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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Donatello.

Pudel, die die folgenden Jahrhunderte künstlerisch zu verwerten nicht ermüdeten,
finden wir in seinen bildnerischen Versuchen zuerst. Neben diesem Künstler muß
Niccolo ti Piero aus Arezzo genannt werden, der Donatello insofern vorarbeitete,
als er das Studium der Antike, das sich z. B. in einer Verkündigungsgruppe
in der Opera nisi äuouro besonders deutlich bekundet, durch selbständige Ver¬
arbeitung eigner Motive -- ich nenne nur nach Semper*) die charakteristische
Drapirung des frei umgeworfenen Mantels -- neu belebte und zeugungskrüftig
machte, im Gegensatz zu dem mehr äußerlichen Antikisiren der Pisaner Schule.

Die Sehnsucht nach der Antike, die sich in diesen frühen Florentiner Studien
Donatellos kundgiebt, sollte bald aus erster Quelle befriedigt werden. Als
nämlich Filippo Brunelleschi, an den sich der jüngere Künstler schon früh ange¬
schlossen zu haben scheint, nach dem für ihn ungünstigen Ausfall der Dom¬
thürkonkurrenz 1403 verstimmt seiner Vaterstadt den Rücken kehrte und -- wie
sein Biograph sagt, "um zu sehen, wo es denn gute Skulpturen gebe" -- nach
Rom zog, fand er in Donato einen begeisterten Reisebegleiter. Von den in der
ewigen Siebenhügelstadt getriebenen Studien und empfangenen Eindrücken weiß
uns namentlich der gleichzeitige Biograph Filippos viel zu erzählen. Brunelleschi
beschäftigte sich hauptsächlich mit den Resten der antiken Baukunst, deren Technik
und "musikalische Verhältnisse" er zu ergründen strebte, während Donatello sich
mehr mit der Skulptur abgab. Gleichwohl unterstützte Donatello seinen ältern
Genossen auch eifrig bei dem Aufnehmen der alten Bauwerke und auch bei dem
Studium der dekorativen Bauglieder. Besonders mutet uns die echt burschikose
Lebensweise der beiden jungen Archäologen an. Lag ihnen doch keine Familien¬
sorge am Herzen, sagt Manetti, da sie weder Weib noch Kind hatten; gering
achteten sie Essen, Trinken, Kleidung und Wohnung, nur am Sehen und Messen
konnten sie sich nicht genug thun. Wie Ironie klang es, wenn das neugierige
Volk Roms sie wegen eines Münzfnndes, den sie bei einer Ausgrabung gemacht
hatten, quelle äst tssoro, die Schatzsinder, nannte, sie, die oft, wenn das Geld
knapp wurde, in den Werkstätten der römischen Goldschmiede ihren Erwerb
suchen mußten. In diesen römischen Studientagen knüpften sich die Beziehungen
der beiden für die Frührenaissance maßgebenden Florentiner Künstler zu enger
Freundschaft, die auch in spätern Jahren, obwohl gelegentlich durch kleine Zer¬
würfnisse getrübt, Bestand hatte, sodaß Vasari in seiner etwas übertreibender
Weise sagt, daß einer ohne den andern garnicht Hütte leben können.

Wahrscheinlich schon im Dezember 1404 war Donatello nach seiner Vater¬
stadt zurückgekehrt, da wir ihn in dem ersten Vertrage, den Ghiberti mit den Dvm-
bauvorstehern über die Anfertigung der Baptisteriumthür abschloß, bereits als dessen
Gehilfen bezeichnet finden. Seine selbständige Thätigkeit beginnt allerdings erst
mit dem Jahre 1406, wo nach der glücklichen Eroberung Pisas in Florenz



*) Semper, Donatello, seine Zeit und Schule (Wien, 187S), S. 29.
Donatello.

Pudel, die die folgenden Jahrhunderte künstlerisch zu verwerten nicht ermüdeten,
finden wir in seinen bildnerischen Versuchen zuerst. Neben diesem Künstler muß
Niccolo ti Piero aus Arezzo genannt werden, der Donatello insofern vorarbeitete,
als er das Studium der Antike, das sich z. B. in einer Verkündigungsgruppe
in der Opera nisi äuouro besonders deutlich bekundet, durch selbständige Ver¬
arbeitung eigner Motive — ich nenne nur nach Semper*) die charakteristische
Drapirung des frei umgeworfenen Mantels — neu belebte und zeugungskrüftig
machte, im Gegensatz zu dem mehr äußerlichen Antikisiren der Pisaner Schule.

Die Sehnsucht nach der Antike, die sich in diesen frühen Florentiner Studien
Donatellos kundgiebt, sollte bald aus erster Quelle befriedigt werden. Als
nämlich Filippo Brunelleschi, an den sich der jüngere Künstler schon früh ange¬
schlossen zu haben scheint, nach dem für ihn ungünstigen Ausfall der Dom¬
thürkonkurrenz 1403 verstimmt seiner Vaterstadt den Rücken kehrte und — wie
sein Biograph sagt, „um zu sehen, wo es denn gute Skulpturen gebe" — nach
Rom zog, fand er in Donato einen begeisterten Reisebegleiter. Von den in der
ewigen Siebenhügelstadt getriebenen Studien und empfangenen Eindrücken weiß
uns namentlich der gleichzeitige Biograph Filippos viel zu erzählen. Brunelleschi
beschäftigte sich hauptsächlich mit den Resten der antiken Baukunst, deren Technik
und „musikalische Verhältnisse" er zu ergründen strebte, während Donatello sich
mehr mit der Skulptur abgab. Gleichwohl unterstützte Donatello seinen ältern
Genossen auch eifrig bei dem Aufnehmen der alten Bauwerke und auch bei dem
Studium der dekorativen Bauglieder. Besonders mutet uns die echt burschikose
Lebensweise der beiden jungen Archäologen an. Lag ihnen doch keine Familien¬
sorge am Herzen, sagt Manetti, da sie weder Weib noch Kind hatten; gering
achteten sie Essen, Trinken, Kleidung und Wohnung, nur am Sehen und Messen
konnten sie sich nicht genug thun. Wie Ironie klang es, wenn das neugierige
Volk Roms sie wegen eines Münzfnndes, den sie bei einer Ausgrabung gemacht
hatten, quelle äst tssoro, die Schatzsinder, nannte, sie, die oft, wenn das Geld
knapp wurde, in den Werkstätten der römischen Goldschmiede ihren Erwerb
suchen mußten. In diesen römischen Studientagen knüpften sich die Beziehungen
der beiden für die Frührenaissance maßgebenden Florentiner Künstler zu enger
Freundschaft, die auch in spätern Jahren, obwohl gelegentlich durch kleine Zer¬
würfnisse getrübt, Bestand hatte, sodaß Vasari in seiner etwas übertreibender
Weise sagt, daß einer ohne den andern garnicht Hütte leben können.

Wahrscheinlich schon im Dezember 1404 war Donatello nach seiner Vater¬
stadt zurückgekehrt, da wir ihn in dem ersten Vertrage, den Ghiberti mit den Dvm-
bauvorstehern über die Anfertigung der Baptisteriumthür abschloß, bereits als dessen
Gehilfen bezeichnet finden. Seine selbständige Thätigkeit beginnt allerdings erst
mit dem Jahre 1406, wo nach der glücklichen Eroberung Pisas in Florenz



*) Semper, Donatello, seine Zeit und Schule (Wien, 187S), S. 29.
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[0128] Donatello. Pudel, die die folgenden Jahrhunderte künstlerisch zu verwerten nicht ermüdeten, finden wir in seinen bildnerischen Versuchen zuerst. Neben diesem Künstler muß Niccolo ti Piero aus Arezzo genannt werden, der Donatello insofern vorarbeitete, als er das Studium der Antike, das sich z. B. in einer Verkündigungsgruppe in der Opera nisi äuouro besonders deutlich bekundet, durch selbständige Ver¬ arbeitung eigner Motive — ich nenne nur nach Semper*) die charakteristische Drapirung des frei umgeworfenen Mantels — neu belebte und zeugungskrüftig machte, im Gegensatz zu dem mehr äußerlichen Antikisiren der Pisaner Schule. Die Sehnsucht nach der Antike, die sich in diesen frühen Florentiner Studien Donatellos kundgiebt, sollte bald aus erster Quelle befriedigt werden. Als nämlich Filippo Brunelleschi, an den sich der jüngere Künstler schon früh ange¬ schlossen zu haben scheint, nach dem für ihn ungünstigen Ausfall der Dom¬ thürkonkurrenz 1403 verstimmt seiner Vaterstadt den Rücken kehrte und — wie sein Biograph sagt, „um zu sehen, wo es denn gute Skulpturen gebe" — nach Rom zog, fand er in Donato einen begeisterten Reisebegleiter. Von den in der ewigen Siebenhügelstadt getriebenen Studien und empfangenen Eindrücken weiß uns namentlich der gleichzeitige Biograph Filippos viel zu erzählen. Brunelleschi beschäftigte sich hauptsächlich mit den Resten der antiken Baukunst, deren Technik und „musikalische Verhältnisse" er zu ergründen strebte, während Donatello sich mehr mit der Skulptur abgab. Gleichwohl unterstützte Donatello seinen ältern Genossen auch eifrig bei dem Aufnehmen der alten Bauwerke und auch bei dem Studium der dekorativen Bauglieder. Besonders mutet uns die echt burschikose Lebensweise der beiden jungen Archäologen an. Lag ihnen doch keine Familien¬ sorge am Herzen, sagt Manetti, da sie weder Weib noch Kind hatten; gering achteten sie Essen, Trinken, Kleidung und Wohnung, nur am Sehen und Messen konnten sie sich nicht genug thun. Wie Ironie klang es, wenn das neugierige Volk Roms sie wegen eines Münzfnndes, den sie bei einer Ausgrabung gemacht hatten, quelle äst tssoro, die Schatzsinder, nannte, sie, die oft, wenn das Geld knapp wurde, in den Werkstätten der römischen Goldschmiede ihren Erwerb suchen mußten. In diesen römischen Studientagen knüpften sich die Beziehungen der beiden für die Frührenaissance maßgebenden Florentiner Künstler zu enger Freundschaft, die auch in spätern Jahren, obwohl gelegentlich durch kleine Zer¬ würfnisse getrübt, Bestand hatte, sodaß Vasari in seiner etwas übertreibender Weise sagt, daß einer ohne den andern garnicht Hütte leben können. Wahrscheinlich schon im Dezember 1404 war Donatello nach seiner Vater¬ stadt zurückgekehrt, da wir ihn in dem ersten Vertrage, den Ghiberti mit den Dvm- bauvorstehern über die Anfertigung der Baptisteriumthür abschloß, bereits als dessen Gehilfen bezeichnet finden. Seine selbständige Thätigkeit beginnt allerdings erst mit dem Jahre 1406, wo nach der glücklichen Eroberung Pisas in Florenz *) Semper, Donatello, seine Zeit und Schule (Wien, 187S), S. 29.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/128>, abgerufen am 17.09.2024.