Gedanken, keinen eignen Willen mehr kannte; ungescheut sprach er dies
auch in Briefen, die längst bekannt sind, ans.

Mitte August waren die drei verbündeten Herrscher in Prag zusammenge¬
troffen, sie beschlossen die gemeinsame Kriegführung sofort zu beginnen. Hierauf
gingen sie mit ihren Kabineten nach dem Hauptquartier ab. Gleichsam als
Stellvertreter Metternichs blieb Gentz in Prag, wo er auf der Kleinseite -- im
Waldsteinschen Palais -- wohnte. Er allein empfing die amtlichen Nachrichten
vom Kriegsschauplatze, um sie publizistisch zu verbreiten. Zugleich wurde er,
wie er selbst sagt, "eine Art von oberster Zensur- und fast von geheimer
Polizeibehörde," denn die Autoritäten von Prag, nahmen in zweifelhaften Fällen
stets ihre Zuflucht zu ihm. Mit der Redaktion der "Prager Zeitung" war er
gleichfalls betraut. In diese vielfache Thätigkeit gewähren uns die Briefe, die er
an Metternich ins Hauptquartier sandte, reichlichen Einblick. Wie gering auch die
Begeisterung war, mit welcher er den Beginn des Feldzuges begrüßt hatte, im
Verlauf desselben wurde er doch wieder von lebhaftem Mitgefühl für die Sache
der Verbündeten ergriffen, und bisweilen äußert er sich fast ebenso leidenschaftlich
bewegt wie in den Tagen von Austerlitz und Ulm. In welch freudigen Taumel
ihn der Sieg vou Leipzig mit fortriß, welches Triumphgefühl ihn beseelte, als
er mitten in der Nacht die Kunde davon erhielt, wissen wir längst aus seinen
Tagebüchern, aus Briefe" an Reihet und Pilat. Aber auch in den Briefen an
Metternich vernehmen wir den lebhaftesten Wiederhall der ungeheuern Begeben¬
heit. "Das war ein Erwachen!" beginnt ein Schreiben vom 21. Oktober, und
am andern Tage fährt er fort: "Ich war schon gestern in einem Zustand, der
sich nicht beschreiben läßt... Ich kann mich heute auf nichts herablassen, was
mich in diesen Empfindungen stören könnte. Extrablätter schreiben, Städte
illuminiren lassen, den Enthusiasmus der Menschen auf die größte Höhe
spannen -- das allein sind in diesem Augenblick meine Geschäfte."

Der Bericht, den er über die Schlacht an den Hospodar Karadja sendet,
bekundet aufs neue seine Meisterschaft in der Erzählung welthistorischer Be¬
gebenheiten der eignen Zeit. "Die Schlacht -- so hebt er an -- ist eine der
großartigsten Ereignisse der Zeitgeschichte. Sie zertrümmerte die Grundlagen


Friedrich von Gentz.

gehen durfte, so fing ich an, eine Freude über mich selbst zu fühlen, wie ich sie
seit 1806, wo mir im Sinne der damaligen Zeit etwas gelungen war, nicht
wieder gekannt habe. Denn mein Verdienst kann nur darin bestehen, daß ich
Ihren Triumph, den wahren, den handelnden, den, von welchem die Sprache
nur ein schwacher Abglanz ist und den die Nachwelt fühlen und anerkennen
wird, verherrlichen helfe. Dies soll nun fortdauernd die große Aufgabe meiner
noch übrigen Lebenstage werden; hierin vereinigt sich mein höchstes politisches
mit meinen höchsten persönlichen Interessen."

Der Schlußsatz dieser Briefstelle ist keine leere Redensart: er war nun
so ganz von der Metternichschen Staatskunst eingenommen, daß er fast keine
eignen Gedanken, keinen eignen Willen mehr kannte; ungescheut sprach er dies
auch in Briefen, die längst bekannt sind, ans.

Mitte August waren die drei verbündeten Herrscher in Prag zusammenge¬
troffen, sie beschlossen die gemeinsame Kriegführung sofort zu beginnen. Hierauf
gingen sie mit ihren Kabineten nach dem Hauptquartier ab. Gleichsam als
Stellvertreter Metternichs blieb Gentz in Prag, wo er auf der Kleinseite — im
Waldsteinschen Palais — wohnte. Er allein empfing die amtlichen Nachrichten
vom Kriegsschauplatze, um sie publizistisch zu verbreiten. Zugleich wurde er,
wie er selbst sagt, „eine Art von oberster Zensur- und fast von geheimer
Polizeibehörde," denn die Autoritäten von Prag, nahmen in zweifelhaften Fällen
stets ihre Zuflucht zu ihm. Mit der Redaktion der „Prager Zeitung" war er
gleichfalls betraut. In diese vielfache Thätigkeit gewähren uns die Briefe, die er
an Metternich ins Hauptquartier sandte, reichlichen Einblick. Wie gering auch die
Begeisterung war, mit welcher er den Beginn des Feldzuges begrüßt hatte, im
Verlauf desselben wurde er doch wieder von lebhaftem Mitgefühl für die Sache
der Verbündeten ergriffen, und bisweilen äußert er sich fast ebenso leidenschaftlich
bewegt wie in den Tagen von Austerlitz und Ulm. In welch freudigen Taumel
ihn der Sieg vou Leipzig mit fortriß, welches Triumphgefühl ihn beseelte, als
er mitten in der Nacht die Kunde davon erhielt, wissen wir längst aus seinen
Tagebüchern, aus Briefe» an Reihet und Pilat. Aber auch in den Briefen an
Metternich vernehmen wir den lebhaftesten Wiederhall der ungeheuern Begeben¬
heit. „Das war ein Erwachen!" beginnt ein Schreiben vom 21. Oktober, und
am andern Tage fährt er fort: „Ich war schon gestern in einem Zustand, der
sich nicht beschreiben läßt... Ich kann mich heute auf nichts herablassen, was
mich in diesen Empfindungen stören könnte. Extrablätter schreiben, Städte
illuminiren lassen, den Enthusiasmus der Menschen auf die größte Höhe
spannen — das allein sind in diesem Augenblick meine Geschäfte."

Der Bericht, den er über die Schlacht an den Hospodar Karadja sendet,
bekundet aufs neue seine Meisterschaft in der Erzählung welthistorischer Be¬
gebenheiten der eignen Zeit. „Die Schlacht — so hebt er an — ist eine der
großartigsten Ereignisse der Zeitgeschichte. Sie zertrümmerte die Grundlagen


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[0170] Friedrich von Gentz. gehen durfte, so fing ich an, eine Freude über mich selbst zu fühlen, wie ich sie seit 1806, wo mir im Sinne der damaligen Zeit etwas gelungen war, nicht wieder gekannt habe. Denn mein Verdienst kann nur darin bestehen, daß ich Ihren Triumph, den wahren, den handelnden, den, von welchem die Sprache nur ein schwacher Abglanz ist und den die Nachwelt fühlen und anerkennen wird, verherrlichen helfe. Dies soll nun fortdauernd die große Aufgabe meiner noch übrigen Lebenstage werden; hierin vereinigt sich mein höchstes politisches mit meinen höchsten persönlichen Interessen." Der Schlußsatz dieser Briefstelle ist keine leere Redensart: er war nun so ganz von der Metternichschen Staatskunst eingenommen, daß er fast keine eignen Gedanken, keinen eignen Willen mehr kannte; ungescheut sprach er dies auch in Briefen, die längst bekannt sind, ans. Mitte August waren die drei verbündeten Herrscher in Prag zusammenge¬ troffen, sie beschlossen die gemeinsame Kriegführung sofort zu beginnen. Hierauf gingen sie mit ihren Kabineten nach dem Hauptquartier ab. Gleichsam als Stellvertreter Metternichs blieb Gentz in Prag, wo er auf der Kleinseite — im Waldsteinschen Palais — wohnte. Er allein empfing die amtlichen Nachrichten vom Kriegsschauplatze, um sie publizistisch zu verbreiten. Zugleich wurde er, wie er selbst sagt, „eine Art von oberster Zensur- und fast von geheimer Polizeibehörde," denn die Autoritäten von Prag, nahmen in zweifelhaften Fällen stets ihre Zuflucht zu ihm. Mit der Redaktion der „Prager Zeitung" war er gleichfalls betraut. In diese vielfache Thätigkeit gewähren uns die Briefe, die er an Metternich ins Hauptquartier sandte, reichlichen Einblick. Wie gering auch die Begeisterung war, mit welcher er den Beginn des Feldzuges begrüßt hatte, im Verlauf desselben wurde er doch wieder von lebhaftem Mitgefühl für die Sache der Verbündeten ergriffen, und bisweilen äußert er sich fast ebenso leidenschaftlich bewegt wie in den Tagen von Austerlitz und Ulm. In welch freudigen Taumel ihn der Sieg vou Leipzig mit fortriß, welches Triumphgefühl ihn beseelte, als er mitten in der Nacht die Kunde davon erhielt, wissen wir längst aus seinen Tagebüchern, aus Briefe» an Reihet und Pilat. Aber auch in den Briefen an Metternich vernehmen wir den lebhaftesten Wiederhall der ungeheuern Begeben¬ heit. „Das war ein Erwachen!" beginnt ein Schreiben vom 21. Oktober, und am andern Tage fährt er fort: „Ich war schon gestern in einem Zustand, der sich nicht beschreiben läßt... Ich kann mich heute auf nichts herablassen, was mich in diesen Empfindungen stören könnte. Extrablätter schreiben, Städte illuminiren lassen, den Enthusiasmus der Menschen auf die größte Höhe spannen — das allein sind in diesem Augenblick meine Geschäfte." Der Bericht, den er über die Schlacht an den Hospodar Karadja sendet, bekundet aufs neue seine Meisterschaft in der Erzählung welthistorischer Be¬ gebenheiten der eignen Zeit. „Die Schlacht — so hebt er an — ist eine der großartigsten Ereignisse der Zeitgeschichte. Sie zertrümmerte die Grundlagen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/170>, abgerufen am 17.09.2024.