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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Donatello,

stimmig für 1386 entschieden, und. um das historische Gewissen zu beruhigen,
hat man auch bereits im vergangnen Jahre (am 27. Dezember 1886) an dem
Hause, in dem sich ehedem Donatellos toller befand, eine Gedenktafel an¬
bringen lassen.

Der Vater unsers Künstlers. Niccolo ti Bello Bardi, ein Woll¬
kämmer, hatte sich als echter Florentiner an den Parteikämpfen am Schlüsse
des vierzehnten Jahrhunderts leidenschaftlich beteiligt, und zwar als Geguer der
von den Medici geführten demokratischen Partei. Gleichwohl soll der Sohn
dieses Parteigängers der Albizzi nach Vasaris Zeugnis in dem Hause einer
Familie der Gegenpartei seine Jugenderziehung genossen haben. Wir gehen
Wohl nicht fehl, wenn wir diese Beziehungen zur Casg, Nartelli später ansetzen
als Vasari, dessen Angabe, daß Ruberto Martelli seine Jugenderziehung geleitet
habe, schon darum hinfällig ist. weil dieser erst 1408 geboren wurde. Für
spätere Beziehungen sprechen auch die noch bis in unsre Tage in dem Palazzo
Martelli aufbewahrten Werke von Donatellos Hand. Vasari erzählt uns von
einem derselben, der Statue Johannes des Täufers, eine artige Anekdote, welche
die Hochschätzung, die Donatello in dem vornehmen Hause erfuhr, charakterisiren
mag. Ruberto. so sagt er. habe in seinem Testament ausdrücklich bestimmt,
daß dies Werk als Fideikommißstiftung zu behandeln, also unveräußerlich
sei, "als glaubhaftes Zeugnis der Liebe, die Donato von ihnen genoß und für
sie empfand."

Nicht durch Vasari. sondern von einem ältern Schriftsteller. Pomponius
Gauricus, erfahren wir von dem Schülerverhältnis Donatellos zu Ghiberti, in
dessen Werkstatt er mit Michelozzo zusammen arbeitete. Als Gehilfen Ghibertis
finden wir ihn auch zuerst urkundlich bei der Arbeit der ersten Baptisterium-
thür 1404 (?) erwähnt/') Früh schon that sich der junge Bildhauer auch auf
den Gebieten der Schwesterkünste um, wie das in dem Wesen der damals selbst¬
verständlichen universellen Ausbildung lag. Da war hauptsächlich das Bapti-
sterium, das der Zeit als antiker Marstempel galt, und die Apostelkirche der Tum¬
melplatz seiner jugendlichen Architekturstudien.**) Auch die Werke Andrea Pisanos
am Campanile und deu altern Thüren von S. Giovanni bildeten eine Schule der
heranwachsenden Bildhauergeneration. Hoher jedoch noch als diese Eindrücke ist
der literarisch allerdings nicht bezeugte Einfluß des deutscheu Bildhauers Pietro
ti Giovanni anzuschlagen, den die Zeitgenossen bald aus Brabant oder Köln, bald
aus Freiburg stammen lassen, und der in den um die Mitte des vierzehnten
Jahrhunderts gearbeiteten Einfassungen einzelner Domportale zum erstenmale
und teilweise noch in unbeholfener Weise jenen Realismus der Formeu kundgab,
der das Feldgeschrei der Frührenaissance werden sollte. Auch die musizirenden




") Vu,Wri-UilÄllosi, II, S. 265.
**) Vs,hö,ri-IWs,nssi I, S. 492 u. 332.
Donatello,

stimmig für 1386 entschieden, und. um das historische Gewissen zu beruhigen,
hat man auch bereits im vergangnen Jahre (am 27. Dezember 1886) an dem
Hause, in dem sich ehedem Donatellos toller befand, eine Gedenktafel an¬
bringen lassen.

Der Vater unsers Künstlers. Niccolo ti Bello Bardi, ein Woll¬
kämmer, hatte sich als echter Florentiner an den Parteikämpfen am Schlüsse
des vierzehnten Jahrhunderts leidenschaftlich beteiligt, und zwar als Geguer der
von den Medici geführten demokratischen Partei. Gleichwohl soll der Sohn
dieses Parteigängers der Albizzi nach Vasaris Zeugnis in dem Hause einer
Familie der Gegenpartei seine Jugenderziehung genossen haben. Wir gehen
Wohl nicht fehl, wenn wir diese Beziehungen zur Casg, Nartelli später ansetzen
als Vasari, dessen Angabe, daß Ruberto Martelli seine Jugenderziehung geleitet
habe, schon darum hinfällig ist. weil dieser erst 1408 geboren wurde. Für
spätere Beziehungen sprechen auch die noch bis in unsre Tage in dem Palazzo
Martelli aufbewahrten Werke von Donatellos Hand. Vasari erzählt uns von
einem derselben, der Statue Johannes des Täufers, eine artige Anekdote, welche
die Hochschätzung, die Donatello in dem vornehmen Hause erfuhr, charakterisiren
mag. Ruberto. so sagt er. habe in seinem Testament ausdrücklich bestimmt,
daß dies Werk als Fideikommißstiftung zu behandeln, also unveräußerlich
sei, „als glaubhaftes Zeugnis der Liebe, die Donato von ihnen genoß und für
sie empfand."

Nicht durch Vasari. sondern von einem ältern Schriftsteller. Pomponius
Gauricus, erfahren wir von dem Schülerverhältnis Donatellos zu Ghiberti, in
dessen Werkstatt er mit Michelozzo zusammen arbeitete. Als Gehilfen Ghibertis
finden wir ihn auch zuerst urkundlich bei der Arbeit der ersten Baptisterium-
thür 1404 (?) erwähnt/') Früh schon that sich der junge Bildhauer auch auf
den Gebieten der Schwesterkünste um, wie das in dem Wesen der damals selbst¬
verständlichen universellen Ausbildung lag. Da war hauptsächlich das Bapti-
sterium, das der Zeit als antiker Marstempel galt, und die Apostelkirche der Tum¬
melplatz seiner jugendlichen Architekturstudien.**) Auch die Werke Andrea Pisanos
am Campanile und deu altern Thüren von S. Giovanni bildeten eine Schule der
heranwachsenden Bildhauergeneration. Hoher jedoch noch als diese Eindrücke ist
der literarisch allerdings nicht bezeugte Einfluß des deutscheu Bildhauers Pietro
ti Giovanni anzuschlagen, den die Zeitgenossen bald aus Brabant oder Köln, bald
aus Freiburg stammen lassen, und der in den um die Mitte des vierzehnten
Jahrhunderts gearbeiteten Einfassungen einzelner Domportale zum erstenmale
und teilweise noch in unbeholfener Weise jenen Realismus der Formeu kundgab,
der das Feldgeschrei der Frührenaissance werden sollte. Auch die musizirenden




") Vu,Wri-UilÄllosi, II, S. 265.
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[0127] Donatello, stimmig für 1386 entschieden, und. um das historische Gewissen zu beruhigen, hat man auch bereits im vergangnen Jahre (am 27. Dezember 1886) an dem Hause, in dem sich ehedem Donatellos toller befand, eine Gedenktafel an¬ bringen lassen. Der Vater unsers Künstlers. Niccolo ti Bello Bardi, ein Woll¬ kämmer, hatte sich als echter Florentiner an den Parteikämpfen am Schlüsse des vierzehnten Jahrhunderts leidenschaftlich beteiligt, und zwar als Geguer der von den Medici geführten demokratischen Partei. Gleichwohl soll der Sohn dieses Parteigängers der Albizzi nach Vasaris Zeugnis in dem Hause einer Familie der Gegenpartei seine Jugenderziehung genossen haben. Wir gehen Wohl nicht fehl, wenn wir diese Beziehungen zur Casg, Nartelli später ansetzen als Vasari, dessen Angabe, daß Ruberto Martelli seine Jugenderziehung geleitet habe, schon darum hinfällig ist. weil dieser erst 1408 geboren wurde. Für spätere Beziehungen sprechen auch die noch bis in unsre Tage in dem Palazzo Martelli aufbewahrten Werke von Donatellos Hand. Vasari erzählt uns von einem derselben, der Statue Johannes des Täufers, eine artige Anekdote, welche die Hochschätzung, die Donatello in dem vornehmen Hause erfuhr, charakterisiren mag. Ruberto. so sagt er. habe in seinem Testament ausdrücklich bestimmt, daß dies Werk als Fideikommißstiftung zu behandeln, also unveräußerlich sei, „als glaubhaftes Zeugnis der Liebe, die Donato von ihnen genoß und für sie empfand." Nicht durch Vasari. sondern von einem ältern Schriftsteller. Pomponius Gauricus, erfahren wir von dem Schülerverhältnis Donatellos zu Ghiberti, in dessen Werkstatt er mit Michelozzo zusammen arbeitete. Als Gehilfen Ghibertis finden wir ihn auch zuerst urkundlich bei der Arbeit der ersten Baptisterium- thür 1404 (?) erwähnt/') Früh schon that sich der junge Bildhauer auch auf den Gebieten der Schwesterkünste um, wie das in dem Wesen der damals selbst¬ verständlichen universellen Ausbildung lag. Da war hauptsächlich das Bapti- sterium, das der Zeit als antiker Marstempel galt, und die Apostelkirche der Tum¬ melplatz seiner jugendlichen Architekturstudien.**) Auch die Werke Andrea Pisanos am Campanile und deu altern Thüren von S. Giovanni bildeten eine Schule der heranwachsenden Bildhauergeneration. Hoher jedoch noch als diese Eindrücke ist der literarisch allerdings nicht bezeugte Einfluß des deutscheu Bildhauers Pietro ti Giovanni anzuschlagen, den die Zeitgenossen bald aus Brabant oder Köln, bald aus Freiburg stammen lassen, und der in den um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts gearbeiteten Einfassungen einzelner Domportale zum erstenmale und teilweise noch in unbeholfener Weise jenen Realismus der Formeu kundgab, der das Feldgeschrei der Frührenaissance werden sollte. Auch die musizirenden ") Vu,Wri-UilÄllosi, II, S. 265. **) Vs,hö,ri-IWs,nssi I, S. 492 u. 332.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/127>, abgerufen am 17.09.2024.