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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Lin Jubiläum.

Hohenzollern und Hohenlohe waren nicht viel mehr als Dekorationen -- bewegte
sich von Anfang an mit ihrer inneren Politik in einem verhängnisvollen Wider¬
sprüche: sie wies mit tiefer Entrüstung den Psendvliberalismus Manteuffels
von sich, weigerte sich aber anderseits, den wiederholt mit großer Stimmen¬
mehrheit gefaßten Beschlüssen der Wahlkammer Folge zu leisten. Was dann
die auswärtige Politik betrifft, so war sie unter der liberalen Ära um nichts
besser als unter dem Regime Manteuffels, vielmehr noch kurzsichtiger und mut¬
loser, und es kam dahin, daß ihr Leiter, v. Schleinitz, zuletzt ganz im Fahr¬
wasser Österreichs segelte. Die Unklarheit, mit welcher die liberalen Minister
gegenüber der von ihnen galvanisirten Demokratie die Geschäfte betrieben, führte
bald zum Konflikte. Die nächste Veranlassung desselben war eine Lebensfrage
des preußischen Staates, die Armeereform. Sie war schon längst der Lieb¬
lingsgedanke des nunmehrigen Regenten gewesen und von ihm in ihren Grund¬
zügen bereits vor Jahren schriftlich behandelt worden. Die Mobilmachung
von 1859 hatte frühere Wahrnehmungen, nach denen das Heer einer Umgestal¬
tung und Verstärkung dringend bedurfte, bestätigt, und so hielt es der Prinz,
als er Regent wurde, für seine nächste Pflicht, hier Abhilfe zu schaffen. 1858
wurde v. Roon, damals Kommandeur der 14. Division, veranlaßt, den Gegen¬
stand in einer Denkschrift zu bearbeiten, auf Grund deren dann im Kriegs¬
ministerium zu Berlin ein Neorganisationsplan entworfen wurde, v Roon,
zur Prüfung desselben berufen, berichtete günstig darüber. Er nahm darauf
an den kommissarischen Verhandlungen teil, welche deu wichtigen Gegenstand
betrafen, worauf ihm mit seiner Ernennung zum Kriegsminister die Aufgabe
zufiel, den Neformplan im Abgeordnetenhause einzubringen und zu rechtfertigen.
Bei der Einbringung der betreffenden Vorlagen, um 10. Februar 1860, be¬
zeichnete er die Reform als Ergebnis reiflicher und ernster Prüfung, als Er¬
füllung des Bedürfnisses, das Ansehen nicht allein der Regierung, sondern auch
der Nation zu steigern, und als im Interesse der letzteren unerläßlich. Auf
diese Worte folgten nach wenigen Monaten entscheidende Thaten. Eine Kabinets-
ordre vom 5. Mai verfügte die Bildung neuer Regimenter aus den vorhan¬
denen Landwehr-Stammbataillouen, und zu gleicher Zeit brachte die Negierung,
weil auf rechtzeitige Erledigung der ursprünglichen Vorlage nicht zu rechnen
war, im Landtage einen Gesetzentwurf ein, durch welchen der Kriegsminister
ermächtigt wurde, die Maßregeln aufrechtzuerhalten und zu vervollständigen,
die für die fernere Kriegsbereitschaft und erhöhte Streitbarkeit des Heeres
erforderlich und auf den bisherigen Grundlagen thunlich sein würden. Zu
diesem Zwecke wurden für die Zeit vom 1. Mai 1800 bis zum 30. April des
nächsten Jahres neun Millionen Thaler verlangt. Der Landtag bewilligte
die Summe und scmktivnirte damit die thatsächlich bereits begonnene Heeres-
reorganisativn, da der Kriegsminister vor der Bewilligung der Gelder angedeutet
hatte, die getroffenen Maßregeln müßten nach der Natur der Sache dauernde sein


Lin Jubiläum.

Hohenzollern und Hohenlohe waren nicht viel mehr als Dekorationen — bewegte
sich von Anfang an mit ihrer inneren Politik in einem verhängnisvollen Wider¬
sprüche: sie wies mit tiefer Entrüstung den Psendvliberalismus Manteuffels
von sich, weigerte sich aber anderseits, den wiederholt mit großer Stimmen¬
mehrheit gefaßten Beschlüssen der Wahlkammer Folge zu leisten. Was dann
die auswärtige Politik betrifft, so war sie unter der liberalen Ära um nichts
besser als unter dem Regime Manteuffels, vielmehr noch kurzsichtiger und mut¬
loser, und es kam dahin, daß ihr Leiter, v. Schleinitz, zuletzt ganz im Fahr¬
wasser Österreichs segelte. Die Unklarheit, mit welcher die liberalen Minister
gegenüber der von ihnen galvanisirten Demokratie die Geschäfte betrieben, führte
bald zum Konflikte. Die nächste Veranlassung desselben war eine Lebensfrage
des preußischen Staates, die Armeereform. Sie war schon längst der Lieb¬
lingsgedanke des nunmehrigen Regenten gewesen und von ihm in ihren Grund¬
zügen bereits vor Jahren schriftlich behandelt worden. Die Mobilmachung
von 1859 hatte frühere Wahrnehmungen, nach denen das Heer einer Umgestal¬
tung und Verstärkung dringend bedurfte, bestätigt, und so hielt es der Prinz,
als er Regent wurde, für seine nächste Pflicht, hier Abhilfe zu schaffen. 1858
wurde v. Roon, damals Kommandeur der 14. Division, veranlaßt, den Gegen¬
stand in einer Denkschrift zu bearbeiten, auf Grund deren dann im Kriegs¬
ministerium zu Berlin ein Neorganisationsplan entworfen wurde, v Roon,
zur Prüfung desselben berufen, berichtete günstig darüber. Er nahm darauf
an den kommissarischen Verhandlungen teil, welche deu wichtigen Gegenstand
betrafen, worauf ihm mit seiner Ernennung zum Kriegsminister die Aufgabe
zufiel, den Neformplan im Abgeordnetenhause einzubringen und zu rechtfertigen.
Bei der Einbringung der betreffenden Vorlagen, um 10. Februar 1860, be¬
zeichnete er die Reform als Ergebnis reiflicher und ernster Prüfung, als Er¬
füllung des Bedürfnisses, das Ansehen nicht allein der Regierung, sondern auch
der Nation zu steigern, und als im Interesse der letzteren unerläßlich. Auf
diese Worte folgten nach wenigen Monaten entscheidende Thaten. Eine Kabinets-
ordre vom 5. Mai verfügte die Bildung neuer Regimenter aus den vorhan¬
denen Landwehr-Stammbataillouen, und zu gleicher Zeit brachte die Negierung,
weil auf rechtzeitige Erledigung der ursprünglichen Vorlage nicht zu rechnen
war, im Landtage einen Gesetzentwurf ein, durch welchen der Kriegsminister
ermächtigt wurde, die Maßregeln aufrechtzuerhalten und zu vervollständigen,
die für die fernere Kriegsbereitschaft und erhöhte Streitbarkeit des Heeres
erforderlich und auf den bisherigen Grundlagen thunlich sein würden. Zu
diesem Zwecke wurden für die Zeit vom 1. Mai 1800 bis zum 30. April des
nächsten Jahres neun Millionen Thaler verlangt. Der Landtag bewilligte
die Summe und scmktivnirte damit die thatsächlich bereits begonnene Heeres-
reorganisativn, da der Kriegsminister vor der Bewilligung der Gelder angedeutet
hatte, die getroffenen Maßregeln müßten nach der Natur der Sache dauernde sein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/67>, abgerufen am 22.07.2024.