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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Donatello.

Man muß das Porträt vielmehr für sehr gelungen gehalten haben, da wir es
im sechzehnten Jahrhundert im Hause eines eifrigen Parteigenossen Jacopo
Capoui einen Ehrenplatz einnehmen sehen.

Nicht jeder ließ mit solch einer schlichten Thonbttste seine Sehnsucht nach
Unsterblichkeit befriedigen. Das Prachtgrab, die eigentlichste Schöpfung der
Renaissance, verdankt auch dein "Ruhmsinn," dem mächtigsten und ausschlag¬
gebenden Triebe jener Zeit, seine Ausbildung. Dieser Aufgabe widmete Dona-
tello in der zweiten Periode seiner künstlerischen Wirksamkeit, welche wir
durch die Jahre 1425 und 1433 begrenzen dürfen, in Verbindung mit
Michelozzo, der 1425 aus Ghibertis Werkstatt in seine übertrat, hauptsächlich
seine Kraft. Man ist leicht geneigt, diesem als Architekten in seiner Vaterstadt
und auch auswärts mit Recht berühmten Genossen den architektonischen Aufbau
der Grabdenkmäler Donatellos beizumessen. Namentlich Schmarsow sucht den
ältern Meister in dieser Beziehung als völlig abhängig von seinem Mitarbeiter
und als einseitigen Bildhauer zu schildern. Wir haben indes literarische Zeug¬
nisse, die uns dies mit Grund bezweifeln lassen. Wie wir wissen, daß Dona-
tello 1412 in die Malergilde von Florenz aufgenommen wurde, so finden wir
ihn 1419 bei den Arbeiten für die Domkuppel, also bei einer ausschließlich
architektonischen Aufgabe, beschäftigt, einer nicht ganz sichern Nachricht von seinem
Entwurf für S. Spirito nicht zu gedenken. Demnach dürften wir den Bei¬
stand, welchen ihm Michelozzo bei den Grabmalarbeiteu leistete, hauptsächlich
wohl auf seine Erfahrenheit in technischen Dingen, im Bronzeguß und ähnlichen!
zurückzuführen haben. Namentlich das Grabmal des Bcildassare Coscia, des
entthronten Gegenpapstes Johanns XXIII., im Florentiner Baptisterium trägt
den Stempel einer so einheitlichen Verschmelzung von Architektur und Skulptur,
daß wir den Gesamtentwurf wohl Donatello zuschreiben dürfen. Die Hand
Michelvzzvs will man in der einen den Sarkophag des Verstorbenen tragenden
weiblichen Gestalten, der Allegorie des Glaubens, wiedererkennen.

In den Jahren 1426/27 finden wir die beiden Künstler bald in Siena,
bald in Visa beschäftigt. In der letztern Stadt arbeiteten sie gemeinsam das
Grabmal des Kardinals Brancacci, das für Neapel bestimmt war, während
das Grab des päpstlichen Sekretärs Bartolomeo Arcigazzi in Mvntepulciano
neuerdings wohl mit Recht als alleiniges Werk Michelozzos angesehen wird. In diese
an Aufträgen ungemein reiche Zeit -- wir erwähnen nur die Arbeiten am Tauf-
brunnen zu Siena, die Statue Johannis des Täufers wird im Bargellv, die Grab¬
platte des Bischofs Pinel im Sieneser Dom, sowie den Sarkophag des Giovanni
ti Binni ti Medici in S. Lorenzo -- fällt neben vielen kleinern Werken auch
noch die Arbeit für die Kanzel am Dom zu Prato, die erst 1434 abgeschlossen
wurde. An einem Eckpfeiler dieser gothischen Kathedrale befindet sich nämlich
außen ein Heiligtumsstuhl in Form einer Kanzel, von der herab an hohen Fest¬
tagen dem versammelten Volke der in der Kirche aufbewahrte Gürtel der Ma-


Donatello.

Man muß das Porträt vielmehr für sehr gelungen gehalten haben, da wir es
im sechzehnten Jahrhundert im Hause eines eifrigen Parteigenossen Jacopo
Capoui einen Ehrenplatz einnehmen sehen.

Nicht jeder ließ mit solch einer schlichten Thonbttste seine Sehnsucht nach
Unsterblichkeit befriedigen. Das Prachtgrab, die eigentlichste Schöpfung der
Renaissance, verdankt auch dein „Ruhmsinn," dem mächtigsten und ausschlag¬
gebenden Triebe jener Zeit, seine Ausbildung. Dieser Aufgabe widmete Dona-
tello in der zweiten Periode seiner künstlerischen Wirksamkeit, welche wir
durch die Jahre 1425 und 1433 begrenzen dürfen, in Verbindung mit
Michelozzo, der 1425 aus Ghibertis Werkstatt in seine übertrat, hauptsächlich
seine Kraft. Man ist leicht geneigt, diesem als Architekten in seiner Vaterstadt
und auch auswärts mit Recht berühmten Genossen den architektonischen Aufbau
der Grabdenkmäler Donatellos beizumessen. Namentlich Schmarsow sucht den
ältern Meister in dieser Beziehung als völlig abhängig von seinem Mitarbeiter
und als einseitigen Bildhauer zu schildern. Wir haben indes literarische Zeug¬
nisse, die uns dies mit Grund bezweifeln lassen. Wie wir wissen, daß Dona-
tello 1412 in die Malergilde von Florenz aufgenommen wurde, so finden wir
ihn 1419 bei den Arbeiten für die Domkuppel, also bei einer ausschließlich
architektonischen Aufgabe, beschäftigt, einer nicht ganz sichern Nachricht von seinem
Entwurf für S. Spirito nicht zu gedenken. Demnach dürften wir den Bei¬
stand, welchen ihm Michelozzo bei den Grabmalarbeiteu leistete, hauptsächlich
wohl auf seine Erfahrenheit in technischen Dingen, im Bronzeguß und ähnlichen!
zurückzuführen haben. Namentlich das Grabmal des Bcildassare Coscia, des
entthronten Gegenpapstes Johanns XXIII., im Florentiner Baptisterium trägt
den Stempel einer so einheitlichen Verschmelzung von Architektur und Skulptur,
daß wir den Gesamtentwurf wohl Donatello zuschreiben dürfen. Die Hand
Michelvzzvs will man in der einen den Sarkophag des Verstorbenen tragenden
weiblichen Gestalten, der Allegorie des Glaubens, wiedererkennen.

In den Jahren 1426/27 finden wir die beiden Künstler bald in Siena,
bald in Visa beschäftigt. In der letztern Stadt arbeiteten sie gemeinsam das
Grabmal des Kardinals Brancacci, das für Neapel bestimmt war, während
das Grab des päpstlichen Sekretärs Bartolomeo Arcigazzi in Mvntepulciano
neuerdings wohl mit Recht als alleiniges Werk Michelozzos angesehen wird. In diese
an Aufträgen ungemein reiche Zeit — wir erwähnen nur die Arbeiten am Tauf-
brunnen zu Siena, die Statue Johannis des Täufers wird im Bargellv, die Grab¬
platte des Bischofs Pinel im Sieneser Dom, sowie den Sarkophag des Giovanni
ti Binni ti Medici in S. Lorenzo — fällt neben vielen kleinern Werken auch
noch die Arbeit für die Kanzel am Dom zu Prato, die erst 1434 abgeschlossen
wurde. An einem Eckpfeiler dieser gothischen Kathedrale befindet sich nämlich
außen ein Heiligtumsstuhl in Form einer Kanzel, von der herab an hohen Fest¬
tagen dem versammelten Volke der in der Kirche aufbewahrte Gürtel der Ma-


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[0132] Donatello. Man muß das Porträt vielmehr für sehr gelungen gehalten haben, da wir es im sechzehnten Jahrhundert im Hause eines eifrigen Parteigenossen Jacopo Capoui einen Ehrenplatz einnehmen sehen. Nicht jeder ließ mit solch einer schlichten Thonbttste seine Sehnsucht nach Unsterblichkeit befriedigen. Das Prachtgrab, die eigentlichste Schöpfung der Renaissance, verdankt auch dein „Ruhmsinn," dem mächtigsten und ausschlag¬ gebenden Triebe jener Zeit, seine Ausbildung. Dieser Aufgabe widmete Dona- tello in der zweiten Periode seiner künstlerischen Wirksamkeit, welche wir durch die Jahre 1425 und 1433 begrenzen dürfen, in Verbindung mit Michelozzo, der 1425 aus Ghibertis Werkstatt in seine übertrat, hauptsächlich seine Kraft. Man ist leicht geneigt, diesem als Architekten in seiner Vaterstadt und auch auswärts mit Recht berühmten Genossen den architektonischen Aufbau der Grabdenkmäler Donatellos beizumessen. Namentlich Schmarsow sucht den ältern Meister in dieser Beziehung als völlig abhängig von seinem Mitarbeiter und als einseitigen Bildhauer zu schildern. Wir haben indes literarische Zeug¬ nisse, die uns dies mit Grund bezweifeln lassen. Wie wir wissen, daß Dona- tello 1412 in die Malergilde von Florenz aufgenommen wurde, so finden wir ihn 1419 bei den Arbeiten für die Domkuppel, also bei einer ausschließlich architektonischen Aufgabe, beschäftigt, einer nicht ganz sichern Nachricht von seinem Entwurf für S. Spirito nicht zu gedenken. Demnach dürften wir den Bei¬ stand, welchen ihm Michelozzo bei den Grabmalarbeiteu leistete, hauptsächlich wohl auf seine Erfahrenheit in technischen Dingen, im Bronzeguß und ähnlichen! zurückzuführen haben. Namentlich das Grabmal des Bcildassare Coscia, des entthronten Gegenpapstes Johanns XXIII., im Florentiner Baptisterium trägt den Stempel einer so einheitlichen Verschmelzung von Architektur und Skulptur, daß wir den Gesamtentwurf wohl Donatello zuschreiben dürfen. Die Hand Michelvzzvs will man in der einen den Sarkophag des Verstorbenen tragenden weiblichen Gestalten, der Allegorie des Glaubens, wiedererkennen. In den Jahren 1426/27 finden wir die beiden Künstler bald in Siena, bald in Visa beschäftigt. In der letztern Stadt arbeiteten sie gemeinsam das Grabmal des Kardinals Brancacci, das für Neapel bestimmt war, während das Grab des päpstlichen Sekretärs Bartolomeo Arcigazzi in Mvntepulciano neuerdings wohl mit Recht als alleiniges Werk Michelozzos angesehen wird. In diese an Aufträgen ungemein reiche Zeit — wir erwähnen nur die Arbeiten am Tauf- brunnen zu Siena, die Statue Johannis des Täufers wird im Bargellv, die Grab¬ platte des Bischofs Pinel im Sieneser Dom, sowie den Sarkophag des Giovanni ti Binni ti Medici in S. Lorenzo — fällt neben vielen kleinern Werken auch noch die Arbeit für die Kanzel am Dom zu Prato, die erst 1434 abgeschlossen wurde. An einem Eckpfeiler dieser gothischen Kathedrale befindet sich nämlich außen ein Heiligtumsstuhl in Form einer Kanzel, von der herab an hohen Fest¬ tagen dem versammelten Volke der in der Kirche aufbewahrte Gürtel der Ma-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/132>, abgerufen am 17.09.2024.