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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Die geschichtlichen Grundlagen der deutschen Rechtseinheit.

Krieg, den der englische Sovereign schon so lange gegen den russischen Rubel
spielt, welcher, so oft Rußland droht, sofort um ein Drittel fällt.

Möge der russische Eisbär einmal daran gehen, dem englischen Leoparden
das Fell zu zerzausen. In Indien blühen seine Lorberen. Bei uns und in
Österreich können sich die Russen nur blutige Köpfe holen, denn wir werden
mit ihnen fertig. Die Furcht vor Rußland ist Gespensterfurcht.




Die geschichtlichen Grundlagen der deutschen Rechts¬
einheit.
von Karl Bruns.

rduuug, die segensreiche Himmelstochter, deren Gaben der Dichter
so herrlich besingt, Ordnung, die nach dem Volksmunde die
Welt regiert und demnach auch die Staaten gegründet hat und
erhält, sie findet im Staate ihren hauptsächlichsten Ausdruck in
der Rechtsordnung. Und wenn ein Volk, wie unser deutsches,
seine staatlichen Zustände aus der Zerrissenheit zur Einheit zu wandeln unter¬
nimmt, stellt sich auch der Drang ein, die Rechtseinheit zu erringen. Über die
geschichtlichen Grundlagen dieser heutzutage ihrer Verwirklichung in so erfreu¬
licher Weise sich nähernden Bestrebungen einiges mitzuteilen, ist der Zweck dieses
Aufsatzes.

Daß unsre schreibeusunkundia.er Altvordern, die Germanen, keine geschrie¬
benen Gesetze haben konnten, ist klar. Daß sie jedoch, sobald sie in einer ge¬
wissen Staatsordnung lebten, des Rechts überhaupt nicht entbehrten, muß
gleichfalls einleuchten. Dieses Recht war ein sogenanntes Gewohnheitsrecht,
d. h. ein ohne das ausdrückliche Gebot der Staatsgewalt, oder wenigstens ohne
daß man sich eines solchen, vielleicht ursprünglich, vor langer Zeit, ergangenen
Gebots noch bewußt war, durch thatsächliche fortwährende Anwendung derjenigen,
die über Recht und Unrecht zu Gericht sitzen, der Richter, sein Dasein bekun¬
dendes Recht. Die UnVollkommenheit des Gewohnheitsrechts wird begreiflich,
Wenn man erwägt, wie leicht bei denen, die das Recht üben, eine Meinungs¬
verschiedenheit darüber obwalten wird, ob etwas bisher in Übung war oder
nicht, wenigstens bei Rechtsfällen, die nicht zu den häufig wiederkehrenden ge¬
hören. Ganz richtig sagt im "Götz von Berlichingen" der Doktor beider Rechte


Die geschichtlichen Grundlagen der deutschen Rechtseinheit.

Krieg, den der englische Sovereign schon so lange gegen den russischen Rubel
spielt, welcher, so oft Rußland droht, sofort um ein Drittel fällt.

Möge der russische Eisbär einmal daran gehen, dem englischen Leoparden
das Fell zu zerzausen. In Indien blühen seine Lorberen. Bei uns und in
Österreich können sich die Russen nur blutige Köpfe holen, denn wir werden
mit ihnen fertig. Die Furcht vor Rußland ist Gespensterfurcht.




Die geschichtlichen Grundlagen der deutschen Rechts¬
einheit.
von Karl Bruns.

rduuug, die segensreiche Himmelstochter, deren Gaben der Dichter
so herrlich besingt, Ordnung, die nach dem Volksmunde die
Welt regiert und demnach auch die Staaten gegründet hat und
erhält, sie findet im Staate ihren hauptsächlichsten Ausdruck in
der Rechtsordnung. Und wenn ein Volk, wie unser deutsches,
seine staatlichen Zustände aus der Zerrissenheit zur Einheit zu wandeln unter¬
nimmt, stellt sich auch der Drang ein, die Rechtseinheit zu erringen. Über die
geschichtlichen Grundlagen dieser heutzutage ihrer Verwirklichung in so erfreu¬
licher Weise sich nähernden Bestrebungen einiges mitzuteilen, ist der Zweck dieses
Aufsatzes.

Daß unsre schreibeusunkundia.er Altvordern, die Germanen, keine geschrie¬
benen Gesetze haben konnten, ist klar. Daß sie jedoch, sobald sie in einer ge¬
wissen Staatsordnung lebten, des Rechts überhaupt nicht entbehrten, muß
gleichfalls einleuchten. Dieses Recht war ein sogenanntes Gewohnheitsrecht,
d. h. ein ohne das ausdrückliche Gebot der Staatsgewalt, oder wenigstens ohne
daß man sich eines solchen, vielleicht ursprünglich, vor langer Zeit, ergangenen
Gebots noch bewußt war, durch thatsächliche fortwährende Anwendung derjenigen,
die über Recht und Unrecht zu Gericht sitzen, der Richter, sein Dasein bekun¬
dendes Recht. Die UnVollkommenheit des Gewohnheitsrechts wird begreiflich,
Wenn man erwägt, wie leicht bei denen, die das Recht üben, eine Meinungs¬
verschiedenheit darüber obwalten wird, ob etwas bisher in Übung war oder
nicht, wenigstens bei Rechtsfällen, die nicht zu den häufig wiederkehrenden ge¬
hören. Ganz richtig sagt im „Götz von Berlichingen" der Doktor beider Rechte


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[0157] Die geschichtlichen Grundlagen der deutschen Rechtseinheit. Krieg, den der englische Sovereign schon so lange gegen den russischen Rubel spielt, welcher, so oft Rußland droht, sofort um ein Drittel fällt. Möge der russische Eisbär einmal daran gehen, dem englischen Leoparden das Fell zu zerzausen. In Indien blühen seine Lorberen. Bei uns und in Österreich können sich die Russen nur blutige Köpfe holen, denn wir werden mit ihnen fertig. Die Furcht vor Rußland ist Gespensterfurcht. Die geschichtlichen Grundlagen der deutschen Rechts¬ einheit. von Karl Bruns. rduuug, die segensreiche Himmelstochter, deren Gaben der Dichter so herrlich besingt, Ordnung, die nach dem Volksmunde die Welt regiert und demnach auch die Staaten gegründet hat und erhält, sie findet im Staate ihren hauptsächlichsten Ausdruck in der Rechtsordnung. Und wenn ein Volk, wie unser deutsches, seine staatlichen Zustände aus der Zerrissenheit zur Einheit zu wandeln unter¬ nimmt, stellt sich auch der Drang ein, die Rechtseinheit zu erringen. Über die geschichtlichen Grundlagen dieser heutzutage ihrer Verwirklichung in so erfreu¬ licher Weise sich nähernden Bestrebungen einiges mitzuteilen, ist der Zweck dieses Aufsatzes. Daß unsre schreibeusunkundia.er Altvordern, die Germanen, keine geschrie¬ benen Gesetze haben konnten, ist klar. Daß sie jedoch, sobald sie in einer ge¬ wissen Staatsordnung lebten, des Rechts überhaupt nicht entbehrten, muß gleichfalls einleuchten. Dieses Recht war ein sogenanntes Gewohnheitsrecht, d. h. ein ohne das ausdrückliche Gebot der Staatsgewalt, oder wenigstens ohne daß man sich eines solchen, vielleicht ursprünglich, vor langer Zeit, ergangenen Gebots noch bewußt war, durch thatsächliche fortwährende Anwendung derjenigen, die über Recht und Unrecht zu Gericht sitzen, der Richter, sein Dasein bekun¬ dendes Recht. Die UnVollkommenheit des Gewohnheitsrechts wird begreiflich, Wenn man erwägt, wie leicht bei denen, die das Recht üben, eine Meinungs¬ verschiedenheit darüber obwalten wird, ob etwas bisher in Übung war oder nicht, wenigstens bei Rechtsfällen, die nicht zu den häufig wiederkehrenden ge¬ hören. Ganz richtig sagt im „Götz von Berlichingen" der Doktor beider Rechte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/157>, abgerufen am 17.09.2024.