Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Rechtsprechung der französischen Schwurgerichte.

stellt er für lange Zeit fest. Das Charakterporträt und der Ausdruck seelischer
Erregung in demselben ist ebenfalls eine Neuschöpfung seines Genius, wie die
Ausbildung des xurto, jenes für die Nenaissanceplastik und Dekoration so un¬
entbehrlichen figürlichen Elementes. In technischer Beziehung zeigt er sich
schöpferisch als Erfinder des riliövo LtiaooiÄw in Marmor, während seine Gnß-
technik nach dem Urteil der Zeitgenossen hinter der seines Lehrers Ghiberti zurück¬
steht. Holz, Marmor, Bronze, Gyps und Stucco sind die Stoffe, in denen Dona-
tello arbeitete; der Natur eines jeden wurde er wie wenige gleichzeitige Künstler
gerecht. Bei aller Rücksichtslosigkeit in der Auffassung voll künstlerischen Fein¬
sinns, der erste konsequente und gleichwohl der Grenzen seiner Kunst sich stets
bewußt bleibende Realist seiner Zeit -- so steht er vor uns, umgeben von der
Strahlcnglorie, die am Horizonte der neuen Zeit aufsteigend über den Boden
Toskanas ihr erstes klärendes und belebendes Licht ergoß.


Ludwig Kämmerer.


Die Rechtsprechung der französischen Schwurgerichte.
von Aarl Seefeld.

er deutsche Leser, der die Berichte über Verhandlungen vor fran¬
zösischen Schwurgerichten mit einiger Aufmerksamkeit verfolgt,
kann sich, besonders in neuerer Zeit, des Gefühls lebhaften Er¬
staunens kaum erwehren. Nicht als ob in dieser Hinsicht in
deutschen Landen alles zum Besten bestellt wäre und als ob die
Urteile deutscher Schwurgerichte immer nur Wühler von Scharfsinn und Ge¬
rechtigkeitsliebe darstellten; ja als ob nicht vielmehr auch sie nutunter ,das
ernste Kopfschtttteln selbst derjenigen herausforderten, die im übrigen die Teil¬
nahme des Volkes an der Rechtsprechung billigen. Aber diese Verirrungen
halten sich doch regelmäßig innerhalb gewisser Grenzen: sie fallen mehr oder
weniger mit den Schattenseiten zusammen, die in dem Wesen der Einrichtung
selbst begründet sind und die, wenn man diese Einrichtung überhaupt will, mit
in den Kauf genommen werden müssen. Fälle, welche über jene Grenzen hinaus¬
gehen, kommen glücklicherweise nur vereinzelt vor und finden nur beim Mit¬
spielen außerordentlicher politischer oder sozialer Umstände eine Grundlage und
Stütze in der Gesinnung breiterer Bevölkerungsschichten.


Die Rechtsprechung der französischen Schwurgerichte.

stellt er für lange Zeit fest. Das Charakterporträt und der Ausdruck seelischer
Erregung in demselben ist ebenfalls eine Neuschöpfung seines Genius, wie die
Ausbildung des xurto, jenes für die Nenaissanceplastik und Dekoration so un¬
entbehrlichen figürlichen Elementes. In technischer Beziehung zeigt er sich
schöpferisch als Erfinder des riliövo LtiaooiÄw in Marmor, während seine Gnß-
technik nach dem Urteil der Zeitgenossen hinter der seines Lehrers Ghiberti zurück¬
steht. Holz, Marmor, Bronze, Gyps und Stucco sind die Stoffe, in denen Dona-
tello arbeitete; der Natur eines jeden wurde er wie wenige gleichzeitige Künstler
gerecht. Bei aller Rücksichtslosigkeit in der Auffassung voll künstlerischen Fein¬
sinns, der erste konsequente und gleichwohl der Grenzen seiner Kunst sich stets
bewußt bleibende Realist seiner Zeit — so steht er vor uns, umgeben von der
Strahlcnglorie, die am Horizonte der neuen Zeit aufsteigend über den Boden
Toskanas ihr erstes klärendes und belebendes Licht ergoß.


Ludwig Kämmerer.


Die Rechtsprechung der französischen Schwurgerichte.
von Aarl Seefeld.

er deutsche Leser, der die Berichte über Verhandlungen vor fran¬
zösischen Schwurgerichten mit einiger Aufmerksamkeit verfolgt,
kann sich, besonders in neuerer Zeit, des Gefühls lebhaften Er¬
staunens kaum erwehren. Nicht als ob in dieser Hinsicht in
deutschen Landen alles zum Besten bestellt wäre und als ob die
Urteile deutscher Schwurgerichte immer nur Wühler von Scharfsinn und Ge¬
rechtigkeitsliebe darstellten; ja als ob nicht vielmehr auch sie nutunter ,das
ernste Kopfschtttteln selbst derjenigen herausforderten, die im übrigen die Teil¬
nahme des Volkes an der Rechtsprechung billigen. Aber diese Verirrungen
halten sich doch regelmäßig innerhalb gewisser Grenzen: sie fallen mehr oder
weniger mit den Schattenseiten zusammen, die in dem Wesen der Einrichtung
selbst begründet sind und die, wenn man diese Einrichtung überhaupt will, mit
in den Kauf genommen werden müssen. Fälle, welche über jene Grenzen hinaus¬
gehen, kommen glücklicherweise nur vereinzelt vor und finden nur beim Mit¬
spielen außerordentlicher politischer oder sozialer Umstände eine Grundlage und
Stütze in der Gesinnung breiterer Bevölkerungsschichten.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0138" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/288591"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Rechtsprechung der französischen Schwurgerichte.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_389" prev="#ID_388"> stellt er für lange Zeit fest. Das Charakterporträt und der Ausdruck seelischer<lb/>
Erregung in demselben ist ebenfalls eine Neuschöpfung seines Genius, wie die<lb/>
Ausbildung des xurto, jenes für die Nenaissanceplastik und Dekoration so un¬<lb/>
entbehrlichen figürlichen Elementes. In technischer Beziehung zeigt er sich<lb/>
schöpferisch als Erfinder des riliövo LtiaooiÄw in Marmor, während seine Gnß-<lb/>
technik nach dem Urteil der Zeitgenossen hinter der seines Lehrers Ghiberti zurück¬<lb/>
steht. Holz, Marmor, Bronze, Gyps und Stucco sind die Stoffe, in denen Dona-<lb/>
tello arbeitete; der Natur eines jeden wurde er wie wenige gleichzeitige Künstler<lb/>
gerecht. Bei aller Rücksichtslosigkeit in der Auffassung voll künstlerischen Fein¬<lb/>
sinns, der erste konsequente und gleichwohl der Grenzen seiner Kunst sich stets<lb/>
bewußt bleibende Realist seiner Zeit &#x2014; so steht er vor uns, umgeben von der<lb/>
Strahlcnglorie, die am Horizonte der neuen Zeit aufsteigend über den Boden<lb/>
Toskanas ihr erstes klärendes und belebendes Licht ergoß.</p><lb/>
          <note type="byline"> Ludwig Kämmerer.</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Rechtsprechung der französischen Schwurgerichte.<lb/><note type="byline"> von Aarl Seefeld.</note></head><lb/>
          <p xml:id="ID_390"> er deutsche Leser, der die Berichte über Verhandlungen vor fran¬<lb/>
zösischen Schwurgerichten mit einiger Aufmerksamkeit verfolgt,<lb/>
kann sich, besonders in neuerer Zeit, des Gefühls lebhaften Er¬<lb/>
staunens kaum erwehren. Nicht als ob in dieser Hinsicht in<lb/>
deutschen Landen alles zum Besten bestellt wäre und als ob die<lb/>
Urteile deutscher Schwurgerichte immer nur Wühler von Scharfsinn und Ge¬<lb/>
rechtigkeitsliebe darstellten; ja als ob nicht vielmehr auch sie nutunter ,das<lb/>
ernste Kopfschtttteln selbst derjenigen herausforderten, die im übrigen die Teil¬<lb/>
nahme des Volkes an der Rechtsprechung billigen. Aber diese Verirrungen<lb/>
halten sich doch regelmäßig innerhalb gewisser Grenzen: sie fallen mehr oder<lb/>
weniger mit den Schattenseiten zusammen, die in dem Wesen der Einrichtung<lb/>
selbst begründet sind und die, wenn man diese Einrichtung überhaupt will, mit<lb/>
in den Kauf genommen werden müssen. Fälle, welche über jene Grenzen hinaus¬<lb/>
gehen, kommen glücklicherweise nur vereinzelt vor und finden nur beim Mit¬<lb/>
spielen außerordentlicher politischer oder sozialer Umstände eine Grundlage und<lb/>
Stütze in der Gesinnung breiterer Bevölkerungsschichten.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0138] Die Rechtsprechung der französischen Schwurgerichte. stellt er für lange Zeit fest. Das Charakterporträt und der Ausdruck seelischer Erregung in demselben ist ebenfalls eine Neuschöpfung seines Genius, wie die Ausbildung des xurto, jenes für die Nenaissanceplastik und Dekoration so un¬ entbehrlichen figürlichen Elementes. In technischer Beziehung zeigt er sich schöpferisch als Erfinder des riliövo LtiaooiÄw in Marmor, während seine Gnß- technik nach dem Urteil der Zeitgenossen hinter der seines Lehrers Ghiberti zurück¬ steht. Holz, Marmor, Bronze, Gyps und Stucco sind die Stoffe, in denen Dona- tello arbeitete; der Natur eines jeden wurde er wie wenige gleichzeitige Künstler gerecht. Bei aller Rücksichtslosigkeit in der Auffassung voll künstlerischen Fein¬ sinns, der erste konsequente und gleichwohl der Grenzen seiner Kunst sich stets bewußt bleibende Realist seiner Zeit — so steht er vor uns, umgeben von der Strahlcnglorie, die am Horizonte der neuen Zeit aufsteigend über den Boden Toskanas ihr erstes klärendes und belebendes Licht ergoß. Ludwig Kämmerer. Die Rechtsprechung der französischen Schwurgerichte. von Aarl Seefeld. er deutsche Leser, der die Berichte über Verhandlungen vor fran¬ zösischen Schwurgerichten mit einiger Aufmerksamkeit verfolgt, kann sich, besonders in neuerer Zeit, des Gefühls lebhaften Er¬ staunens kaum erwehren. Nicht als ob in dieser Hinsicht in deutschen Landen alles zum Besten bestellt wäre und als ob die Urteile deutscher Schwurgerichte immer nur Wühler von Scharfsinn und Ge¬ rechtigkeitsliebe darstellten; ja als ob nicht vielmehr auch sie nutunter ,das ernste Kopfschtttteln selbst derjenigen herausforderten, die im übrigen die Teil¬ nahme des Volkes an der Rechtsprechung billigen. Aber diese Verirrungen halten sich doch regelmäßig innerhalb gewisser Grenzen: sie fallen mehr oder weniger mit den Schattenseiten zusammen, die in dem Wesen der Einrichtung selbst begründet sind und die, wenn man diese Einrichtung überhaupt will, mit in den Kauf genommen werden müssen. Fälle, welche über jene Grenzen hinaus¬ gehen, kommen glücklicherweise nur vereinzelt vor und finden nur beim Mit¬ spielen außerordentlicher politischer oder sozialer Umstände eine Grundlage und Stütze in der Gesinnung breiterer Bevölkerungsschichten.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/138
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/138>, abgerufen am 17.09.2024.