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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Donatello.

von dem unermüdlichen Bibliothekar der IZvols ass dsanx-Mes geleiteten Samm¬
lung von Künstlerbiographien ^rtistss eölödrss erschien und neben den obenge-
nannten Arbeiten als ein Werk ernster Forschung seine Stelle verdient. Auf
die Unzahl von Aufsätzen, die anläßlich des Donatellojubiläums in periodischen
Zeitschriften erscheinen und erscheinen werden, wollen wir umso weniger einen
kritischen Blick werfen, als wir selbst im Begriff stehen, sie um einen zu ver¬
mehre". Mag man uns den Versuch, ein bescheidnes Scherflein zu den Fest¬
gaben beizusteuern, mit der Erwägung zu Gute halten, daß ein Künstlergeist
wie der Donatellos fast unerschöpflich neue Angriffspunkte für die Forschung
bietet.

Gegen zwei Einwürfe muß freilich unser Versuch an dieser Stelle besonders
verteidigt werden. Bietet Donatello Interesse für das große Publikum? Und:
läßt sich ein solches Interesse ohne die Beihilfe von Abbildungen erwecken oder
neu auffrische"? Der erste" Frage begegnet die Gegenfrage, ob Kunstgeschichte
nur für die Kmistgelehrtcn geschrieben wird, oder ob jeder Gebildete aus ihr
Belehrung und Genuß schöpfen darf und soll. Daß sich dies bequemer durch
Anschauung als durch Lesen erreichen läßt, könnte dagegen stimmen, die zweite
Frage mit Ja zu beantworte". Wie aber die Anschauung wirklich frucht¬
bringend für die Erkenntnis nur durch die Erläuterung wird, die sie in be¬
stimmte Vorstellungen umsetzt, so kann die letztere auch auf die erste vorbereiten,
und dieses Ziel steckt sich die folgende Skizze vornehmlich.

Wer die Kulturströmung, in der Donatellos Wirksamkeit als eine wesentliche
Erscheinung gelten darf, kennen lernen will, sei auf die bekannten kulturgeschicht¬
lichen 8eg,näarä vorlas von Voigt und Burckhardt, sowie das jüngere Werk von
Müntz: IiöL xr"z<zursöiir8 Ah 1^ Iiöirm88Mo"z (Paris, 1882) verwiesen. Frauen
mögen sich aus Iriartes reich ausgestatteten I'lor<zue6 unterrichten. Uns fällt
die engere Aufgabe zu, Donatellvs künstlerischen Entwicklungsgang innerhalb
dieser von neu auflebenden Interessen so mächtig bewegten Welt zu umgrenzen,
und wir wehren uns damit gegen die noch immer von Zeit zu Zeit an kunst¬
geschichtliche Schilderungen gestellte Anforderung, daß sie durchaus mit einer
-- gewöhnlich es-liter aug-litsr zusammengestoppelten -- kulturhistorischen Ein¬
leitung beginnen müßten. Bietet doch jede Künstlerbivgrciphie an sich ein kultur-
geschichtliches Bild, das dnrch solche allgemeine Verbrämungen eher an Klar¬
heit verliert als gewinnt.

Schon bei der Frage nach dem Geburtsjahre Donatellos, die in unsrer
jubiläuinsfreudigen Zeit ja von besondrer Bedeutung ist, begegnen wir mannich-
fachen Widersprüche". Die gleichzeitigen Angaben -- unter ihnen drei sich
widerstreitende Aufzeichnungen des Künstlers selbst -- lassen uns die Wahl
zwischen den Jahren 1382, 1386, 1387 und 1390; Vasari schwankt zwischen
1383 und 1403. Die neuere Forschung hat sich, nicht etwa nur durch die
Überzeugung vo" der Vortrefflichkeit der goldenen Mittelstraße geleitet, fast ein-


Donatello.

von dem unermüdlichen Bibliothekar der IZvols ass dsanx-Mes geleiteten Samm¬
lung von Künstlerbiographien ^rtistss eölödrss erschien und neben den obenge-
nannten Arbeiten als ein Werk ernster Forschung seine Stelle verdient. Auf
die Unzahl von Aufsätzen, die anläßlich des Donatellojubiläums in periodischen
Zeitschriften erscheinen und erscheinen werden, wollen wir umso weniger einen
kritischen Blick werfen, als wir selbst im Begriff stehen, sie um einen zu ver¬
mehre». Mag man uns den Versuch, ein bescheidnes Scherflein zu den Fest¬
gaben beizusteuern, mit der Erwägung zu Gute halten, daß ein Künstlergeist
wie der Donatellos fast unerschöpflich neue Angriffspunkte für die Forschung
bietet.

Gegen zwei Einwürfe muß freilich unser Versuch an dieser Stelle besonders
verteidigt werden. Bietet Donatello Interesse für das große Publikum? Und:
läßt sich ein solches Interesse ohne die Beihilfe von Abbildungen erwecken oder
neu auffrische»? Der erste» Frage begegnet die Gegenfrage, ob Kunstgeschichte
nur für die Kmistgelehrtcn geschrieben wird, oder ob jeder Gebildete aus ihr
Belehrung und Genuß schöpfen darf und soll. Daß sich dies bequemer durch
Anschauung als durch Lesen erreichen läßt, könnte dagegen stimmen, die zweite
Frage mit Ja zu beantworte». Wie aber die Anschauung wirklich frucht¬
bringend für die Erkenntnis nur durch die Erläuterung wird, die sie in be¬
stimmte Vorstellungen umsetzt, so kann die letztere auch auf die erste vorbereiten,
und dieses Ziel steckt sich die folgende Skizze vornehmlich.

Wer die Kulturströmung, in der Donatellos Wirksamkeit als eine wesentliche
Erscheinung gelten darf, kennen lernen will, sei auf die bekannten kulturgeschicht¬
lichen 8eg,näarä vorlas von Voigt und Burckhardt, sowie das jüngere Werk von
Müntz: IiöL xr«z<zursöiir8 Ah 1^ Iiöirm88Mo«z (Paris, 1882) verwiesen. Frauen
mögen sich aus Iriartes reich ausgestatteten I'lor<zue6 unterrichten. Uns fällt
die engere Aufgabe zu, Donatellvs künstlerischen Entwicklungsgang innerhalb
dieser von neu auflebenden Interessen so mächtig bewegten Welt zu umgrenzen,
und wir wehren uns damit gegen die noch immer von Zeit zu Zeit an kunst¬
geschichtliche Schilderungen gestellte Anforderung, daß sie durchaus mit einer
— gewöhnlich es-liter aug-litsr zusammengestoppelten — kulturhistorischen Ein¬
leitung beginnen müßten. Bietet doch jede Künstlerbivgrciphie an sich ein kultur-
geschichtliches Bild, das dnrch solche allgemeine Verbrämungen eher an Klar¬
heit verliert als gewinnt.

Schon bei der Frage nach dem Geburtsjahre Donatellos, die in unsrer
jubiläuinsfreudigen Zeit ja von besondrer Bedeutung ist, begegnen wir mannich-
fachen Widersprüche». Die gleichzeitigen Angaben — unter ihnen drei sich
widerstreitende Aufzeichnungen des Künstlers selbst — lassen uns die Wahl
zwischen den Jahren 1382, 1386, 1387 und 1390; Vasari schwankt zwischen
1383 und 1403. Die neuere Forschung hat sich, nicht etwa nur durch die
Überzeugung vo» der Vortrefflichkeit der goldenen Mittelstraße geleitet, fast ein-


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[0126] Donatello. von dem unermüdlichen Bibliothekar der IZvols ass dsanx-Mes geleiteten Samm¬ lung von Künstlerbiographien ^rtistss eölödrss erschien und neben den obenge- nannten Arbeiten als ein Werk ernster Forschung seine Stelle verdient. Auf die Unzahl von Aufsätzen, die anläßlich des Donatellojubiläums in periodischen Zeitschriften erscheinen und erscheinen werden, wollen wir umso weniger einen kritischen Blick werfen, als wir selbst im Begriff stehen, sie um einen zu ver¬ mehre». Mag man uns den Versuch, ein bescheidnes Scherflein zu den Fest¬ gaben beizusteuern, mit der Erwägung zu Gute halten, daß ein Künstlergeist wie der Donatellos fast unerschöpflich neue Angriffspunkte für die Forschung bietet. Gegen zwei Einwürfe muß freilich unser Versuch an dieser Stelle besonders verteidigt werden. Bietet Donatello Interesse für das große Publikum? Und: läßt sich ein solches Interesse ohne die Beihilfe von Abbildungen erwecken oder neu auffrische»? Der erste» Frage begegnet die Gegenfrage, ob Kunstgeschichte nur für die Kmistgelehrtcn geschrieben wird, oder ob jeder Gebildete aus ihr Belehrung und Genuß schöpfen darf und soll. Daß sich dies bequemer durch Anschauung als durch Lesen erreichen läßt, könnte dagegen stimmen, die zweite Frage mit Ja zu beantworte». Wie aber die Anschauung wirklich frucht¬ bringend für die Erkenntnis nur durch die Erläuterung wird, die sie in be¬ stimmte Vorstellungen umsetzt, so kann die letztere auch auf die erste vorbereiten, und dieses Ziel steckt sich die folgende Skizze vornehmlich. Wer die Kulturströmung, in der Donatellos Wirksamkeit als eine wesentliche Erscheinung gelten darf, kennen lernen will, sei auf die bekannten kulturgeschicht¬ lichen 8eg,näarä vorlas von Voigt und Burckhardt, sowie das jüngere Werk von Müntz: IiöL xr«z<zursöiir8 Ah 1^ Iiöirm88Mo«z (Paris, 1882) verwiesen. Frauen mögen sich aus Iriartes reich ausgestatteten I'lor<zue6 unterrichten. Uns fällt die engere Aufgabe zu, Donatellvs künstlerischen Entwicklungsgang innerhalb dieser von neu auflebenden Interessen so mächtig bewegten Welt zu umgrenzen, und wir wehren uns damit gegen die noch immer von Zeit zu Zeit an kunst¬ geschichtliche Schilderungen gestellte Anforderung, daß sie durchaus mit einer — gewöhnlich es-liter aug-litsr zusammengestoppelten — kulturhistorischen Ein¬ leitung beginnen müßten. Bietet doch jede Künstlerbivgrciphie an sich ein kultur- geschichtliches Bild, das dnrch solche allgemeine Verbrämungen eher an Klar¬ heit verliert als gewinnt. Schon bei der Frage nach dem Geburtsjahre Donatellos, die in unsrer jubiläuinsfreudigen Zeit ja von besondrer Bedeutung ist, begegnen wir mannich- fachen Widersprüche». Die gleichzeitigen Angaben — unter ihnen drei sich widerstreitende Aufzeichnungen des Künstlers selbst — lassen uns die Wahl zwischen den Jahren 1382, 1386, 1387 und 1390; Vasari schwankt zwischen 1383 und 1403. Die neuere Forschung hat sich, nicht etwa nur durch die Überzeugung vo» der Vortrefflichkeit der goldenen Mittelstraße geleitet, fast ein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/126>, abgerufen am 17.09.2024.